Wie es gelang, aus dem Todesstreifen das Grüne Band zu machen

Ein Rückblick 30 Jahre nach dem Mauerfall

von Carl-Albrecht von Treuenfels
11 Minuten
Ein Bundeswehr-Lastwagen reißt mit einer langen Leine einen Wachturm an der innerdeutschen Grenze um, der Turm ist im Fallen zu sehen.

„Die Ruhe könnte bald dahin sein“ – das schrieb der Publizist und Flugbegleiter-Autor Carl-Albrecht von Treuenfels schon am 1. Dezember 1989. Er erkannte früh das Potenzial, dass man aus dem obsoleten Todesstreifen ein Band von Lebensräumen machen könnte. Genau wie zahlreiche andere Umweltschützer beiderseits der innerdeutschen Grenze keimte bei von Treuenfels, der später Präsident des „World Wide Fund for Nature Deutschland“ (WWF) und für gut zehn Jahre Vorsitzender der „Zweckverbandsversammlung Schaalseelandschaft“ wurde, schon wenige Wochen nach dem Mauerfall die Hoffnung auf solch ein mitten durch Deutschland verlaufendes zusammenhängendes Naturschutzgebiet.

Und so kurz nach dem 9. November 1989 zeigte sich bereits, wie wenig Zeit für solch ein Vorhaben blieb. Denn schon drängten Urlauber und Geschäftemacher in die unberührten Lagen. Dorthin – an den Drömling, in die Elbauen und an den Schaalsee – nimmt Sie Carl-Albrecht von Treuenfels in seinem Bericht mit und zeigt Ihnen die Lebewesen, für die das Gebiet, das Schauplatz so vieler Schrecken geworden ist, ein Refugium war.

Ein Braunkehlchen auf einem DDR-Grenzpfahl.
Das Braunkehlchen ist der Symbolvogel des ehemaligen Grenzstreifens – weil es genau solche ungestörten und verwilderten Flächen als Lebens- und Brutraum bevorzugt, wie es sie dort gibt. Ornithologen werten die stark gefährdete Art als Zeiger für solche Zufluchtsorte.

30 Jahre „Grünes Band“

In diesen Tagen wird das dreißigjährige Bestehen des „Grünen Bandes“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze gefeiert – federführend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland(BUND). Aus Anlass des Jubiläums wirbt der Naturschutzverband dafür, den einmaligen Biotopverbund entlang des früheren DDR-Todesstreifens zwischen den beiden deutschen Staaten zu erhalten und mehr noch, die Lücken darin zu schließen. Der BUND hat sich den Begriff „Grünes Band“ als Marke für den 1393 Kilometer langen Streifen zwischen der Ostsee im Norden und der bayerisch-sächsischen Grenze im Süden juristisch gesichert und setzt sich mit Unterstützung von Behörden wie dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und privaten Organisationen dafür ein, dass die Biotope, die sich entlang der ehemaligen Grenze gebildet oder erhalten haben, durchgehend geschützt und weiterentwickelt werden. Seit 2009 ist das Grüne Band namentlich im Bundesnaturschutzgesetz als Bestandteil des nationalen Biotopverbundes aufgeführt. Man ist dem Ziel schon recht nahe gekommen, das gesamte Grüne Band als Nationales Naturmonument (NNM), einer erst seit 2010 im Bundesnaturschutzgesetz vorhandenen Kategorie, unter Schutz zu stellen. Zumal die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – das Land, in dem mit 763 Kilometer mehr als die Hälfte des Bandes liegt – das für ihre Abschnitte schon getan haben. Auch Unesco-Welterbe soll es bald nach Vorstellung von Natur- und Kulturschützern werden. Schließlich gibt es schon die Idee eines Grünen Bandes Europa mit einer Länge von 12.500 Kilometern.

Dass es schon vor dem Mauerfall und der Öffnung der Grenze zwischen Ost und West diesseits und jenseits der politischen und tatsächlichen Trennlinie gemeinsame Aktivitäten gab, zeigt der nachfolgende Artikel, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 1. Dezember 1989 unter der Überschrift „Ungestörte Biotope an der innerdeutschen Grenze“ veröffentlicht hat. In dem Text wurde vor allem über Naturschutzinitiativen des WWF und staatlicher Stellen an der Grenze zwischen Schleswig-Holstein und dem damaligen Mecklenburg (heute Mecklenburg–Vorpommern) sowie Niedersachsen und Sachsen-Anhalt berichtet.

Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen, es ist eines der ersten Treffen von Umweltschützern aus Ost und West.
Ein erstes Treffen von Umweltschützern aus Ost und West: Dr. Walter Hiekel, Kai Frobel, Dr. Werner Westhus, Nanne Wienands, Udo Becker Wienands, Hubert Weiger, Prof. Dr. Rainer Haupt (von links) kamen im bayrischen Hof zusammen. Am Ende stand eine Resolution: „Der Grenzstreifen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik ist als grünes Band und als ökologisches Rückgrat Mitteleuropas vorranging zu sichern“, hieß es darin.

Ungestörte Biotope an der innerdeutschen Grenze

FAZ, 1. Dezember 1989

Die Öffnung der Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR veranlasst auch die Naturschützer in beiden Teilen Deutschlands, aktiver zu werden. In ihre Freude über die Erleichterung von Begegnungen mischt sich die Sorge über schlechte Auswirkungen auf bislang weitgehend ungestörte Lebensräume von Tieren und Pflanzen beiderseits der Grenze.

Nach der Teilung Deutschlands haben sich hier in den vergangenen vierzig Jahren Biotope von besonders hoher Qualität entwickeln können. Durch die erzwungene Ruhe, vor allem in der mehrere Kilometer breiten Sperrzone auf dem Territorium der DDR, aber auch in grenznahen Gebieten der Bundesrepublik, fanden viele bedrohte Arten ein Rückzugsgebiet, in dem sie weitgehend unbehelligt blieben. Zwar macht bis in die Gegenwart die für den Naturhaushalt besonders schädliche Grundwassersenkung durch das Ziehen tiefer Entwässerungsgräben diesseits und jenseits des Zaunes nicht halt. Dennoch zieht sich ein langes, biologisch wertvolles Biotopband in unterschiedlicher Ausstattung von Norden nach Süden durch Deutschland. „Natur im Schatten der Grenze“ ist zu einem Begriff geworden.

Auf dem Gebiet der Bundesrepublik sind in unmittelbarer Nähe zur Grenze etliche Naturschutzgebiete entstanden. Nicht wenige enden im Osten am Grenzzaun. Weil es in der DDR weitgehend verboten war, das Sperrgebiet entlang der Grenze zu betreten, waren Naturschutzmaßnahmen für diese Regionen überflüssig.

Zwischen Äckern zieht sich im Zickzack das Grüne Band durch die Landschaft. Blick aus der Luft.
Zickzack: Das Grüne Band ist an vielen Stellen gerade einmal 30 Meter breit – so wie hier in Obersuhl an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen im Jahr 2007. Hier hat der WWF Deutschland erst kürzlich neue Flächen hinzugekauft, um Lücken zu schließen.

Dennoch gibt es schon seit geraumer Zeit Bestrebungen, grenzüberschreitende „gesamtdeutsche“ Naturschutzgebiete einzurichten. Sowohl Bundesumweltminister Töpfer als auch die Landesregierungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben darüber in der DDR Gespräche geführt, die aber bislang ohne Ergebnis geblieben sind.

Um Schutz für den Drömling kämpften die Verbände seit Jahren

In Niedersachsen geht es an erster Stelle um den Drömling, ein großes Niederungsgebiet nordöstlich von Wolfsburg, das sich weit in die DDR erstreckt. Die von Feuchtwiesen gekennzeichnete Landschaft, durch die der Mittellandkanal verläuft, hat schon viel von ihrem biologischen Wert durch Entwässerungen beiderseits der Grenze verloren, ist aber dennoch eine Oase für Pflanzen und Vögel: Etwa 2500 Hektar und damit die Hälfte des Drömlings auf dem Gebiet der Bundesrepublik (achtzig Prozent seiner insgesamt 250 Quadratkilometer großen Fläche liegen in der DDR) gelten als schutzwürdig. Seit Jahren setzen sich die Naturschutzverbände BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), DBV (Deutscher Bund für Vogelschutz) und die Umweltstiftung WWF Deutschland gemeinsam für die Erhaltung dieses Feuchtgebietes ein.

Die Elbauen zwischen Schnakenburg und Lauenburg, ebenfalls in Niedersachsen gelegen, könnten eine hervorragende Ergänzung entlang des östlichen Elbufers erfahren.

Stacheldrahtbewehrte Zäune ziehen sich vor einem DDR-Wachturm entlang. Die Anlage wirkt brutal.
Einer von 578 Beobachtungstürmen im Todesstreifen an der innerdeutschen Grenze, aufgenommen im Frühjahr 1990.

