Angst vor dem Rechtsruck
Mein ganz privates Rezept: eine Orientierungs-Performance zur Bewusstseins-Schärfung

ACHTUNG Kunst
Dies ist ein Aufruf – Nachahmer erwünscht
Dass ein politischer Rechtsruck in Deutschland immer spürbarer wird, macht mir Angst. Wohin führt das? Diese Frage lässt mich im Alltag nicht los – und hat sich unter dem Eindruck aktueller Veranstaltungen zur Idee einer Performance verdichtet.
Rechtsruck-Performance heißt die Methode, mit der sich – glaube ich – ein wenig Bewusstsein schaffen lässt für politische Trends. Es geht dabei um eine ungewöhnliche Spielform der Outdoor-Orientierung (Bilderstrecke und Video unten): Das „Performende“ besteht darin, sich vor der Haustür oder in anderem, alltäglich vertrautem Gebiet zu Fuß, mit dem Rad, Skateboard oder Roller auf eine „Immer-rechts-Route“ zu begeben, konkret: an jeder Kreuzung oder Verzweigung rechts abzubiegen.
Anleitung zur Rechtsruck-Performance
- Biege bei jeder verkehrstechnisch „echten“ Gelegenheit rechts ab (also nicht, wenn es zum Beispiel weglos über eine Wiese gehen würde).
- Einschränkung: Meide vorausschauend bereits befahrene/begangene Straßen oder Wege (sonst endet die Performance rasch in ewigen Kreiseln): Dazu hat man sich beim oder vor dem zweiten Erreichen derselben Kreuzung, statt erneut rechts, nun gerade oder links zu halten.
- Nutzt Du ein Vehikel, beachte die Verkehrsregeln, zum Beispiel Einbahnstraßen.











Bei meiner ganz persönlichen Test-Performance kam heraus
- dass erstens die Wahrnehmung der Umgebung eine andere ist als bei einer typischen „Outdoor-Aktivität“: Politisch rechte Schmierereien an Mauern, Ampeln oder Stromkästen zum Beispiel fallen eher ins Auge. Und man wird irgendwie misstrauisch: Der Blick in die Gesichter anderer Menschen unterwegs gerät bisweilen in einen fragenden, prüfenden – was wiederum die Beschäftigung mit eigenen Urteilen und Vorurteilen anstößt.Zweitens laden Spannung und Ungewissheit bei einer Orientierungs-Performance dazu ein, sich nachhaltiger mit den politischen Dimensionen des Themas Rechtsruck zu befassen. Die Frage „Wo wird das enden?“ führt dann auf der reinen Outdoor-Ebene zu einem vielleicht erwartbaren, vielleicht aber auch völlig überraschendem Ende in der Stadt oder in der Natur.
Oder mündet die Rechtsruck-Performance womöglich in eine Endlos-Route? Teilen Sie Ihre Erfahrung unter #Rechtsruckperformance – gerne auch auf facebook.com/roosreporter. Ich selbst konstatiere auf einer Outdoor-Plattform: Wer den Rechtsruck mitmacht, landet im unwegsamen Dickicht („Immer nur rechts: So kann das enden“, siehe auch Bilderstrecke oben; zeitliche Abfolge darin umgekehrt: Ende – Dickicht – zu Beginn. Den Ausgangspunkt dokumentieren die Bilder im hinteren Teil der Strecke).
P.S. Keiner behauptet, ein Linksruck endet besser ;-)
Verortung des Beitrags
A) Ausgangspunkt
„Sehr viel deutet darauf hin, dass es längst eine unausgesprochene Arbeitsteilung gibt zwischen der AfD und der extremen Neonazi-Szene mit dem Ziel, diese Republik in ihren Grundfesten zu erschüttern.“ So lautet eine der Diagnosen in einem Report des „stern“, erschienen Anfang Februar; Dachzeile über dem Report-Titel: „Rechtsruck in Deutschland“ [1].
Mit derartigen Medienberichten geht es dem Autor ein wenig wie mit kosmischen Partikeln, die in die Erdatmosphäre eindringen: Sie sind immer da, wechselwirken aber nur selten mit Materie des Alltags. Um bei der Metapher „Teilchenphysik“ zu bleiben: Kollidiert so ein Partikel mit einem anderen, entstehen einige Quanten Energie, bisweilen sogar neue Teilchen – und unter Katalyse vielleicht sogar neue Materie.
Die neue Materie ist im vorliegenden Fall das Konzept der Rechtsruck-Performance (Beispiel des Autors hier einsehbar). Entstanden ist sie unter dem katalytischen Einflusszweier Kulturveranstaltungen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben: eine Ausstellung von Jonathan Meese und eine Podiumsdiskussion mit Martin Schäuble (siehe Quellen am Ende des Beitrags).
- Meese mischt mit verstörenden, skurrilen Werken derzeit unter dem Titel „Dr.Zuhause: K.U.N.S.T.(Erzliebe)“ Lübeck an mehreren Ausstellungsorten auf, unter anderem in der Kirche St. Petri (Informationen hier) – siehe Titelbild des Beitrags sowie hinteren Teil der Fotogalerie
- Schäuble las am 27.2.2019 auf Einladung der „Gemeinnützigen“ (eine Lübecker Stiftung) aus seinem Roman „Endland“ [3]. Anschließend diskutierte er mit Schülern und Erwachsenen über das Thema Rechtspopulismus in Deutschland.
B) Quellen
- Das neue Wirr-Gefühl: Geschichten aus einem Land, in dem sich das Klima ändert; https://www.stern.de/politik/ausland/themen/rechtsruck-4144884.html, abgerufen zuletzt 28.2.2019
- Jonathan Meese: Dr. Zuhause: K.U.N.S.T. (Erzliebe); sein Projekt (17.2. bis 31.3.2019) setzt sich unter anderem mit dem Begriff „Heimat“ auseinander.
- Martin Schäuble: Endland; Hanser, München 2017. In diesem Jugendroman geht es um die Frage was passiert, wenn Rechtspopulisten die Macht in Deutschland übernehmen.
C) Dieser Beitrag
- fällt in die Kategorien Kommentar, News, Aufzeichnung (derzeit vertretene Kategorien im Projekt „Gesichter aus Deutschland“: Analyse, Kolumne, Kommentar, News, Porträt, Report bzw. Aufzeichnung, Stimmungsbild, Zusammenfassung)
- wurde recherchiert exklusiv für RiffReporter.