Klimaphänomen El Niño in Lateinamerika: Hölle auf Erden statt Christkind

Ab Ende 2023 wird Wissenschaftlerïnnen zufolge das Klima im Pazifik wieder Kapriolen schlagen. Wir erklären Ihnen, was das üblicherweise an Weihnachten beginnende Phänomen ist, wie es mit dem Klimawandel zusammenhängt und worauf wir uns vorbereiten müssen.

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Mann und Hund stehen bis zu den Knien im Wasser, daneben ein einfaches Holzhaus mit Palmdach

Schon die peruanischen Urvölker kannten „El Niño“, das Klimaphänomen, das sich meist um die Weihnachtszeit herum bemerkbar macht. Für die Fischer bringt dieses „Christkind“ (so heißt es auf Deutsch) schwierige Zeiten. Denn normalerweise sorgt der kalte und nährstoffreiche Humboldtstrom vor der peruanischen Küste für großen Fischreichtum.

In El Niño-Jahren lässt der Humboldtstrom nach und die Netze der Fischer bleiben leer. Doch das Christkind wirkt weit über Peru hinaus und sorgt in ganz Lateinamerika für Klimaturbulenzen. Für die zweite Jahreshälfte haben Forscherïnnen ein Super-El Niño-Phänomen prognostiziert – mit Hitzerekorden.

Beiger Sandstein, darauf ein Relief mit zwei Fischen.
Schon die alten Völker Perus kannten das Niño-Phänomen. Die Reliefs in der Lehmstadt Chan Chan in Nordperu zeigen Fische, die sowohl nach Norden wie nach Süden schwimmen. Dies wird als Hinweis auf den Humboldtstrom (vom Süden) und den Niño (aus dem Norden kommend) interpretiert. Chan Chan war die Hauptstadt des Reiches der Chimú. Sie wurde um 1300 erbaut und 1470 von den Inka erobert.

Was ist El Niño und was hat Humboldt damit zu tun?

El Niño ist ein periodisch wiederkehrendes Klima-Phänomen, das mit veränderten Meeres- und Luftströmungen im Pazifik zu tun hat.

In der Regel ist der Luftdruck im Osten des Pazifiks hoch, also über Südamerika. Im Westen, über Südostasien und Australien, ist er niedrig. Passatwinde, die in der Südhalbkugel in westliche Richtung wehen, gleichen den Unterschied im Luftdruck aus.

Dabei treiben sie tropisch-warmes Oberflächenwasser vor die Küsten Australiens und Indonesiens. Vor der Küste Südamerikas hingegen strömt ständig kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser aus der Antarktis nach, um den Verlust auszugleichen. Das ist der sogenannte Humboldtstrom. Er ist benannt nach dem deutschen Naturforscher Alexander von Humboldt, der dieses Phänomen auf seiner Südamerika-Reise im Jahr 1802 erstmals wissenschaftlich dokumentierte.

In El Niño-Jahren ist der Luftdruckunterschied zwischen dem östlichen und westlichen Pazifik deutlich kleiner oder dreht sich sogar um. Die Passatwinde ermatten oder fallen ganz aus. Dann lässt der Humboldtstrom nach und der Ostpazifik erwärmt sich – also die Westküste Südamerikas. Es fehlen die Nährstoffe, mit Folgen für Phytoplankton und Fischschwärme.

Blick vom Meer auf eine Küste. In der Mitte des Wassers ein Schilfboot, auf dem ein paddelnder Mann und ein Kind sitzt.
Bis heute paddeln die Fischer im nordperuanischen Huanchaco in ihren traditionellen Schilfbooten, „Caballitos de Totora“ (Schilfpferdchen) genannt, auf den Pazifik hinaus.
Ein Bach fliesst durch ein brauches Flussbett, am linken Ufer ist die Befestigung abgerissen, die Häuschen stehen nun direkt am Abgrund. Ein paar Menschen stehen am Eingang ihres Hauses oder suchen sich einen Weg durch die nicht mehr existente Strasse.
Nach dem Niño: Diese Häuser an einem jahrelang trockenen Flusslauf in Lima sind gerade noch einmal davongekommen.
Marktstände, an denen Plastiktaschen hängen. Menschen haben sich vor dem Regen unters Vordach geflüchtet. Stände sind mit Plastikfolien abgedeckt. Es regnet stark.
Anhaltender Regen in Yurimaguas, Nordperu.
Ein Rohbau aus roten Ziegeln, davor ein eingestürztes Betondach. Die Erdstrasse ist ausgeswaschen, zwei Frauen gehen darauf.
Nach der Überschwemmung durch den Niño im März 2017 in einem Vorort von Lima.
Ein kleiner Tümpel, davor ausgetrocknete, rissige Erde.
Während der Niño einigen Regionen Regen im Übermaß bringt, leiden andere Regionen unter dem fehlenden Regen. Das Foto aus dem Jahr 2018 zeigt den fast ausgetrockneten Stausee Cantareira in Brasilien, von dem São Paulo sein Wasser bezieht.
Eine Frau mit Schildmütze, Tuch vor dem Mund und Brille blickt auf eine Art Handy, vor ihr auf den Knien ein Tablet. Sie sitzt auf einem Boot, im Hintergrund das Meer und die nahe Küste.
Wassermessungen am mesoamerikanischen Korallenriff vor Honduras.
Aufgestellte Schilfboote am Strand vor dem Pazifik, im Hintergrund Sonnenuntergang
Schilfboote „Caballitos de Totora“ am Pazifik in Nordperu