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Klimakrise fordert Blaulichtberufe heraus: Wie sich Feuerwehr und Rettungsdienste anpassen müssen
Trotz Stürmen und Fluten rechtzeitig zur Stelle sein und den Job machen
Weil der Klimawandel für stärkere Wetterextreme sorgt, kommt es zu häufigeren Überflutungen und Starkwinden: Für die Feuerwehren wird es schwieriger, ihre Einsatzorte zu erreichen und ihre Aufgaben zu erfüllen. Teil 2 unserer Serie #BetriebsKlima

Die sogenannten Blaulichtberufe müssen sich auf akute Extremwetterereignisse einstellen, die mit Wasser und Wind zu tun haben: auf Starkregen und Überschwemmungen, auf Stürme, Hochwasser und Sturmfluten. Und sie müssen selbst den eigenen Fußabdruck senken. Beides wird die Arbeitsbedingungen eher früher als später deutlich verändern. Die Recherche zeigt: Den Nothelfern fallen Fortschritte bei einer der Aufgaben schwer.
Damit es an der Ostseeküste in Schleswig-Holstein zu einem gefährlichen Hochwasser kommt, muss vorher einiges passieren. Das Wasser des Binnenmeeres muss erst von starkem Westwind nach Osten geschoben werden, dann mithilfe eines sehr schnell umspringenden Windes zurückschwappen, so wie das Wasser in einer Badewanne nach heftigen Bewegungen der oder des Badenden.
Diese speziellen meteorologischen Verhältnisse waren rund um den 20. und 21. Oktober 2023 gegeben: Die Pegel stiegen so hoch wie seit mindestens 100 Jahren nicht mehr. Neben einigen Dammbrüchen in Ostholstein und auf dem Darß traf das Hochwasser vor allem die Küste vom Olympiahafen Schilksee bei Kiel nach Norden über Eckernförde und die Schlei bis Flensburg.
Dort, in der nördlichsten Stadt Deutschlands, stemmte sich die Berufsfeuerwehr unter ihrem Chef Carsten Herzog gegen das Wasser. „Es war das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass wir auswärtige Hilfe brauchten“, sagt Herzog. Von überall aus der Umgebung – genauer: von dort, wo sie nicht selbst im Einsatz waren – kamen Helfer.
Das Hochwasser war von den Wetterdiensten zwar einige Tage vorher angekündigt worden, aber die Feuerwehr konnte trotzdem die betroffenen Straßenzüge nicht vor der Überschwemmung bewahren. Schutzbauwerke wie Fluttore oder vorbereitete Spundwände, die bei Gefahr geschlossen beziehungsweise aufgebaut werden, gebe es in Flensburg nämlich nicht, so Herzog. „Wir können nur Lücken schließen, aber nicht innerhalb weniger Tage Vorwarnzeit für fünf Kilometer Küstenlinie einen Sandsackdamm bauen. Dafür bräuchte ich 2000 Leute, ich habe aber nur 300.“
Besonders bei Starkregen und Überschwemmungen haben Feuerwehren und Rettungsdienste mehr und gefährlichere Arbeit, während andere Branchen womöglich den Kopf einziehen und auf Wetterberuhigung warten. Und wie alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft stehen die Blaulichtberufe einerseits vor der Aufgabe, Klimaschutz zu leisten, also Emissionen zu reduzieren und den eigenen Fußabdruck zu verkleinern. Und sich andererseits angesichts zunehmend bedrohlicher Extremwetterereignisse an die veränderten Klimabedingungen anzupassen.
Vor dieser doppelten Aufgabe stehen in Zeiten der großen Transformation alle Organisationen und Firmen: Sie müssen prüfen, welchen Beitrag sie durch ihre Tätigkeit zum Fortschreiten der Klimakrise leisten, und wie umgekehrt deren Folgen auf die eigene Funktionsfähigkeit zurückwirken. Und dann Konsequenzen daraus ziehen. Die Entscheidungen in beiden Bereichen beeinflussen dann natürlich auch die Zukunft der Arbeit, also Arbeitswelt und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten Sich diesen beiden Themen zu stellen, und dafür die nötigen Informationen zu beschaffen, heißt in der Begrifflichkeit der Berichterstattung zur Nachhaltigkeit übrigens „doppelte Wesentlichkeitsanalyse“.
