Den Kranichen fehlt das Wasser zum Brüten
In Norddeutschland fallen in diesem Frühjahr viele Feuchtgebiete durch Trockenheit als Neststandorte aus. Von Carl-Albrecht von Treuenfels

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Zu wenig Niederschläge in den vergangenen Monaten und die Trockenheit des vergangenen Jahres machen sich in Norddeutschland zunehmend auf den Feldern, Wiesen, Weiden und in den Wäldern bemerkbar. Die Furcht vor einem erneuten Dürrejahr wächst. Nicht nur unter den Land- und Forstwirten, sondern auch unter den Vogelfreunden. Besonders die vielen norddeutschen Kranichschützer sind in Sorge.
Von den gut zehntausend in Deutschland nistenden Kranichpaaren brütet der Großteil in den nördlichen Bundesländern. Aus Mecklenburg-Vorpommern mit rund 4500, Brandenburg mit etwa 2750, Niedersachsen mit 1500 und Schleswig-Holstein – etwa gleichauf mit Sachsen-Anhalt – mit knapp 600 Paaren kommen von den Brutplatzbetreuern gleichlautende Meldungen in diesem Frühjahr: Weil das Wasser in der Landschaft fehlt, haben die meisten Kraniche nicht mit der Brut begonnen.
Wo um diese Zeit sonst ein einzelner Kranich in der Landschaft steht, während der Ehepartner oder die Partnerin gut getarnt und von knietiefem Wasser umgeben, auf dem Bodennest brütet, sind beide Vögel in der offenen Landschaft zu beobachten. Das ist ein sicheres Indiz dafür, dass keine Brut stattfindet. Entweder hat sie gar nicht erst begonnen oder das Paar hat sie abgebrochen.
Die Brutversuche haben bereits Mitte März begonnen
Die Kraniche haben in diesem Jahr früh in ihren norddeutschen Revieren mit der Balz begonnen. Paare, die im Herbst nicht mit den großen Zugverbänden ins südwestliche Europa weggeflogen waren und, von Jahr zu Jahr in zunehmender Zahl, auch im Winter die Stellung gehalten hatten, begannen schon ab Mitte Januar damit, lauthals ihre Gebietsansprüche für die Brutsaison kundzutun. Die Rückkehrer aus den Winterquartieren trafen ab Anfang Februar von Westen nach Osten in dichter Reihenfolge ein.
Die nicht in Deutschland ansässigen Vögel zogen später in Trupps weiter – nach Polen, in die baltischen Staaten und nach Skandinavien. So, wie es das Wetter zuließ und die Vögel aus Erfahrung wissen, wann sie mit steigenden Temperaturen sukzessive ihre östlichen und nördlichen Brutreviere beziehen können. Der Frühjahrszug läuft wesentlich schneller, konzentrierter und mit kürzeren Rastaufenthalten ab als der Herbstzug, der sich über mehrere Wochen hinzieht. Die Vögel wollen möglichst schnell ihre Brutgebiete erreichen.


Wo die Landschaft geeignete Voraussetzungen bot, haben einzelne in Deutschland brütende Kranichpaare bereits Mitte März mit dem Nestbau begonnen. Solange das Weibchen noch nicht das erste Ei auf die von Wasser umgebene Nestplattform gelegt hat, stehen die Paare gemeinsam in einiger Entfernung vom Nest beisammen und bestätigen sich mit lauten Duettrufen ihre gegenseitige Zuneigung.
Kraniche brauchen als Bodenbrüter knietiefes Wasser
Erst wenn das Gelege im Abstand von zwei bis vier Tagen mit zwei, gelegentlich mit drei Eiern vollzählig ist, beginnen Henne und Hahn abwechselnd mit der Brut. Wenn alles glatt abläuft, schlüpfen die Küken im Abstand der Eiablage nach 28 bis 30 Tagen, bleiben so lange auf der flachen Brutunterlage aus zusammengetragenen Schilfhalmen, Wasserpflanzen und dünnen Zweigen sitzen, stehen immer wieder auf, um das erstgeschlüpfte Küken zu hudern (wärmen) und das oder die verbliebenen Eier zu wenden, bis auch das zweite oder (selten) dritte goldbraun gefärbte Dunenjunge geschlüpft und getrocknet ist.
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Aber bei der Versorgung in den ersten Lebenswochen beginnt das Dilemma. Je früher im Jahr die jungen Kraniche aus ihren braunen oder olivfarbenen, gesprenkelten Eiern schlüpfen, desto weniger Bodeninsekten gibt es. So sterben viele Kranichküken, die in der zweiten Aprilhälfte das Licht der Welt erblicken, den Hungertod trotz fürsorglicher Betreuung durch die Eltern.
In diesem Frühjahr kommt die große Trockenheit als weitere Gefahr für den Kranichnachwuchs hinzu. Kraniche brauchen als Bodenbrüter knietiefes Wasser rund um ihr Nest, um sicher vor Feinden wie Wildschweinen, Dachsen, Füchsen und Waschbären zu sein. Um die wenigen genügend nassen Biotope wie Erlenbrüche, Moore, mit Schilf bewachsene Sölle und Feldkuhlen hat es zwischen vielen Paaren in den letzten Wochen intensive Auseinandersetungen gegeben. Mitunter streiten sich gleich mehrere Paare um einen potentiellen Brutplatz.
Denn Kraniche sind keine Koloniebrüter, die nah beieinander ihre Nester bauen, wie manche anderen Vogelarten. Kraniche brauchen genügend Platz um ihr Nest, damit die Jungen als „Nestflüchter“ in der weiteren Umgebung ausreichend Nahrung finden. Die Eltern tragen keine Beute zum Horst wie andere Großvögel, etwa Störche, Reiher, Flamingos oder Greifvögel.
Bringt die Trockenheit die Wasserverbände zum Nachdenken?
Die Situation der Kraniche macht deutlich, wie sehr in unserer Landschaft Feuchtgebiete fehlen. Zu den vielfältigen negativen Eingriffen gehört die Tätigkeit der Wasser- und Bodenverbände, die sich durch Zwangsabgaben in nicht unbeträchtlicher Höhe aller Eigentümer von land- und forstwirtschaftlicher Flächen finanzieren. Dadurch hat sich bundesweit ein Millionengeschäft etabliert, an dem neben Verbandsvertretern Baggerunternehmen und Verwaltungen verdienen.
Das Hauptziel der Wasser- und Bodenverbände ist der Entzug von Oberflächenwasser aus der Landschaft durch die jährliche „Unterhaltung“ – sprich das Ausbaggern – von Gräben, die Anlage und Reparaturen von Abflüssen und von Dränagen, also unterirdischen Fließrohren.
Auch viele Landwirte haben in der Vergangenheit wie verbissen darauf geachtet, jegliche Oberflächenfeuchtigkeit im Frühjahr von ihren Äckern und von ihrem Grünland zu verbannen. In diesen Wochen, da viele Felder, Wiesen und Weiden unter zu großer Trockenheit gelitten haben oder leiden und die meisten Senken, Kuhlen und Sölle ausgetrocknet sind, wird mancher Bauer vielleicht anfangen, über seinen Umgang mit der Bodenfeuchtigkeit nachzudenken. Er könnte seinen Feldern und Wiesen einen Teil ihre Nassstellen lassen und um sie herum ackern. Wasser- und Bodenverbände, gegen die schon verschiedentlich geklagt wurde, werden in Zukunft hoffentlich häufiger auf die Wiedervernässung setzen statt sich stets auf das Entwässern der Landschaft zu fixieren.
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