Deutscher Ethikrat nimmt Stellung zur Klimagerechtigkeit: Alle müssen mehr tun

Im Klimaschutz spielt Gerechtigkeit eine zentrale Rolle. Der Deutsche Ethikrat hat sich jetzt an Empfehlungen versucht. Sie betreffen besonders den Staat, die Reichen – aber auch den zivilen Protest.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
9 Minuten
Strichmännchen halten ein Banner mit der Aufschrift „Climate Justice Now“

Der Deutsche Ethikrat, ein unabhängiger Sachverständigenrat, hat am heutigen Mittwoch eine Stellungnahme zur Klimagerechtigkeit veröffentlicht. Darin nimmt er den Staat und die Reichen klar in die Pflicht. Auch indirekte Kritik an politischen Akteuren und an unserem Wirtschaftssystem lässt sich herauslesen. Im Detail bleiben die Empfehlungen an einigen Stellen jedoch vage. Auch deshalb haben drei Mitglieder des Gremiums eine abweichende Stellungnahme verfasst. Aus der philosophischen Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Reaktionen.

Was bedeutet Klimagerechtigkeit?

Die Klimakrise umfasst verschiedene Gerechtigkeitsfragen. Einige ergeben sich bereits aus der besonderen zeitlichen Dimension der Klimakrise. Menschen, die zu aktuellen Problemen beigetragen haben, sind entweder schon tot oder erleben die Konsequenzen ihres Handelns nicht mehr – während die Auswirkungen vor allem junge Menschen treffen. Es gibt daher viel Streit darüber, wie viel Aufwand verschiedenen Generationen leisten sollten, um den Klimawandel zu bekämpfen. Auch innerhalb einer Gesellschaft können zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten Konflikte entstehen: Wohlhabende Menschen tragen in der Regel durch ihren Lebensstil überproportional zu den Treibhausgasemissionen bei, während ärmere Menschen von den Kosten der Transformation relativ zum Vermögen stärker belastet werden. Zusätzlich müssen nationale Interessen abgeglichen werden mit denen anderer Länder oder Erdteile, insbesondere zwischen Industriestaaten, die Hauptverursacher des Klimawandels sind, und dem Globalen Süden, den die Folgen des Klimawandels oft besonders heftig treffen. Dabei können andere Schlussfolgerungen in den Vordergrund rücken, abhängig davon, woran man sich bei der internationalen Verteilung der Lasten des Kampfes gegen die Klimakrise orientiert. Der Deutsche Ethikrat will Orientierung zu diesen Fragen bieten.

Was steht in der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Klimagerechtigkeit?

Manche Rahmenformulierungen erscheinen offensichtlich. Doch da sie längst keine Selbstverständlichkeiten sind, benennt sie der Ethikrat klar, etwa hier: „Antworten auf die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen müssen die Interessen, Betroffenheiten und Fähigkeiten aller heute lebenden Menschen wie auch zukünftiger Generationen angemessen berücksichtigen.“ Gleiches gilt, wenn der Ethikrat fordert, „die Verteilung von Lasten und Pflichten so zu gestalten, dass Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben für alle gewährleistet sind.“

Die Stellungnahme ordnet auch außerhalb der ethischen Betrachtung wichtige Aspekte ein, etwa, wenn die Autor:innen darauf hinweisen, dass eine ungebremst voranschreitende Erderwärmung weitaus höhere Kosten und Ungerechtigkeiten verursachen würde als eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft. In diesem Kontext richtet der Ethikrat einen Appell an die Politik: Das Fachgremium warnt davor, Hoffnungslosigkeit und Fatalismus zu befeuern, etwa indem von unzumutbaren Verboten „oder gar einer umfassenden Deindustrialisierung des Landes“ gesprochen werde. Vielmehr als bislang sollte in der Debatte auf die positiven Entwürfe und attraktiven Potenziale der Transformation abgehoben werden. Das seien „neben den positiven Effekten für die Lebensqualität vieler Menschen“ nicht zuletzt eine Chance „für beschäftigungswirksame Innovationen in Industrie, Verkehr und Energiewirtschaft“.

Mehrere Erwachsene sitzen an einer U-förmigen Tischreihe.
Der Deutsche Ethikrat bei der Arbeit.
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