Über eine Länge von 132 Kilometern erstreckt sich zwischen dem Priwall an der Ostsee und Lauenburg an der Elbe eine Kette von Seen, Feuchtgebieten, Laubwäldern, Resten von Heideflächen und Wiesen. Der Ratzeburger See und der Schaalsee sind die größten Wasserflächen in der von mehreren Eiszeiten geprägten Landschaft. Da hier Einflüsse des atlantischen und des kontinentalen Klimas zusammentreffen, hat sich eine besonders vielfältige Tier- und Pflanzenwelt entwickelt und bis auf den heutigen Tag erhalten. Deshalb wurde hier vor dreißig Jahren der „Naturpark Lauenburgische Seen“ gegründet und im Jahre 1985 von der damaligen schleswig-holsteinischen Landesregierung das „Landesprogramm zum Schutz der Natur und zur Verbesserung der Struktur an der schleswig-holsteinisch-mecklenburgischen Landesgrenze“ aufgelegt. Es erfasst ein Gebiet von gut 41.000 Hektar.

Erfolgreicher Naturschutz brauchte die Gebiete in Ostdeutschland

Wegen der veränderten Umstände an der Grenze ist der Naturschutz wichtiger denn je geworden. Der schleswig-holsteinische Minister für Natur und Umwelt, Berndt Heydemann, hat die Ziele des Programms für den Naturschutz schon erweitert. Es genügte jedoch nicht mehr, entsprechende Vorstellungen im nördlichsten Bundesland fortzuentwickeln und zu verwirklichen. Ohne eine Ergänzung auf mecklenburgischem Gebiet blieben die Anstrengungen zur Erhaltung der Naturschätze weitgehend erfolglos.

Der Nordteil des Schaalsees aus der Luft. See und bewaldete Inseln bilden ein Mosaikmuster.
Der Nordteil des Schaalsees. Auf DDR-Gebiet im Osten fanden zahlreiche seltene Arten Zuflucht.

Wer die Verhältnisse am knapp 2300 Hektar großen Schaalsee kennt, versteht die Befürchtungen der Naturschützer. Die buchtenreiche, größtenteils von Laubwäldern und Schilf umgebene Wasserfläche, durch welche die von Bojen gekennzeichnete Grenze verläuft, ist der Lebensraum vieler seltener Vögel. Zwei Seeadlerpaare haben hier ihr Jagdrevier; beide brüten in der Nähe des östlichen Ufers. Im Westen hat ein Paar schon vor vielen Jahren seinen Horst wegen zu starker Beunruhigung durch Besucher aufgegeben. Der Fischotter, die am stärksten bedrohte Säugetierart in der Bundesrepublik, hat am Schaalsee noch sein Revier. Kraniche brüten im Schilfgürtel einer Insel und in Ufernähe; Graugänse und Gänsesäger ziehen hier ihre Jungen ebenso auf wie viele Taucher und Enten, Seeschwalben und Möwen. Einige hundert Kormorane fischen zeitweilig im See, und Ornithologen rechnen mit einer baldigen Ansiedlung des Fischadlers. Dieser Greifvogel brütet im östlichen Teil des Bezirks Schwerin in ansehnlicher Zahl; in der Bundesrepublik ist er als Brutvogel schon seit Jahrzehnten verschwunden.

Refugien östlich der Bojengrenze

Der Großteil aller Vögel konzentriert sich auf dem Schaalsee östlich der Bojengrenze. Auch die bis zu 30.000 Bleß-, Grau-, Saat- und Kurzschnabelgänse, die ihn als Rast- und Ruheplatz auf dem Durchzug zwischen ihren nordosteuropäischen Brutrevieren und den Überwinterungsräumen am Niederrhein und an der holländischen Küste benutzen, lagern überwiegend in der Nähe des Ostufers. Genauso halten es in jedem Herbst zwischen 600 und 1000 Kraniche, die auf der Techiner Halbinsel ihren wichtigsten Schlafplatz im östlichen Mecklenburg haben. Selbst die Fischotter schwärmen zu ihrer Unterwasserjagd meistens von Osten her aus.

Die Tiere an den vielen kleinen anderen Seen unmittelbar an der Grenze verhalten sich ähnlich. Das zur DDR gehörende Ufer des Ratzeburger Sees ist von Vögeln wesentlich stärker belebt als das westdeutsche Ufer, wo sich an manchen Stellen Bootsstege und -häuser aneinanderreihen. Auf dem knapp achthundert Hektar großen Dassower See bei Lübeck, der zur Bundesrepublik gehört und durch – lückenhafte – Naturschutzvorschriften unvollständig gesichert ist, liegen die bis zu 26.000 überwinternden Bergenten, andere Entenarten und etwa dreitausend Bleß-und Saatgänse in der Nähe des Ostufers, das zur DDR gehört.

