Der Zwerg von Flores, afrikanische Überraschungen, uralte Zweibeiner und Seitensprünge in der Vorzeit

Wie Forscher die Urgeschichte des Menschen enträtselten: Die Chronik der Entdeckungen, Teil 3 (2000 bis 2017)

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Das Bild zeigt das runde Gewölbe und den braunen Boden im Inneren der Höhle von Lian Bua auf der indonesischen Insel Flores. Dort sieht man als kleine Figuren Forscher, die nach Relikten von Urmenschen graben. Im Jahr 2003 entdeckten sie die Knochen eines rätselhaften, sehr kleinen Urmenschen, der den wissenschaftlichen Namen Homo floresiensis erhielt und wegen seiner zwergenhaften Größe auch Hobbit genannt wird. Hinter den Forschern öffnet sich der Blick nach außen, wo im Hintergrund eine üppige Dschungellandschaft zu sehen ist, die vor der Höhle liegt.

Die Fortbewegung auf zwei Beinen entstand wesentlich früher als Paläoanthropologen lange annahmen. Zudem tauchen immer neue Vor- und Urmenschenarten auf, die gleichzeitig lebten und doch sehr verschieden waren. Manche haben sich sogar miteinander vermischt und Gene ausgetauscht, so dass man kaum noch von einem „Stammbaum“ sprechen kann. Besser passt das Bild eines Flussdeltas, das sich vielfach verzweigt und bei dem einige Nebenarme wieder miteinander verschmelzen

