„Über Klimawandel wird in der Kneipe kaum geredet“

Der internationale Klimaschutz ist in einer ernsten Krise. Ein Gespräch mit George Marshall von „Climate Outreach“

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Eine Szene im Biergarten, an den Bäumen hängen Lampions, die Menschen auf dem Foto sind als Aquarell verfremdet. Die Szene zeigt einen lauen Sommerabend, wer redet da schon über die Klimakrise?

KlimaSocial – vom Wissen zum Handeln

Womöglich ist das menschliche Gehirn auf kaum ein ernstes Problem derart schlecht vorbereitet wie auf den Klimawandel. Es fällt vielen Menschen sehr schwer, die Notwendigkeit zu erkennen, dass sie heute handeln müssen, um in einigen Jahrzehnten einen Effekt zu sehen. Oder gar vorzusorgen, damit nachfolgende Generationen ihn spüren. Sich so zu verhalten, scheint überhaupt nicht der üblichen menschlichen Reaktion auf Risiken zu entsprechen, die vor allem auf kurzfristige, ungewohnte Gefahren anspricht.

Trotzdem haben Wissenschaftler, Umweltgruppen und Journalisten immer wieder auf das Ende des Jahrhunderts und Menschen in fernen Erdteilen verwiesen, denen dann dramatische Folgen der globalen Erwärmung, der Versauerung der Meere und des veränderten Wasserhaushalts drohen. Dieser Ausblick erschien ihnen als rationales Argument und impliziter moralischer Appell, und ging doch an der Wahrnehmung des Publikums weit vorbei.

Über die psychologischen und soziologischen Mechanismen, die da am Werk sind, hat George Marshall von der britischen Organisation Climate Outreach 2014 ein viel beachtetes Buch geschrieben: „Don’t even think about it“ (Bloomsbury, New York). Einiges dazu stand bereits in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung; dort kommt auch der norwegische Psychologe Per Espen Stoknes zu Wort, dessen Buch zum Thema 2015 erschienen ist („What we think about when we try not to think about climate change“, Chelsea Green Publishing, White River Junction/Vermont). Beide Autoren beklagen, dass viele Klimaschützer und Wissenschaftler immer noch meinen, sie müssten das Publikum nur mit genug Fakten füllen, dann würde es schon die gleichen Schlüsse ziehen wie die Experten. Letztlich gilt diese Kritik auch Journalisten, oder? Die Frage geht an Marshall.

Portrait von George Marshall.
George Marshall von der britischen Organisation Climate Outreach.
Worldmap: Land & Ocean Temperature Percentiles Jan-Oct 2016
Der Stand der Erwärmung – Temperaturen von Januar bis Oktober 2016, gemessen als Abweichung vom Durchschnitt des 20. Jahrhunderts.