Covid-19 in Island

Testen, tracken, Ruhe bewahren! Tina Gotthardt berichtet aus Reykjavik

9 Minuten
Touristenattraktion in Reykjavik ohne Touristen mit Informationsschild über Covid-19

Ist das die Rückkehr zur Normalität?

Reykjavík, 06. Mai 2020

Mittlerweile sind 14 Prozent der Bevölkerung des Landes getestet. Derzeit sind drei Patienten im Krankenhaus und niemand mehr auf der Intensivstation. In der letzten Woche gab es weniger als eine Neuinfektion pro Tag. Aber heißt das, dass Island aus dem Gröbsten raus ist? Momentan gibt es jedenfalls vorsichtigen Optimismus, so dass sogar die täglichen Pressekonferenzen nun ausgesetzt und weniger häufig durchgeführt werden.

Am Anfang der Woche sind weitere Lockerungen der – im weltweiten Vergleich sowieso schon recht lockeren – Maßnahmen gegen die Epidemie umgesetzt worden: Öffentliche Versammlungen sind jetzt für bis zu 50 Personen erlaubt, wobei weiterhin das Zwei-Meter-Abstandsgebot gilt, Kindergärten und Grundschulen gehen wieder zum Normalbetrieb zurück, Museen, Bibliotheken sowie Friseursalons dürfen wieder öffnen und während Fitnessstudios und Schwimmbäder noch nicht für die Öffentlichkeit geöffnet werden, findet nun auch wieder Schwimm- und Sportunterricht statt.

Ist das also die „Rückkehr“ zu einer neuen Normalität? Normal ist hier in Island im Moment tatsächlich wenig. Denn all die positive Nachrichten über den bislang glimpflichen Verlauf der Epidemie in Island können nicht über den „Elefant im Raum“ hinwegtäuschen: Island ist leer, es fliegen (fast) keine Flugzeuge, es kommen keine Touristen – und auch der Fisch, seines Zeichens Wirtschaftszweig Nummer zwei nach dem Tourismus, verkauft sich kaum, wenn in den Abnehmerländern die Restaurants geschlossen bleiben. Für ein Land, das sich in den letzten Jahren wirtschaftlich vom globalen Tourismus abhängig gemacht hat, ist das eine absolute Katastrophe.

Die Fluggesellschaft Icelandair hat vergangene Woche über 2000 Mitarbeiter und so seit Beginn der Krise mehr als 90 Prozent seiner Angestellten entlassen, ebenso wie viele der großen Reisebusunternehmen, die auch nahezu ihre gesamte Fahrzeugflotte lahmgelegt haben. Nicht nur in Reykjavík, sondern im ganzen Land schließen viele Hotels und entlassen alle Mitarbeiter. Die Arbeitslosigkeit ist von drei Prozent Anfang März auf fast 17 Prozent Ende April gestiegen, in der Region um den Flughafen Keflavik sogar auf über 40 Prozent. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, solange sich keine Erholung im Tourismussektor ankündigt.

Die Hallgrimskirche in Reykjavik mit einem Schild, dass zum Waschen der Hände aufruft
Die Hallgrimskirche im Zentrum von Reykjavik: Trotz Beginn der Hauptsaison keine Touristen zu sehen
Laura González mit Maske bei der Arbeit
Laura González mit Maske bei der Arbeit
Leere Hauptstrasse in Reykjavik mit aufgemalten Regenbogen
Die Innenstadt Reykjaviks ist ausgestorben, keine Touristen kommen mehr nach Island
Grafik: Anzahl der infizierten Personen und der getesteten Personen nach Testinstitution
Anzahl der infizierten Personen und der getesteten Personen nach Testinstitution NUHI = The National University Hospital of Iceland
Island ohne Touristen
Island ohne Touristen

Geht Island besser mit der Krise um als andere Länder?

Reykjavik, 6. April 2020

Island hat rund 363.000 Einwohner. Aktuell – am Morgen des 6. Aprils – gibt es laut isländischer Regierung 1.486 bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, 1.054 Patienten sind in Isolation, 38 im Krankenhaus und 12 auf der Intensivstation. 336 sind wieder genesen und 5.511 derzeit in Quarantäne. 11.657 haben ihre Quarantäne beendet.