Die Ruhe könnte bald dahin sein, wenn nicht schnell auf beiden Seiten der Grenze mehr für die Einrichtung und Überwachung von geschützten Gebieten getan wird. Die Kreisarbeitsgemeinschaft Naturpflege Herzogtum Lauenburg, in der die Naturschutzorganisationen zusammenarbeiten, haben mittlerweile einen Plan für grenzüberschreitenden Naturschutz entworfen. In ihm sind neben Vorschlägen für Schutzgebiete Pläne für einen „Naturschutzpark Schaalsee“ enthalten. Die Pläne werden jetzt mit mecklenburgischen Naturschutzbeauftragten abgestimmt.

Zu sehen ist eine typische Heidelandschaft mit rosa blühendem Heidekraut.
Eine Lücke im Kiefernforst: Direkt auf dem Todestreifen durften keine Bäume wachsen. Darum konnte sich dort eine einzigartige Heidelandschaft mitten in einem großen Wald entwickeln. Solche Flächen sind für viele Tier- und Pflanzenarten wichtig. Und insbesondere zur Heideblüte ausgesprochen hübsch. Doch die Bäume erobern sie zurück. Darum lassen die Naturschutzverbände immer wieder Kiefern fällen, damit die Lücken bleiben.

Einschränkungen für den Naherholungsverkehr und Freizeitaktivitäten, die mit der Sperrung von Uferzonen und Wasserflächen verbunden sind, werden sicherlich Gegner auf den Plan rufen. Unter ihnen ist auch mancher aus der Bundesrepublik, der auf der anderen Seite der Grenze sein Geschäft machen möchte. In Zarrentin, einem idyllischen Ort am Schaalseeufer mit rund 3500 Einwohnern, soll schon ein westdeutscher Makler große Versprechungen gemacht haben. Die ersten verfallenen Bootshäuser werden wieder hergerichtet.

Schwieriger Ausgleich zwischen Freizeit und Naturschutz

Es ist nicht leicht, einen gerechten Ausgleich zwischen den Freizeit- und Nutzungsinteressen der Bevölkerung und dem Naturschutz zu finden. Die Naturschützer der Bundesrepublik kennen solche Schwierigkeiten zur Genüge, nicht nur am Schaalsee, dessen westliche Hälfte Privateigentum ist. Die – überwiegend auch ehrenamtlich tätigen – Naturschützer in der DDR müssen nach eigenen Angaben in diesen Tagen erst einmal üben, wie sie der veränderten Lage Rechnung tragen. Sie haben es zur Zeit leichter, weil noch der Staat ihr einziger Ansprechpartner ist, der – bei allen Mängeln im technischen Umweltschutz – für den Naturschutz in der DDR manches getan hat. Im Hinblick auf die Regionen in der Nähe der Grenze haben die Naturschützer und Umweltminister Schleswig-Holsteins, Niedersachsens, Hessens und Bayerns jetzt eine ebenso wichtige Aufgabe wie ihre Gesprächspartner in den Bezirken Schwerin, Magdeburg, Erfurt, Suhl, Gera und Karl-Marx-Stadt und in der Regierung in der DDR. Dabei wird es nicht zuletzt darum gehen, die DDR auch finanziell dabei zu unterstützen, die entstandenen Ruhezonen und Biotope im Interesse eines gesamtdeutschen Naturschutzes zu erhalten.