Gezeigt wird der Schädel des affenähnlichen, aber vermutlich aufrecht gehenden Wesens Sahelanthropus tchadensis. Es sind sechs Ansichten des Schädels zu sehen: von vorne, hinten, die linke Seite, die rechte Seite, von oben und von unten. Die Entdecker glauben, dass es sich um einen Vormenschen handelt und damit um ein Mitglied der menschlichen Verwandtschaft.
Rund 7 Millionen Jahre alt soll der im Tschad gefundene Schädel von Sahelanthropus tchadensis sein. Auch wenn er stark verformt ist und an einen Affen erinnert: Einige Merkmals weisen darauf hin, dass er in die menschliche Verwandtschaft gehört
Gezeigt wird die künstlerische Darstellung des Zwergmenschen Homo floresiensis, auch Hobbit genannt. Sein Gesicht wirkt rundlich und sehr urtümlich. Neuen Forschungen von Wissenschaftlern der Australian National University zufolge könnte es sich bei dem Wesen um eine Geschwister-Art des Frühmenschen Homo habilis handeln.
Der 2003 entdeckte Zwergmensch Homo floresiensis – hier eine künstlerische Darstellung – könnte neuen Forschungen an der Australian National University zufolge eine Geschwister-Art des Frühmenschen Homo habilis gewesen sein
Das Foto zeigt den perfekt erhaltenen versteinerten Schädel, der in der georgischen Ruinenstadt Dmanisi als fünftes Fossil nach vier anderen Schädeln ausgegraben wurde. Der Ur- oder Vormensch besaß ein ungewöhnlich kleines Gehirn, das ein Volumen von nur 546 Kubikzentimeter aufwies. Er hatte zudem dicke Überaugenwülste und recht große Kiefer – das alles sind urtümliche Merkmale. Die anderen, an derselben Stelle gefundenen Schädel wirken dagegen deutlich moderner. Aber alle stammen aus dergleichen Zeit vor 1,8 Millionen Jahren.
Sehr urtümlich wirkt der 1,8 Millionen Jahre alte, in Dmanisi (Georgien) ausgegrabene fünfte Menschenschädel. Sein Hirnvolumen ist mit 546 Kubikzentimetern bescheiden – im Gegensatz zu den vier anderen, zuvor an derselben Stelle gefundenen
Das Foto zeigt Computer-Rekonstruktionen der fünf in der georgischen Stadt Dmanisi ausgegrabenen, rund 1,8 Millionen Jahre alten Schädel. Sie wurden in dieser Collage vor ein Foto der georgischen Landschaft gestellt. Die fünf Schädel wirken verblüffend verschieden, so als wenn es sich um Relikte unterschiedlicher Arten handeln würde. Doch die Forscher glauben inzwischen, dass die Vielfalt der Schädelformen viel größer war, als sie bis dahin angenommen hatten – und dass alle dort entdeckten Individuen zu einer Art gehörten.
Derart unterschiedlich wirken die fünf in Dmanisi ausgegrabenen Schädel – hier Computer-Rekonstruktionen vor georgischer Landschaft -, dass sie unterschiedlichen Arten anzugehören scheinen. Doch offenbar repräsentieren sie nur eine große Vielfalt
Auf dem Foto ist der sehr gut erhaltene, knapp zwei Millionen Jahre alte Schädel von Australopithecus sediba zu sehen. Der Vormensch wirkt noch affenähnlich und hatte ein recht kleinen Gehirn mit nur 420 Kubikzentimeter Volumen. Das ist kaum größer als das Gehirn eines Schimpansen. Der in Südafrika gefundene Vormensch lebte zeitgleich mit den ersten Vertretern der Gattung Homo.
Australopithecus sediba war ein Vormensch mit nur kleinem Gehirn, der vor knapp 2 Millionen Jahren in Südafrika lebte – ein Zeitgenosse der ersten Menschen
Das Foto zeigt einen 3,4 Millionen Jahre alten fossilen Knochen, auf dem mehrere, nur wenige Millimeter lange Kratzer zu erkennen sind. Forscher der Emory University im US-Bundesstaat Georgia sind sich nach Untersuchung der Spuren sicher, dass die Kratzer von Steinen stammen, mit denen Vormenschen Fleisch von den Knochen toter Tiere abgeschabt haben. Zwar waren die Wesen noch keine Menschen – gehörten also nicht der Gattung Homo an -, doch offenbar nutzen sie bereits Steinwerkzeuge.
Diese 3,4 Millionen Jahre alten Kratzspuren auf einem fossilen Knochen wurden von Steinwerkzeugen verursacht, konnten Forscher der Emory University, USA, belegen. Offenbar hatten Vormenschen Fleischreste von den Knochen geschabt
Gezeigt wird ein Blick auf die gelblichen Erdschichten innerhalb der Denisova-Höhle in Sibirien. Dort am Boden sind zu Paläoanthropologen zu sehen, die nach menschlichen Fossilien graben. Im Jahr 2008 finden sie unscheinbare, mindestens 30.000 Jahre alte Knochenreste. Doch die spätere Analyse der Erbsubstanz eines Stücks Fingerknochens ergibt eine Sensation: Die DNA unterscheidet sich so sehr sowohl vom Homo sapiens als auch vom Neandertaler, dass es sich bei dem Fossil um die Relikte einer bislang unbekannten Menschenform handeln muss. Die Forscher haben den Denisova-Menschen entdeckt.
In der Denisova-Höhle in Sibirien bergen Paläoanthropologen unscheinbare, mindestens 30.000 Jahre alte Knochenreste. Doch die spätere Analyse der Erbsubstanz (DNA) eines Stück Fingerknochens ergibt eine Sensation: Es handelt sich um Relikte einer bislang unbekannten Menschenform
Zu sehen sind die seitlichen Ansichten eines Schädels von Homo naledi und eines Schädels von Homo heidelbergensis. Beide Menschenarten lebten zur gleichen Zeit in Afrika und sind doch sehr unterschiedlich: Der Schädel von Homo naledi ist kleiner und wirkt primitiver. Das Hirnvolumen von Homo heidelbergensis ist dagegen schon fast so groß wie das vom Homo sapiens, dessen Vorgänger er vermutlich ist.
Deutlich ursprünglicher und kleiner wirkt der Schädel von Homo naledi (rechts) im Vergleich zu seinem Zeitgenossen Homo heidelbergensis (links), dem mutmaßlichen Vorgänger des Homo sapiens
Auf der linken Seite des Fotos sind vor schwarzem Hintergrund die versteinerten Knochen einer Hand von Homo naledi zu sehen, auf der rechten die Knochen eines Fußes. Die fossilen Körperteile sind jeweils von oben gezeigt und nahezu vollständig erhalten. Für den Laien sehen sie denen heutiger Menschen ähnlich, Fachleute können aber erkennen dass die Finger- und Zehenknochen gekrümmt sind – und damit zum Klettern geeignet.
Die Handknochen (links) und die Fußknochen (rechts) von Homo naledi zeigen eine seltsame Mischung: Sie scheinen einerseits gut zum Klettern geeignet, besitzen aber auch Ähnlichkeiten zu heutigen Menschen
Auf dem Foto ist links der fossile Unterkiefer und rechts ein Vorbackenzahn von Graecopithecus freybergi zu sehen. Die Tübinger Forscherin Madelaine Böhme glaubt, dass es sich um die Relikte eines Vormenschen handelt, der vor mehr als sieben Millionen Jahren in Europa lebte und bereits aufrecht gehen konnte. Die Funde wurden in Griechenland und Bulgarien gemacht.
Mehr als 7 Millionen Jahre alt sind der in Griechenland gefundene Unterkiefer (links) und der aus Bulgarien stammende Vorbackenzahn (rechts) von Graecopithecus – einem nach Auffassung der Tübinger Forscherin Madelaine Böhme aufrecht gehenden, in Europa lebendem Vormenschen
Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig rekonstruierten den schon länger bekannten Schädelfund von Jebel Irhoud in Marokko als Modell im Computer. Anhand der Rekonstruktion konnten sie zeigen, dass der Schädel eindeutig zu einem Homo sapiens gehört, also um einen Vertreter unserer eigenen Art. Zudem datierten die Forscher den Fund mit neuen Methoden und kamen auf ein überraschendes Ergebnis: Der älteste Homo sapiens lebte bereits vor 300.000 Jahren.
Die Computer-Rekonstruktion des Schädels von Jebel Irhoud in Marokko durch Forscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie zeigt: Es handelt sich eindeutig um einen Homo sapiens, um einen Vertreter unserer Art. Und die Datierung beweist: Er lebte bereits vor 300.000 Jahren!

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