Insekten, die hinten stechen

Ein neues opulentes Buch zeigt, was Wespen, Bienen und Ameisen so erfolgreich macht

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
5 Minuten
Eine Wespe sitzt auf einem Geländer. Sie hat ein Tröpfchen Wasser im Mund und fächert mit den Flügeln.

„Mund zu, Wespe!“ – wenn wir Kinder bei Gisela und Uli am Gartentisch saßen und mit einer Limo vor uns auf die Würstchen warteten, hörten wir diese Warnung häufig. Gisela löste damit immer eine gewisse Panik aus vor den gelb-schwarz gestreiften Biestern, und mit Schaudern lauschten wir den Geschichten von Menschen, die wegen Stichen im Mundraum erstickt waren. Natürlich hatten wir alle schon einmal Erfahrungen gemacht mit dem Stachel und dem Gift dieser Tiere, genauso wie mit ihren nahen Verwandten, die sich alle aus einer Ur-Wespe entwickelt haben, den Bienen und Hummeln und den Ameisen. Bis heute ist „Hau ab!“ der erste Reflex, wenn eine Wespe angesummt kommt, um von meinem Schinkenbrot oder Pflaumenkuchen zu naschen.

Nur wenige Insektengruppen bringen solche Vielfalt hervor

Für alle mit einem solchen mehr oder weniger großen Wespentrauma ist das neue Buch „Stachel und Staat – Eine leidenschaftliche Naturgeschichte von Bienen, Wespen und Ameisen“ ein gutes Antidot. Denn darin zeigt der Biologe Michael Ohl vom Naturkundemuseum in Berlin, was ihn an diesen drei Insektengruppen so fasziniert. Nur wenige andere Insektengruppen bringen es auf eine derartige Artenvielfalt wie diese sogenannten aculeaten Hymenoptheren:

„Insekten, die ‚hinten stechen‘, bilden eine artenreiche und in ihrem Körperbau und Verhalten enorm vielfältige Gruppe“, schreibt Michael Ohl über die tausenden Arten von Wespen, Bienen und Ameisen: „Vor vielen Millionen Jahren ist bei dem gemeinsamen Vorfahren der Wespen, Bienen und Ameisen eine wichtige evolutive Neuerung entstanden: ein Stachel als Injektionsapparat für ein wirkungsvolles Verteidigungs- und Lähmungsgift.“ Wie sich diese Vielfalt entwickelt hat – das erforschen Taxonomen wie Michael Ohl. Denn bei Wespen und Co. gibt es alles: Parasiten, Einzelkämpfer, aber eben auch soziale Arten mit kleinen bis riesigen Kolonien.

Portrait von Michael Ohl. Auf dem Titelbild von „Stachel und Staat“ schaut vor schwarzem Hintergrund eine Wespe den Leser an.
Der Biologe Michael Ohl leitet die Sektion Insektenforschung am Naturkundemuseum Berlin. Sein Buch „Stachel und Staat“ erhält eine echte Leseempfehlung!
Die Grabwespe Chlorion lobatum schillert bunt metallisch.
„Chlorion lobatum ist eine der schönsten Grabwespen Südostasiens“, schreibt Michael Ohl.
Seitenanblick einer Grabwespe. Sie ist gelb-schwarz gestreift.
So ein Weibchen der Grabwespe Oxybelus mucronatus ist gerade einmal 10 Millimeter lang. Dieses Exemplar wurde in Brandenburg gefangen. Die Tiere erbeuten Fliegen und transportieren sie aufgespießt auf ihrem Stachel.
Links: Die Sandwespe Rubrica nasuta leigt in einem kleinen Kästchen. Rechts: Tafel mit Zeichnungen acht verschiedner Wespen. Allesamt mit den typischen schwarzen Streifen.
Links: Dieses Exemplar der Sandwespe Rubrica nasuta hat wohl Maria Sibylla Merian 1701 von ihrer Reise nach Surinam mitgebracht. Und Johann Ludwig Christ hat das Exemplar als Vorlage verwendet für die Wespe mit den Nummer fünf auf dieser Tafel aus seinem Buch „Naturgeschichte“ von 1791 (rechts).

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Michael Ohl: Stachel und Staat. Eine leidenschaftliche Naturgeschichte von Bienen, Wespen und Ameisen, Droemer Verlag, knapp 340 Seiten, 39,99 Euro.