Plant die Ampel weitere Zugeständnisse an die Landwirte zulasten der Natur?

Nach Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir rückt auch Umweltministerin Steffi Lemke von ihrem strikten Nein gegenüber sogenanntem Biosprit ab

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Ein Maisfeld mit Silos

Im Konflikt zwischen der Bundesregierung und den Landwirten zeichnen sich weitere Zugeständnisse zulasten des Naturschutzes ab.

Bisher hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke aus Umweltgründen ein vollständiges Verbot von Treibstoffen aus Getreide oder Ölpflanzen wie Raps gefordert. Nun zeichnet sich ab, dass sie auf die Linie von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir einschwenkt und eine Zukunft für den sogenannten Biosprit sieht– als Treibstoff für die Landwirtschaft.

„Wenn wir die (Anm: Biokraftstoffe) für die Landwirtschaft reservieren und dort einsetzen können, dann halte ich das auch als Umweltministerin für eine sinnvolle Lösung“, sagte Lemke am Dienstagabend der ARD mit Blick auf die aus Pflanzen gewonnenen Treibstoffe. Zuvor hatte sich schon Özdemir für die Nutzung von Kraftstoff aus Pflanzen in der Landwirtschaft offen gezeigt.

„Nahrung gehört auf den Teller, nicht in den Tank“

Damit rücken beide Grünen-Politiker teilweise vom Vorhaben ab, die Verwendung pflanzenbasierter Treibstoffe zu beenden. Lemke hatte dazu vor einem Jahr sogar dem Kabinett einen Stufenplan vorgelegt, der ein schrittweises Verbot bis 2030 vorsieht. Das Vorhaben wird seitdem von der FDP blockiert.

Die Beimischung von Saaten wie Soja, Raps oder Getreide zur Beimischung in den Kraftstoff war ursprünglich beschlossen worden, um den Treibhausgas-Ausstoß durch den Verkehr zu verringern.Sie steht aber in direkter Konkurrenz zur Nutzung der knappen Agrarflächen für die Produktion von Lebensmitteln und für den Erhalt der Artenvielfalt. In Deutschland werden sieben Prozent der Ackerfläche für die Produktion von Biokraftstoffen belegt. Der größere Teil wird aber importiert und raubt damit in ärmeren Ländern Anbaufläche für die Lebensmittelproduktion. Weltweit gehen neun Prozent der Getreideernte in die Produktion sogenannter Biokraftstoffe.

Lemke und Özdemir hinter einem Stehtisch. Im Hintergrund das Logo des Agrarkongresses.
Kurswechsel: Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir demonstrieren beim Agrarkongress Gemeinsamkeit. Auch in der Abkehr vom strikten Nein zu Biotreibstoffen scheinen sie einig.

Auch Lemke hatte ihren Vorstoß mit ökologischen Nachteilen des Biosprits und mit einer Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion begründet.

„In Zeiten multipler Krisen – Artenaussterben, Klimakrise, Ernährungskrise – gilt in ganz besonderem Maße: Pflanzen gehören auf den Teller, nicht in den Tank“, hatte sie beim vergangenen Agrarkongress ihres Ministeriums vor einem Jahr erklärt.

Agrotreibstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen stünden für Flächenverbrauch und den Verlust von biologischer Vielfalt, Argumente sie. Unterstützung erhielt sie damals auch von Özdemir. „Wenn es um Lebensmittel in Tank, Teller, Trog oder Tonne geht, heißt es für mich: Teller first“, sagte Özdemir.

Ein Maisfeld in der Wüste
Ein großer Teil der „Biosprit“-Pflanzen wird importiert. Selbst in Wüstengebieten wird zulasten der Biodiversität Mais angebaut.

Wie geht es weiter mit Lemkes Anti-Biosprit-Initiative?

Es ist unklar, ob Lemke ihr Gesetz gegen Agrosprit in veränderter Form weiterverfolgen will oder nicht. Zum Einsatz von Biokraftstoffen in Pkw äußerte sie sich in der ARD jedenfalls kritisch. Es sei nicht sinnvoll, dafür auf begrenzter Ackerfläche in großem Umfang Treibstoffe herzustellen.

„Das ist nicht effizient, das ist nicht gut für die Natur.“ Offenbar sind die Pläne noch nicht weit gediehen. „Hier liegt der Teufel im Detail, wie eine solche Reservierung für den Landwirtschaftssektor, oder eben auch für Wasserfahrzeuge, gelingen kann“, sagte Lemke der ARD.

