Was zeigt die sogenannte Übersterblichkeit?

Die Differenz der Todeszahlen zu den Vorjahren kann Hinweise geben, wie viele Menschen an Covid-19 verstorben sind

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Eine Nahaufnahme einer Bakterie [AI]

Bei RiffReporter berichten WissenschaftsjournalistInnen für Sie über die Pandemie

Kurzantwort

Wenn in einem bestimmten Zeitraum eines Jahres mehr Menschen sterben als im Vergleich zu früheren Jahren, spricht man von Übersterblichkeit. Manchmal – nicht immer – lassen sich Ursachen für die Übersterblichkeit erkennen, wie etwa die Ausbreitung eines neuartigen Virus. Wie viele Menschen aber aufgrund einer bestimmten Ursache wirklich zusätzlich sterben, lässt sich nicht immer leicht herausfinden.

Erklärung

Steigt die Zahl der Todesfälle durch die Viruskrankheit Covid-19? Diese Frage beschäftigt viele Menschen, weil sich an der Antwort ablesen ließe, wie gefährlich das Virus ist. Was sich einfach anhört, ist jedoch nicht ganz trivial. Denn wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitraum sterben, schwankt mitunter stark.

In Deutschland erfasst das statistische Bundesamt, wie viele Menschen täglich, monatlich und jährlich sterben. Das Bundesamt bekommt die Daten von den Standesämtern, bei denen jeder Todesfall gemeldet wird. Dafür braucht es einen Totenschein, der von einem für die Leichenschau bestellten Arzt oder einer Ärztin ausgefüllt wird. Dass die Todesursache korrekt erkannt wird, ist jedoch nicht garantiert. In manchen Fällen bleiben Zweifel – vor allem, wenn eine Infektionskrankheit zum Tod führte. Nur in Einzelfällen werden in Deutschland Verstorbene obduziert.

Das statistische Bundesamt wertet im ersten Schritt aus, wie viele Menschen gestorben sind und ob es mehr sind, als im gleichen Zeitraum in den Jahren zuvor. Die Analyse der Todesursachen dauert länger und liegt oft erst ein bis zwei Jahre später vor.

Hat Covid-19 in Deutschland eine Übersterblichkeit verursacht?

In Deutschland begann die Zahl der Covid-19-Erkrankungen genau in den Monaten zu steigen, in denen die Sterbezahlen im Jahresvergleich stark schwanken. Jeder Winter bringt Grippewellen mit sich, die sehr unterschiedlich verlaufen können. Das macht es schwieriger, die Übersterblichkeit durch Covid-19 zu ermitteln. Denn wenn in der Grippesaison von November bis März Todeszahlen rauf und runter gehen, lässt sich an den Kurven nur schwer ablesen, ob die höhere Sterblichkeit wirklich ungewöhnlich ist.

In den ersten drei Märzwochen gab es in Deutschland nicht viel mehr Tote als sonst, zum Teil starben sogar weniger Menschen als erwartet. ExpertInnen führen das auf die Kontakteinschränkungen und bessere Hygiene zurück, was sowohl die Ausbreitung des Coronavirus als auch des Grippevirus verlangsamt haben dürfte. Außerdem sanken womöglich noch andere Sterberisiken, wie das Risiko für Verkehrsunfälle durch weniger Autos auf den Straßen und die Anzahl der Todesfälle bei Operationen, weil viele Eingriffe verschoben wurden. Ab der letzten Märzwoche stellte das statistische Bundesamt jedoch eine leichte Übersterblichkeit fest.