Coronakrise: Funktioniert das Konzept der Herdenimmunität?

Eine „Durchseuchung“ der Bevölkerung würde das Gesundheitswesen überlasten – oder viele Jahre dauern

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Herdenimmunität bedeutet, dass so viele Menschen durch Antikörper oder eine Impfung vor einer Infektionskrankheit geschützt sind, dass sich ein Erreger kaum noch ausbreiten kann. Das schützt dann auch die Menschen, die noch nicht immun sind.

Bei RiffReporter berichten WissenschaftsjournalistInnen für Sie über die Pandemie

Kurzantwort:

Der Versuch, eine Herdenimmunität zu erreichen, könnte sehr schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Der Ansatz ist verbunden mit einem erheblichen Risiko für die Gesundheit von hunderttausenden Menschen und auch für die Wirtschaft, der wiederholte und langwierige Lockdowns drohen.

Erklärung:

Unter „Herdenimmunität” versteht man, dass in der Bevölkerung ausreichend viele Menschen gegen einen Erreger immun sind, so dass sie dadurch die Ausbreitung der Infektion stoppen und auch Menschen schützen, die nicht immun sind. Um diesen Zustand zu erreichen, muss je nachdem, wie ansteckend der Erreger ist, ein unterschiedlich großer Teil der Bevölkerung immun sein. Das geschieht entweder durch eine Impfung, oder dadurch, dass Menschen die Krankheit durchlaufen haben. In beiden Fällen bildet das Immunsystem des Menschen Antikörper aus, die zukünftige Erreger des gleichen Typs bei einer neuen Attacke neutralisieren. Die Krankheit verläuft dann schwächer oder tritt gar nicht mehr auf.

Ist eine ausreichende Zahl von Menschen immun, wird die Ausbreitung des Erregers so effizient gestoppt, dass die „Herde” auch jenen Menschen Schutz bietet, die selbst noch nicht geimpft oder durch eine Infektion immunisiert sind. Daher kommt der Begriff „Herdenimmunität”.

Einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 gibt es jedoch noch nicht. In der Coronakrise wird deshalb darüber diskutiert, die Herdenimmunität dadurch zu erreichen, dass sich ausreichend viele Menschen mit Sars-CoV-2 infizieren. Diese sollten idealerweise nicht zur Risikogruppe gehören und deshalb eine vergleichsweise höhere Chance haben, dass die Krankheit bei ihnen milde verläuft. Eine Strategie könnte sein, gezielt die Mitglieder von Risikogruppen (laut Robert-Koch-Institut z.B. Menschen ab 50 Jahren, Diabetiker und Asthmatiker) zu schützen, ansonsten aber gar nicht erst zu versuchen, das Infektionsgeschehen massiv einzudämmen. Teil einer solchen Strategie könnte sein, das Infektionsgeschehen immer nur in dem Maß einzudämmen, wie das Gesundheitssystem nicht überfordert wird, wie also ausreichend Betten in Intensivstationen zur Verfügung stehen. Ansonsten würde man der sogenannten „Durchseuchung“ der Bevölkerung freien Lauf lassen.