Fußwege aufräumen – Wild-West-Parken abschaffen

Lange Zeit haben Verkehrsplanerïnnen den Fußverkehr buchstäblich an den Straßenrand gedrängt. Im Interview erklärt Roland Stimpel vom Lobbyverband FUSS e.V., warum bald trotzdem mehr Menschen zu Fuß gehen und was Paris besser macht

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
5 Minuten
Ein Transporter parkt auf dem Gehweg vor einer Eckkneipe

Zu Fuß gehen ist in Deutschland oft ziemlich anstrengend. Denn die Gehwege sind schon lange nicht mehr nur zum Gehen da. Sie sind die Abstellräume der Allgemeinheit. Hier werden Fahrzeuge mit zwei und vier Rädern geparkt, Werbetafeln abgestellt und gerne auch mal der alte Schuhschrank. An Ampeln wartet, wer zu Fuß geht, erst sehr lange, um dann bei Grün möglichst schnell über die Kreuzung zu sprinten.

Wer es nicht schafft, muss sich mit all den anderen seiner Art auf den meist viel zu schmalen Verkehrsinseln zusammendrängen, während einen halben Meter vor und hinter ihnen Autos und Lastwagen mit 50 km/h vorbeibrettern. Wer dann noch aufgrund eines Handicaps an hohen Bordsteinkanten scheitert, geht mit seinem Rollator auf der Straße oder bleibt gleich ganz zu Hause. Der Fußverkehrsexperte Roland Stimpel vom Lobbyverband FUSS e.V. erklärt, was sich ändern muss, damit zu Fuß gehen mehr Spaß macht.

Busy Streets: Seit Beginn der Corona-Pandemie gehen die Menschen in Deutschland mehr zu Fuß als in den Vorjahren, das zeigen die Untersuchungen von Infas. Ist das nur ein kurzes Zwischenhoch oder bleibt es dauerhaft dabei?

Roland Stimpel: Corona-Trends sind Sondereffekte, daran muss nichts nachhaltig sein. Aber es gibt drei Faktoren, die in den kommenden Jahren dazu führen, dass wieder mehr Menschen zu Fuß gehen. Einer ist der demografische Wandel. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Menschen ab ihrem 60. Lebensjahr wieder mehr gehen. Jetzt kommt die Babyboomer-Generation, die um 1960-Geborenen, in das Alter und sie sind eine sehr große Kohorte. Deshalb wird der Fußgängeranteil steigen. Außerdem fördert und fordert der Umbau der Innenstädte das Zufußgehen. Flächen müssen entsiegelt werden, damit Innenstädte klimaresilienter werden. Da hilft der besonders flächeneffiziente Fußverkehr. Grünere Zentren regen ihrerseits zum Gehen an. Hinzu kommt, dass nach wie vor viele Menschen in die Städte ziehen. Der Platz bleibt knapp. Wenn wir weiterhin alle mobil sein wollen, muss die vorhandene Fläche besser verteilt werden. Das heißt: Aktive Mobilität muss deutlich stärker gefördert werden als bisher. Davon profitiert dann auch der Fußverkehr.

Roland Stimpel steht auf einer Brücke in Berlin und blickt in die Kamera
Roland Stimpel, Journalist und Autor, engagiert sich seit 2018 ehrenamtlich im Lobbyverband FUSS e.V.