Keine Lebensmittel mehr in den Tank: Lemke bringt Verbot von Sprit aus Getreide auf den Weg.

Das Aus für Agrotreibstoffe soll Flächen für Nahrungsmittelproduktion freimachen, die Biodiversität fördern und den Druck auf Lebensmittelpreise angesichts des Kriegs in der Ukraine senken.

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Ein Zapfhahn an der Tanksäule einer Tankstelle

Bundesumweltministerin Steffi Lemke will mit einem Stufenplan bis 2030 aus der Biospritnutzung aussteigen und damit mehr landwirtschaftliche Flächen für die Lebensmittelproduktion und den Artenschutz freimachen.

Einen entsprechenden Plan brachte die Grünen-Ministerin am Donnerstag auf den Weg. Lemke, die auch Verbraucherschutzministerin ist, erhofft sich von ihrer Initiative auch eine Entlastung der hohen Lebensmittelpreise. Sie strebt nach Angaben aus ihrem Ministerium an, dass das Bundeskabinett das Aus für nicht nachhaltigen Biosprit nach der nun eingeleiteten Ressortabstimmung noch im März verabschiedet.

Agrarminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke beim Agrarkongress in Berlin.
Agrarminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke beim Agrarkongress in Berlin.

Die Beimischung von Biomasse-Produkten in den Kraftstoff war ursprünglich beschlossen worden, um den Treibhausgas-Ausstoß durch den Verkehr zu verringern.

Sie steht aber in direkter Konkurrenz zur Nutzung der knappen Agrarflächen für die Produktion von Lebensmitteln und für den Erhalt der Artenvielfalt.

Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine hat sich die Lage weiter verschärft, weil sich die Lebensmittelproduktion in der Ukraine – einst „Europas Kornkammer“ – drastisch verringert hat. Auf der für Agrotreibstoffgewinnung genutzten Fläche könnte nach Angaben von Umweltverbänden der Kalorienbedarf von bis zu 35 Millionen Menschen gedeckt werden.

Vier Zwischenstufen auf Null

Nach der RiffReporter vorliegenden Vorlage des Umweltministeriums soll die Beimischung von sogenanntem Biosprit aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen wie Raps, Mais, Soja oder Getreide in vier Stufen verringert werden. Ab 2030 sollen dann gar keine Nahrungsmittel mehr in Autotanks landen.

Im Einzelnen plant Lemke ab kommendem Jahr die derzeitig vorgeschriebene Beimischungs-Obergrenze von 4,4 Prozent aus Agrotreibstoffen im kommenden Jahr auf 2,3 Prozent abzusenken.

Bereits das entspreche einer sofortigen Rohstoffeinsparung von fast fünf Millionen Tonnen an Nahrungs- und Futtermitteln oder mehr als einer Million Hektar Anbaufläche im kommenden Jahr, heißt es zur Begründung. 2025 soll die Obergrenze dann auf 2,1 Prozent und 2026 und 2027 auf 1,9 Prozent verringert werden. Nach einer weiteren Reduzierung auf 1,2 Prozent in den Jahren 2028 und 2029 soll die Biosprit-Beimischung ab 2030 schließlich bei Null liegen.

Ein Maisfeld in der Wüste
Ein großer Teil der „Biosprit“-Pflanzen wird importiert. Selbst in Wüstengebieten wird zulasten der Biodiversität Mais angebaut.

Lemke will mit Biosprit-Aus auch Lebensmittelpreise entlasten

Von ihrem Vorschlag erhofft sich die grüne Umwelt- und Verbraucherschutzministerin auch eine Entlastung für die Lebensmittelpreise. Wegen der derzeit bestehenden gesetzlichen Regelungen würden rund 10 Millionen Tonnen an Nahrungs- und Futtermittel wie Raps, Mais, Weizen und Soja im Tank statt auf den Tellern landen und so das Nahrungsmittelangebot verknappen, argumentiert das Ministerium.

Die dafür nötigen 2,5 Millionen Hektar Land stünden der Lebensmittelproduktion nicht zur Verfügung. „Um 4,4 Prozent des Kraftstoffbedarfes im Straßenverkehr zu decken, werden Anbauflächen belegt, die 20 Prozent der deutschen Ackerfläche entsprechen“, kritisiert Lemke.

