Wie gefährlich ist die in Indien grassierende Variante des Coronavirus?
Die Weltgesundheitsorganisation hat die Variante B.1.617 des Coronavirus als „besorgniserregend“ eingestuft
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die zunächst in Indien auftretende Variante des Coronavirus am 11. Mai 2021 in die höchste Kategorie „besorgniserregend“ (variant of concern, VOC) eingestuft. WHO-Wissenschaftlerin Maria van Kerkhove begründete die Warnung damit, dass B.1.617 deutlich ansteckender sei als andere Varianten. Zudem gebe es Hinweise, dass eine durch bisherige Corona-Impfungen oder -Infektionen erworbene Immunabwehr auf B.1.617 schlechter reagiere. Dadurch könnte sich die Wirkung von Impfstoffen verringern und genese Covid-19-Patientïnnen könnten erneut erkranken. Die EU-Kommission will Einreisen aus Indien weitgehend verbieten und damit die Ausbreitung der Variante in Europa verhindern.
Variante breitet sich in Indien sehr schnell aus
Die Virus-Variante B.1.617 wurde im Oktober 2020 erstmals im indischen Bundesstaat Maharashtra entdeckt. Inzwischen haben sich drei Subtypen gebildet, davon wird B.1.617.2 (bekannt seit Dezember) besonders intensiv beobachtet. Zahlen belegen die hohe Ansteckungsgefahr. Die Variante B.1.617.2 breitet sich in Indien seit März 2021 sehr schnell aus. Ende April erreichte B.1.617.2 landesweit einen Anteil von mehr als 75 Prozent aller im Labor untersuchten Infektionen.
Auch die Behörden in Großbritannien melden einen raschen Anstieg. Innerhalb eines Monats stieg der Anteil von B.1.617.2 am Infektionsgeschehen bis Mitte Mai auf mehr als 40 Prozent. Die Variante ist durch Rückkehrer aus Indien eingeschleppt worden, die das Land wegen der dramatischen Lage vor Ort verlassen hatten. B.1.617.2 verdrängt in Großbritannien die Variante B.1.1.7, dabei gilt diese Form des Virus bereits als besonders ansteckend. Allerdings führt die indische Variante dort nicht zu einem großen Anstieg der Fälle. Dennoch hat die Bundesregierung das Land zum Virusvariantengebiet erklärt und damit die Einreise aus Großbritannien nach Deutschland drastisch beschränkt.
Länder mit hoher Impfquote weniger gefährdet
Die leichte Übertragbarkeit von B.1.617.2 bedeutet vor allem für Indien und seine Nachbarländer eine sehr große Gefahr. Das Gesundheitssystem ist in den Staaten dieser Region auf eine hohe Zahl von Covid-19-Patientïnnen nicht vorbereitet. Die Behörden meldeten dort bereits einen starken Anstieg der Coronafälle.
In Ländern mit einer hohen Impfquote wird die Gefahr durch B.1.617.2 geringer eingestuft. Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe schützen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen diese Variante. Das heißt, sie dürften trotz der vermuteten etwas schlechteren Reaktion der Immunabwehr in den allermeisten Fällen dennoch einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung verhindern. Wenn sich diese Virusvariante allerdings verbreitet, bevor ausreichender Impfschutz besteht, könnten die Inzidenzwerte ansteigen.
Hohe Ansteckungsgefahr, vermutlich mehr schwere Verläufe
Erste funktionelle Untersuchungen im Labor deuten an, dass bei den B.1.617-Varianten der Anteil der Covid-19-Fälle mit Symptomen und auch der Anteil der schwereren Verläufe steigen. Doch diese Ergebnisse sind mit Vorsicht zu bewerten, bei SARS-Cov-2 geben Laborexperimente die Situation in der Bevölkerung oft nicht richtig wieder. Die bisher vorliegenden klinischen Daten reichen für eine genaue Einschätzung noch nicht aus.
Aus Sicht der Molekularbiologïnnen zeichnen sich die B.1.617-Varianten vor allem durch mehrere Veränderungen von Aminosäuren im sogenannten Spike-Protein aus. Die Mutationen (E484K, E484Q und L452R) könnten dafür sorgen, dass das menschliche Immunsystem die Viren schlechter erkennt. Das würde auch die schlechtere Wirksamkeit der menschlichen Immunabwehr erklären. Außerdem kann das Virus durch die Mutationen besser am Rezeptor ACE-2 binden. Weil die Viren darüber in die menschlichen Wirtszellen eindringen, macht sie diese Eigenschaft vermutlich ansteckender.
Rainer Kurlemann, Stand 22.5.2021
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