Fünf Menschen sind bisher an (oder mit) Covid-19 gestorben. Der erste Fall war ein australischer Tourist, der nicht an den Folgen von Covid-19 gestorben ist, aber danach positiv getestet wurde. Bei zweien der Toten handelt es sich um ein Ehepaar über 70, die wenige Tage auseinander starben. Der erste Fall in Island wurde am 28. Februar gemeldet, es handelte sich um eine Frau, die aus einem Italienurlaub zurückgekommen war. Der Großteil der infizierten Patienten ist zwischen 30 und 60 Jahren alt. In Island wurden bisher 25.394 Menschen auf Coronavirus getestet, das entspricht ungefähr 7 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Der Großteil der Fälle ist natürlich in der Hauptstadtregion zu finden, denn hier leben mehr als zwei Drittel der Bevölkerung. Mittlerweile gibt es allerdings keinen Landesteil mehr ohne Fälle. Die Epidemie hat also auch hier das ganze Land erfasst.

Die Besonderheit in Island beim Testen ist, dass ein Großteil der Test von deCODE durchgeführt wird, einem – ehemals isländischem – Genlabor, das nun zu einem amerikanischen Pharmakonzern gehört. Auch Einwohner ohne Symptome können sich mit Termin testen lassen. Derzeit werden jeden Tag bis zu 1.000 Tests durchgeführt. Die Regierung stellt alle verfügbaren Daten mehrsprachig auf einer Webseite zur Verfügung.

Nicht alle halten sich an die Vorgaben

Weiterführende Schulen und Universitäten sind seit einigen Wochen geschlossen und haben auf Online-Unterricht umgestellt. Kindergärten und Grundschulen sind noch geöffnet, laufen allerdings größtenteils im Schichtbetrieb – einige Stunden am Tag, jeden zweiten Tag –, um kleine Gruppen und weiterhin Betreuung zu gewährleisten. Home Office – wo möglich – wird empfohlen und Versammlungen mit mehr als 20 Personen sind verboten. Diese Anweisung wurde gerade bis zum 4. Mai verlängert.

Wasserfall in Island.
Gullfoss – der 'Goldene Wasserfall' ist eine Touristenattraktion Islands und normalerweise zu jeder Jahreszeiten gut besucht, jetzt verlassen.

Für mich hat sich privat nicht so viel geändert. Wir sind schon vor der Pandemie wegen des hohen Preisniveaus in Island nicht viel in Restaurants oder Cafés gegangen. Beruflich merke ich aber größere Auswirkungen: Da keine Touristen mehr kommen, hat das isländische Unternehmen für das ich hier arbeite und das Reittouren anbiete– wie viele andere in dem Sektor – auf Kurzarbeit umgestellt. Ich arbeite also jetzt nur noch 25 Prozent und der Staat kommt für den Rest des Gehalts auf. Zumindest theoretisch, denn wie sich das in der Praxis gestaltet, wird sich herausstellen, wenn es zur ersten Lohnabrechnung kommt. Zudem befindet sich die isländische Krone im freien Fall, da der Tourismussektor den größten Teil der Wirtschaftseinnahmen ausmacht. Dies macht sich langsam schon in steigenden Preisen bemerkbar.

Geschlossenes Restaurant beim Gullfoss Wasserfall in Island
Geschäfte und Restaurants müssen schliessen, weil die Touristen wegbleiben

Es gibt keine Knappheit an Lebensmitteln oder Hygieneartikeln in den Supermärkten und insgesamt ist es leichter, sich in Island aus dem Weg zu gehen. Es gibt weniger Menschen – ohne Touristen nochmal weniger als sonst – und mehr Raum. Die Regulierungen sind hier weniger streng und sie sind eher Handlungsempfehlungen, die auch nicht strikt durchgesetzt werden. Hier folgt Island – noch– dem „Schwedischen Modell“ –wo es ja nun ein langsames Umdenken zu geben scheint.