Corona: Mobil durch die Krise

Wie bleibt man in Homeoffice und Zwangsurlaub physisch und psychisch mobil? Ein Gespräch mit der Sportpsychologin Frauke Wilhelm

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Ein Mann sitzt auf dem Balkon und hat seinen Kopf mit der Stirn auf dem Laptop abgelegt

Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft

Deutschland hat die Notbremse gezogen. Millionen Menschen sitzen in Homeoffice und Zwangsurlaub zu Hause fest. Wie bleibt man in dieser Situation körperlich physisch und geistig mobil? Ein Gespräch mit der Sportpsychologin Frauke Wilhelm über Strategien, sinnvolle Investitionen und mehr Spielflächen in Städten für Kinder während der Covid-19 Zwangspause.


Busy Streets: Deutschland hat eine Vollbremsung hinter sich. Das private und das öffentliche Leben sind auf ein Minimum reduziert. Was heißt das für den Einzelnen?

Frauke Wilhelm: Unser Alltag hat sich von einem Tag auf den anderen komplett verändert. Wir haben fast all unsere Routinen verloren. Die neue Situation ist durchaus mit einer plötzlichen Arbeitslosigkeit vergleichbar. Darauf reagieren die Menschen sehr unterschiedlich. Einige sehen die positiven Aspekte, etwa dass sie mehr Zeit haben, weil alle Termine entfallen. Es wirkt ein bisschen wie Ferien. Andere dagegen fallen in ein tiefes Loch.


Busy Streets: Mich erinnert die Situation eher an Stubenarrest. Für viele von uns wird dieser Zustand mindestens fünf Wochen andauern. Was hilft uns in der Zeit, physisch und psychisch mobil und produktiv zu bleiben?

Frauke Wilhelm: Es ist wichtig, sich Strukturen zu schaffen und einen Rhythmus. Der Mensch ist ein Rhythmus-Tier. Wir brauchen weiterhin feste Aufstehzeiten, einen klaren Wechsel zwischen Alltag und Wochenende und vor allem viel Bewegung. Auch ohne der Covid-19 Zwangspause sitzen wir in unserem Alltag mehr als eigentlich gut für uns ist. Homeoffice ist für viele Arbeitnehmer eine neue Erfahrung. Regelmäßige Pausen sind wichtig. Hinzu kommen noch kleine Bewegungseinheiten. Beispielsweise nach anderthalb Stunden Schreibtischarbeit cirka 15 Minuten Pause.


Busy Streets: Das ist einfach in einem Haus mit Garten. Aber wie verschaffe ich mir in einem Mehrfamilienhaus genug Bewegung, ohne die Nachbarn zu stören?

Frauke Wilhelm: Es gibt viele gute Apps und Youtube-Videos, die Übungen zeigen, die nur das eigene Körpergewicht einsetzen. Das macht keinen Lärm. Aber man kann auch die Stufen im Treppenhaus ein paar mal rauf und runter laufen. Wichtig ist, sich an seinen Plan zu halten. Gegebenenfalls muss man sich anfangs dafür den Wecker stellen. Die Bewegung ist tatsächlich elementar für unsere Gesundheit. Deshalb sollte jedes Familienmitglied auch einmal am Tag eine Stunde draußen sein und Spazierengehen, Radfahren oder Sport treiben. Wir brauchen das Tageslicht und den Wechsel von Wärme und Kälte.


Busy Streets: An das selbstständige Arbeiten im Home-Office müssen sich Eltern wie Kinder erst gewöhnen. Nebenher muss täglich gekocht, geputzt und Ordnung gehalten werden. Das führt schnell zu Spannungen. Wie schafft man den Balanceakt?

Frauke Wilhelm: Es ist eine Ausnahmesituation, alle sitzen in einem Boot und alle müssen helfen. Es ist hilfreich, die Aufgaben im Haushalt zu verteilen und dass jeder einzelne für sich individuelle Tages- und Wochenziele aufstellt. Dazu gehören Arbeit, Schularbeit, aber auch das Aufräumen oder Ausmisten des Kleiderschranks. Jetzt ist die Zeit für die Dinge, die man sonst gerne vor sich herschiebt. Im Idealfall schreibt man seine Ziele auf. Das Formulieren hilft und das Abhaken einzelner Punkte am Abend tut gut, weil man sieht, was man geschafft hat.


Portraitfoto von Frauke Wilhelm. Sie ist etwa 40 Jahre alt, hat schulterlanges blondes Haar und lächelt in die Kamera
Frauke Wilhelm hat als Sportpsychologin viele Jahre am Olympiastützpunkt in Hannover Profisportler begleitet, sowie die Fußballprofis von St-Pauli und Hannover 96. Eigentlich sollte sie längst mit der U20 Fußball-Nationalmannschaft unterwegs sein. Aber seit dem Shutdown für Deutschland arbeitet sie wie ihr Mann im Homeoffice.