Geschlecht in der Medizin: Und was ist mit Menschen, die weder Mann noch Frau sind?

Der Mann ist medizinisch gut erforscht, die Frau noch nicht so. Das ändert sich langsam. Aber wen meint die Medizin eigentlich, wenn sie von „Frauen“ spricht – und wie kann die Forschung auch intergeschlechtliche, trans und nonbinäre Menschen mit einbeziehen?

vom Recherche-Kollektiv Der andere Körper:
5 Minuten
Porträtfoto einer Person mit kurzen Haaren und blauem T-Shirt, die nicht klar einem Geschlecht zugeordnet werden kann

Zwei Kästchen zur Wahl: »Frau« oder »Mann«, bitte ankreuzen. Und wenn auf einen Menschen nichts von beidem zutrifft? Dann kommt er im Großteil der medizinischen Forschung nicht vor. Dabei ist längst bekannt, dass das biologische Geschlecht (sex) und die soziale Geschlechteridentität (gender) nicht notwendigerweise übereinstimmen. Mehr noch: Es gibt viele verschiedene Genderidentitäten – und auch biologisch nicht nur zwei klar voneinander abgegrenzte Geschlechter.

Die Medizin sollte eigentlich für alle Menschen gleichermaßen da sein. Medizinische Studien aber wurden lange und werden noch heute überwiegend am (weißen) Mann durchgeführt. Das hat schwerwiegende Folgen. Einige Erkenntnisse aus dem Fach Geschlechtsspezifische Medizin, das seit den 90er-Jahren Geschlechterunterschiede erforscht: Herzinfarkte, aber auch Asthma äußern sich bei Frauen tendenziell anders als bei Männern und werden daher oft zu spät diagnostiziert. Frauen haben ein aktiveres Immunsystem als Männer, was ihnen bei Infektionen zugute kommt, sie aber anfälliger für Autoimmunerkrankungen macht. Und Medikamente haben bei Frauen häufiger Nebenwirkungen als bei Männern.

Wen meint die Gendermedizin, wenn sie von „Frauen“ spricht?

Diese und andere Erkenntnisse der Geschlechtsspezifischen Medizin – oft verkürzt Gendermedizin genannt – haben dazu geführt, dass immer mehr Mediziner*innen in ihrer Forschung und Lehre auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen achten; viele Fachzeitschriften und Förderinstitutionen verlangen inzwischen (mit mäßigem Erfolg), dass Forschende in ihren Publikationen auf Geschlechteraspekte ihrer Untersuchungen eingehen.

Aber während das Bewusstsein für die Unterschiede zwischen Männern und Frauen stärker wird, tauchen neue Fragen auf: Von wem ist überhaupt die Rede, wenn gefordert wird, die Medizin solle Frauen besser einbeziehen? Wie kann sie auch nonbinäre, trans- oder intergeschlechtliche Personen berücksichtigen?