Biodiversitätskiller „Biosprit“

Der Anbau von Energiepflanzen gilt auch als eine wichtige Ursache für den anhaltenden Biodiversitätsschwund in der Agrarlandschaft. Die oft in großflächigen Monokulturen angebauten Kulturen wie Mais bieten Vögeln und anderen Bewohnern der Agrarlandschaft kaum Nahrung und müssen zudem unter Einsatz biodiversitätsschädlicher Pestizide angebaut werden. Ein großer Teil des Rohstoffs für Biosprit wird zudem importiert und setzt damit die Ökosysteme in anderen Erdteilen unter erheblichen Druck.

Ein Braunkehlchen auf einem Halm
Auch das Braunkehlchen, leidet unter immer mehr Pestiziden in der Landwirtschaft.

Überfällige Initiative

Lemke hatte den Vorstoß für ein Biosprit-Aus schon im Frühjahr vergangenen Jahres angekündigt und sich dafür auch die Rückendeckung der Länder-Umweltminister geholt. Vor allem der Widerstand des FDP-geführten Bundesverkehrsministeriums hatte eine Kabinettsvorlage aber immer wieder verzögert.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing, dessen Ministerium seinen Zielen weit hinterherhinkt, hatte argumentiert, ein Aus für Agrotreibstoffe führe zu einem höheren Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehr. Das sei mit den Klimazielen der Bundesregierung nicht vereinbar und innerhalb der Bundesregierung auch nicht abgestimmt, hatte er nach dem früherem Vorstoß Lemkes erklärt.

„Echter Biosprit“ aus Abfall

Lemkes Ministerium bezweifelt allerdings die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermitteln. „Der Anbau von Energiepflanzen verdrängt die Produktion von Nahrungsmitteln in kohlenstoffreiche Gebiete“, heißt es in Lemkes Vorlage. „Die Folge sind Waldrodungen und hohe CO2-Emissionen.“ Diese indirekten Landnutzungsänderungen würden aber bei der Zertifizierung des jeweiligen Biokraftstoffs nicht ermittelt und daher weder in der CO2-Bilanz des Verkehrs noch der Landwirtschaft berücksichtigt.

Zudem plant Lemke als Kompensation für den Wegfall des Biosprits die zulässigen Spritmengen aus Biokraftstoffen aus Abfällen wie Altspeiseölen und tierischen Fetten anzuheben. Bei den Kraftstoffherstellern sollen auch der Einsatz von Strom in Elektrofahrzeugen oder Wasserstoff in den Raffinerien stärker auf die CO2-Bilanz angerechnet werden.

„Teller first“, sagt auch Landwirtschaftsminister Özdemir

Lemke hatte zuletzt am Dienstag einen baldigen Vorstoß gegen Biosprit aus Lebensmitteln angekündigt. „In Zeiten multipler Krisen – Artenaussterben, Klimakrise, Ernährungskrise – gilt in ganz besonderem Maße: Pflanzen gehören auf den Teller, nicht in den Tank, wenn wir sie konsumieren“, hatte sie bei einem Agrarkongress ihres Ministeriums erklärt. Agrotreibstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen stünden für Flächenverbrauch und den Verlust von biologischer Vielfalt.

Unterstützung erhielt sie von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (ebenfalls Grüne). „Wenn es um Lebensmittel in Tank, Teller, Trog oder Tonne geht, heißt es für mich: Teller first“, sagte Özdemir.

Umweltverbände stärken Lemke den Rücken

Dass Lemke nun die Auseinandersetzung sucht, begrüßten Vertreter von Umweltverbänden. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sagte, Wissing blockiere seit Monaten den überfälligen Stopp der staatlichen Agrokraftstoff-Förderung. „Inmitten einer eskalierenden globalen Ernährungskrise verfeuert Deutschland deshalb weiter Getreide und Speiseöl in Verbrennungsmotoren“, kritisierte er. Wissings Behauptung, dass dies dem Klimaschutz diene, sei zudem widerlegt. Schon seit 2008 stufe das Umweltbundesamt die staatliche Förderung für Agrokraftstoffe immer wieder als klima- und umweltschädliche Subvention ein. Lemke komme mit ihrem Vorschlag für einen schrittweisen Ausstieg aus Agrokraftstoffen Wissing bereits weit entgegen. Nun müssten Lemke, Özdemir und Entwicklungsministerin Svenja Schulze sich in der Ressortabstimmung gegen Wissing durchsetzten.

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