Eigentlich sollte 2030 Schluss sein mit Agrotreibstoffen

Nach der RiffReporter vorliegenden Vorlage des Umweltministeriums für ein Agrosprit-Verbot sollte die Beimischung von sogenanntem Biosprit auf der Basis von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen wie Raps, Mais, Soja oder Getreide in vier Stufen verringert werden. Ab 2030 sollten dann gar keine Nahrungsmittel mehr in Autotanks landen. Ausnahmen für landwirtschaftliche Fahrzeuge sah ihr Plan für ein Biodiesel-Aus nicht vor. Nun kann sich die Umweltministerin auch steuerliche Erleichterungen oder gar eine komplette Steuerbefreiung auf Pflanzenkraftstoffe in der Landwirtschaft vorstellen.

Plakat mit Braunkehlchen an einem gelben Haus
Wahlhelfer Braunkehlchen: Bei der vergangenen Bundestagswahl warben die Grünen an ihrer Parteizentrale mit dem Schutz von Biodiversität in der Agrarlandschaft.

Biodiversitätskiller „Biosprit“

Der Anbau von Energiepflanzen gilt auch als eine wichtige Ursache für den anhaltenden Biodiversitätsschwund in der Agrarlandschaft. Die oft in großflächigen Monokulturen angebauten Kulturen wie Mais bieten Vögeln, Insekten und anderen Bewohnern der Agrarlandschaft kaum Nahrung und müssen zudem unter Einsatz biodiversitätsschädlicher Pestizide angebaut werden. Ein großer Teil des Rohstoffs für Biosprit wird zudem importiert und setzt damit die Ökosysteme in anderen Erdteilen unter erheblichen Druck.

Viele Kompromisse zulasten des Naturschutzes

Kommt es zu einer Aufweichung des Gesetzes gegen Agrotreibstoffe, wäre dies ein weiteres Zugeständnis der Ampel-Koalition zulasten des Umwelt- und Naturschutzes.

Die Ampelkoalition hatte als Reaktion auf massive Proteste von Landwirten bereits geplante Kürzungen von umweltschädlichen Subventionen im Agrarsektor zurückgenommen. Die Streichung der Kfz-Steuer-Befreiung für die Landwirtschaft wurde gestrichen und die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel gestreckt. Kompensiert werden sollen die dadurch fehlenden Summen teilweise aus Naturschutzmitteln. Statt wie vorgesehen jeweils fast 700 Millionen Euro aus den Erlösen für die Genehmigungen von Offshore-Windkraftanlagen für einen Umbau der Fischerei und für den Meeresnaturschutz zu verwenden, wird der Großteil dieser Mittel nun zur Deckung der Finanzierungslücke im Bundeshaushalt ausgegeben.

Auch Lemkes Vorzeigeprojekt, das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), Programme zum natürlichen Waldumbau und die Mittel für den Meeresnaturschutz und eine naturverträglichere Ausgestaltung der Fischerei wurden bereits massiv gekürzt.

Özdemir hatte zudem nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs für Kritik gesorgt, als er auf Drängen der Landwirtschaftsverbände eine der wenigen ökologischen Verbesserungen in der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) aussetzte und die landwirtschaftliche Nutzung von eigentlich für die Biodiversität reservierten Flächen erlaubte.

Lemke neben einer grünen Wand mit der Inschrift Natürlicher Klimaschutz
Der natürliche Klimaschutz ist das wohl wichtigste Projekt von Bundesumweltministerin Steffi Lemke

Kritik an Lemke aus der SPD

Kritik an den Plänen Lemkes, Bio-Diesel verstärkt in der Landwirtschaft als Ersatz von Agrardiesel einzusetzen, wird auch aus der Koalition laut. Der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Daniel Rinkert, sagte, die Produktion des sogenannten Bio-Diesels beinhalte zahlreiche negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima. “Den angekündigten Kursschwenk von Umweltministerin Steffi Lemke in dieser Frage kann ich daher nicht nachvollziehen“, erklärte Rinkert. „Es wäre ein Irrweg, eine klimaschädliche Subvention mit einer anderen abzulösen.“ Mit neuen falschen Förderungen sei weder der Landwirtschaft, der Natur noch dem Klima geholfen.

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