Links Dr. Kai Frobel im März 1990 bei einer Pressefahrt in der Gegend um Mitwitz in Oberfranken. Auf dem rechten Bild ist er 2017 mit einem anderen Wegbereiter des „Grünen Bandes“ zu sehen, Hubert Weiger..
27 Jahre liegen zwischen diesen beiden Bildern: Links Dr. Kai Frobel im März 1990 bei einer Pressefahrt in der Gegend um Mitwitz in Oberfranken. Schon Jahre vor dem Mauerfall hatte er die Natur im Grenzstreifen beobachtet. Es war Frobels Idee, den Naturschutzverbund auf dem vormaligen Todesstreifen „Grünes Band“ zu taufen. Auf dem rechten Bild ist er 2017 mit einem anderen Wegbereiter des „Grünen Bandes“ zu sehen, des ersten und größten gesamtdeutschen Naturschutzprojektes: Prof. Dr. Hubert Weiger. In dem Jahr erhielten die beiden Männer den Deutschen Umweltpreis zusammen mit der Stifterin Inge Sielmann. Sie war bereits verstorben und wurde posthum ausgezeichnet.
Seit dieser Artikel erschienen ist, hat sich viel getan. Mit mehr als 1200 gefährdeten Tier- und Pflanzenarten ist das „Grüne Band“ heute „eine Schatzkammer der Arten“, sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des BUND und Mitinitiator des Grünen Bandes. Und es zeigt mit Orchideen-Wiesen, Binnendünen, Heideflächen, naturnahen Wäldern, Mooren und Bächen einen Querschnitt durch deutsche Landschaften. Was seitdem geschah, beschreibt Carl-Albrecht von Treuenfels so:

Die Annäherungen waren damals nicht ganz einfach. Und doch sind daraus nach der Wiedervereinigung zwei veritable Naturschutzgroßprojekte, zwei sogenannte „Gebiete von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung“ (GR) geworden: das länderübergreifende GR-Projekt „Schaalseelandschaft“ zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein und das GR-Projekt „Drömling/Sachsen-Anhalt“. GR-Projekte wurden unter Bundesumweltminister Klaus Töpfer eingeführt. Sie ermöglichen es der Bundesregierung, die Bundesländer beim Naturschutz in besonderen Fällen zu fördern und dabei mitzugestalten. Denn eigentlich ist diese Aufgabe per Verfassung Ländersache.

Die lange Entstehungsgeschichte der Schutzgebiete ganz kurz: In beiden Fällen gründete der WWF zusammen mit den Landkreisen Zweckverbände, die sich um die Organisation kümmerte, vor allem aber die Gelder des Bundes verwaltete, der die Geländekäufe mit bis zu 75 Prozent der benötigten Summen förderte. Die restlichen Beträge stellten die beteiligten Bundesländer und der WWF im Förderzeitraum von 1992 bis 2009 zur Verfügung. Beim Projekt Schaalseelandschaft, dessen Gebiet 33.500 Hektar mit einem Kerngebiet von 14.700 Hektar umfasst (im Westen der Naturpark Lauenburgische Seen, im Osten das Biosphärenreservat Schaalsee), betrug der Finanzrahmen 26 Millionen Euro. Bis heute hat der Zweckverband 4950 Hektar als Eigentum erworben. 7600 Hektar sind als Naturschutzgebiete ausgewiesen.

Offene Flächen zwischen einem leuchtend gelben Rapsfeld und einem Acker, auf dem erste grüne Pflänzchen sprießen. Das Grüne Band im Frühling aus der Luft
Luftbild der ehemaligen Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten, zwischen Oberhartmannsreuth im bayrischen Landkreis Hof und Wiedersberg im sächsischen Landkreis Oelsnitz.

Auch im östlichen, zu Sachsen-Anhalt gehörenden Teil des Drömlings begann es nach der Grenzöffnung mit einem GR-Projekt und einem Zweckverband mit den beiden angrenzenden Landkreisen und dem WWF als Träger. Im Drömling, der zu einem kleineren Teil zu Niedersachsen gehört, wurden bereits vor dem Weltkrieg mehrere Naturschutzgebiete ausgewiesen. Im Förderzeitraum von 1992 bis 2013 wurden insgesamt 21 Millionen Euro aufgewendet und bis heute 4220 Hektar erworben. 10.340 Hektar sind als Naturschutzgebiete ausgewiesen, hinzu kommen auch FFH- und SPA-Gebiete ( FFH=Fauna Flora Habitat, SPA=Special Protected Area). Inzwischen ist der Drömling in Sachsen-Anhalt ein Biosphärenreservat geworden. Das ist auch für den niedersächsischen Teil im Jahr 2020 geplant.

Die beiden Projektgebiete gehen in ihrer Größe und Bedeutung weit über die Dimension, die das Grüne Band andernorts hat, hinaus – an vielen Stellen ist es nur wenig mehr als 30 Meter breit. Der WWF hat sich mit dem Ankauf größerer Flächen auch im Rhäden von Bosserode bei Obersuhl im Grenzgebiet zwischen Hessen und Thüringen engagiert. Ohne die jahrzehntelange Arbeit von Thomas Neumann und Sabine Reichle vom norddeutschen WWF-Büro wären diese Erfolge nicht möglich gewesen.