Zeitumstellung: Wiederholt sich in den USA die Geschichte der EU?

Die Wissenschaft fordert schon lange die Abschaffung der Sommerzeit. Russland hat es getan, die EU war 2018 fast so weit, doch der US-Senat plant für 2023 das Gegenteil. Wie geht es jetzt weiter?

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Eine blaugraue Bildmontage setzt mehrere Uhren und Kalender übereinander. Der Anblick suggeriert, dass es schwierig ist, seine Termine vernünftig zu planen.

Eine Mehrheit der Menschen in den USA und in Europa ist schon seit Jahren für eine Abschaffung der Zeitumstellung. Die Umsetzung scheiterte dennoch meist daran, dass man sich nicht darauf einigen konnte, ob hinterher die Normalzeit oder die sogenannte Sommerzeit gelten soll. Die Chronobiologie fordert schon lange, zur ganzjährigen Normalzeit zurückzukehren. Der Senat der USA hat sich nun gegen diese Empfehlung aus der Wissenschaft entschieden und befürwortet die ganzjährige Sommerzeit. Das Repräsentantenhaus hat aber Bedenken und legte den Gesetzentwurf auf Eis. Offenbar wiederholt sich die Geschichte: Schon in Russland und der EU tobte der gleiche Streit. In der EU führte er dazu, dass bis heute gar nichts geschah. Es wird Zeit, die Erkenntnisse aus der Wissenschaft ernst zu nehmen.

(Dieser Artikel wurde am 23. März 2022 aktualisiert, nachdem sich abzeichnete, dass der Beschluss des Senats vermutlich in dieser Form nicht umgesetzt werden wird.)

Vergangenen Sonntag, am 13. März, machten fast die ganzen USA um zwei Uhr nachts das, was wir in der Europäischen Union erst zwei Wochen später, am 27. März, hinter uns bringen werden: Sie stellten die Uhr um eine Stunde vor und wechselten damit ihre Zeitzone. Mit Ausnahme der Staaten Hawaii und Arizona sowie einiger Überseegebiete gilt dort bis zum ersten Sonntag im November die „Daylight Saving Time“, bei uns Sommerzeit genannt, und nicht mehr die jeweilige Standard- oder Normalzeit.

Doch geht es nach dem Senat des US-Kongresses, dann ist es mit dieser Uhren-Umstellung im Herbst 2023 endgültig vorbei. In einem speziellen Verfahren namens „unanimous consent“, das ohne Debatte und Abstimmung auskommt und von vielen Senator*innen gar nicht wahrgenommen worden war, haben die Vertreter*innen der Bundesstaaten für einen Gesetzentwurf aus Massachusetts gestimmt: Laut „Sunshine Protection Act“ werden die Uhren im Herbst des kommenden Jahres nicht mehr zurückgestellt. Von da an soll die Sommerzeitzone ganzjährig gelten. Damit das Gesetz in Kraft tritt, müssen nur noch das Repräsentantenhaus und Präsident Joe Biden zustimmen. Das wird nach jetzigem Stand der Dinge aber nicht geschehen.

Breite Front gegen die Zeitumstellung

Eine Mehrheit der Bevölkerung in den USA und in der EU ist gegen die Uhren-Umstellung. Das zeigen eine Reihe von Umfragen. Zuletzt bestätigte eine Befragung der EU-Bürger*innen im Jahr 2018 das Ergebnis. Schon im Frühjahr 2019 waren die zuständigen Ausschüsse und auch die EU-Kommission als Reaktion darauf entschlossen, das Hin- und Herwechseln zwischen zwei Zeitzonen bis zum Ende des Jahres 2021 abzuschaffen. Allerdings konnten sich die Mitgliedsstaaten im Anschluss nicht darauf einigen, in welcher der beiden Zeitzonen sie leben wollten: Sommer- oder Normalzeit.

Das Kapitol in Washington bei Nacht. Man sieht die hell erleuchtete Rückseite. Sie spiegelt sich in einem künstlichen See.
Der US-Senat ist die eine Kammer des im Kapitol untergebrachten Kongresses der USA. Die andere ist das Repräsentantenhaus. Hier wird jetzt über das Gesetz zur Abschaffung der Zeitumstellung gestritten.