„Zeitumstellung“: Das Märchen vom Mini-Jetlag

Warum es einen Unterschied macht, ob man die Uhren umstellt und verreist oder zu Hause bleibt.

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Ein Wecker, dessen Zeiger von zwei auf drei Uhr vorgestellt werden.

Der leicht gereizte Kommentar eines zunehmend unausgeschlafenen Wissenschaftsautors, der sich darüber wundert, wie wenig die meisten Menschen, aber auch viele Kollegen und sogar Experten von Chronobiologie verstehen.

Und? Ist es bei Ihnen auch so: Heute – am Mittwoch nach der Zeitumstellung – fiel das Aufstehen noch schwerer als gestern und noch viel schwerer als vorgestern? Ihre Kinder drehen von Tag zu Tag mehr „am Rad“, haben jeden Abend das gleiche Problem, dass sie zwar müde sind, wenn Sie ins Bett sollen, aber noch nicht schläfrig, so dass sie zappelig herumquengeln und nicht einschlafen können? Dann liegt es wahrscheinlich daran, dass die so genannte Zeitumstellung gar nicht das ist, als was sie uns immer wieder verkauft wird: ein Mini-Jetlag.

Kommen auch bei Ihnen die abends so quengeligen Kleinen morgens überhaupt nicht aus den Federn? Werden auch Sie immer müder? Wie kann all das sein? Vor allem: Wieso wird es von Tag zu Tag schlimmer und nicht besser? Gewöhnen wir uns denn gar nicht an diese dämliche „Sommerzeit“? Die Uhren-Umstellung verursacht doch angeblich nur einen Jetlag, noch dazu einen besonders kleinen, eine harmlose, niedliche Mini-Variante. Den kennen wir bestens von unseren Kurztrips nach Großbritannien, Portugal oder Griechenland. Er ist völlig unwichtig und bei den meisten Menschen nach einem Tag überstanden.

Sind die Gegner der Uhren-Umstellung gar keine Wichtigtuer?

Flugzeug startet vor einem Sonnenuntergang
Reisende, die in eine andere Zeitzone fliegen, leiden danach am Jetlag. An das gewöhnen wir uns aber gut, da sich die inneren Uhren an den veränderten Lauf der Sonnen anpassen.

Der Beschluss, für sieben Monate das tägliche Leben eine Stunde früher beginnen zu lassen, ändert an der Sonnenzeit nichts, die innere Uhr bleibt daher in der Jetlag-Situation hängen. Zugegeben, der Jetlag ist nur klein, aber chronisch und kann daher gesundheitliche Folgen haben.

Till Roenneberg

Freizeit findet hierzulande nachmittags und abends statt

Grafik einer Frau, die auf einer Straße der Sonne entgegen joggt.
Lichtduschen am Morgen und am Vormittag, idealerweise gepaart mit körperlicher Aktivität, stellen unsere inneren Uhren vor. Das erleichtert abends das Einschlafen und am nächsten Morgen das Aufstehen.

Kaltweißes Licht senkt den Melatoninspiegel, das stellt morgens die inneren Uhren vor und abends zurück

Grafik zeigt den Lauf der Sonne. Die Sonne steht am höchsten Punkt.
Morgendliches Tageslicht stellt die inneren Uhren vor, abendliches Licht stellt sie zurück. Dadurch justiert sich das System unabhängig von der Tageslänge – also auch unabhängig von der Jahreszeit oder dem Breitengrad – immer nach der Zeit, zu der die Sonne am höchsten Punkt steht. Diese Zeit ist der biologische Mittag, weshalb auch die so genannte Normalzeit so eingeteilt wird, dass es dann ungefähr 12 Uhr mittags ist. In der so genannten Sommerzeit gerät das System zwangsläufig in die Schieflage, wobei die Probleme für die Menschen umso größer sind, je weiter westlich sie in ihrer Zeitzone leben. Die Menschen in Frankreich und Spanien, die rein physikalisch ohnehin in die Zeitzone Großbritanniens gehörten, leiden deshalb besonders unter der so genannten Sommerzeit.

Es mag wichtigere Probleme geben, aber nur wenige sind leichter zu lösen

Spieße auf einem Grill.
Grillen scheint die Lieblingsbeschäftigung jener Deutscher zu sein, die sich über die so genannte Sommerzeit freuen. Aber aus irgendeinem eigenartigen Grund, können sie das Grillen bei Dunkelheit offenbar nicht so sehr genießen wie bei Tageslicht.

All diese Zusammenhänge lassen sich durch begutachtete wissenschaftliche Literatur untermauern. Solange Politiker diese Zusammenhänge jedoch nicht kennen oder begreifen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit falsche Vorschläge machen und unterstützen.

Till Roenneberg