Für Blaulichtberufe gilt: Klimaanpassung ist einfacher als Klimaschutz
Bei den Nothelfern ist es so: Sie diskutieren bereits viele Lösungsansätze für eine Klimawandelanpassung, sehen dafür aber weniger klar, wo ihre Wege zur Emissionsreduktion verlaufen könnten. „Wir beobachten die Umstellung auf E-Mobilität für unsere Fahrzeuge sehr kritisch“, sagt zum Beispiel Carsten Herzog von der Flensburger Feuerwehr. „Das funktioniert nur, wenn die Infrastruktur noch funktioniert. Unser Job beginnt aber oft gerade dann, wenn die Infrastruktur ausfällt. Wir müssen dann trotzdem fahren und könnten nicht wie bisher auch im Feld mit Kanistern nachtanken.“ Ein entsprechend gesichertes, überall verfügbares System zum schnellen Aufladen der Batterien von Drehleitern oder Gerätewagen aufzubauen, wäre sehr aufwendig. Vieles von der Aufgabe, weniger Emissionen mit ihrer Arbeit zu erzeugen, liegt auch gar nicht in der Hand der Nothelfer selbst, sondern in der Zuständigkeit der jeweiligen Träger, wenn es etwa um die genutzten Gebäude geht. Flensburg zum Beispiel plane gerade, so Herzog, die Hauptfeuerwache aus den 1950er-Jahren durch zwei neue und etwas höher gelegene Wachen zu ersetzen, die dann nach aktuellen Standards gebaut und gedämmt und mit Photovoltaik auf den Dächern ausgestattet sind.
Extremereignisse gefährden auch die Einsatzbereitschaft der Helfer
Feuerwehrleute und Mitarbeitende der Rettungsdienste sind für gefährliche, teils lebensbedrohliche Ausnahmesituationen ausgebildet und haben damit Erfahrung. Sie müssen sich aber auch darauf vorbereiten, dass die Einsätze bei Extremereignissen durch den Klimawandel häufiger, länger und anstrengender werden. Oder schon geworden sind.
Die Extremereignisse, in denen es auf die Blaulichtberufe besonders und immer mehr ankommen wird, könnten es allerdings auch für die Helfer schwieriger machen, überhaupt tätig zu werden: „Die Erfahrungen aus den zurückliegenden Starkregenereignissen zeigen, dass die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr und von Rettungsdiensten, zum Beispiel durch nicht passierbare zentrale Unterführungen, stark eingeschränkt sein kann“, warnen zwei leitende Feuerwehrleute aus Berlin auf dem Portal crisis-prevention.de. Damit sie nicht von Wassermassen direkt vor den Toren der Fahrzeughalle überrascht werden, müssen auch die jeweils Verantwortlichen der Berufs- und freiwilligen Feuerwehren sowie der Rettungswachen Starkregenkarten und andere Informationsquellen studieren.
Auf dem Land können größere Schadensereignisse zudem ganze Regionen gleichzeitig betreffen, mahnen Experten. Benachbarte freiwillige Feuerwehren vermögen sich dann nicht mehr wie gewohnt gegenseitig zu helfen – viele Mitglieder sind selbst betroffen und müssen sich erst einmal um die eigene Familie und das eigene Haus kümmern. Und wenn durch den Klimawandel Löschteiche austrocknen und Brunnen versiegen, fehlt den Helfern womöglich das Wasser zum Löschen von Bränden. Sie werden also, wie auch für zunehmend häufige Vegetationsbrände, vermehrt Wasser in Tankwagen mitbringen müssen.

Die erhöhten Anforderungen treffen Berufsgruppen, die teils schon heute sozusagen auf dem Zahnfleisch gehen. Eine Umfrage der Gewerkschaft Verdi aus dem Jahr 2022 zeigte die „normalen“ Verhältnisse und Arbeitsbedingungen der etwa 85.000 Beschäftigten in den Rettungsdiensten: Schon ohne Klimawandel ist der Alltag gekennzeichnet von ungünstigen Arbeitszeiten, unsicheren Dienstplänen, Zeitdruck, den häufig eingeschränkten Gelegenheiten, Pausen zu machen, sowie von hoher emotionaler Belastung. Nur elf Prozent der Befragten konnten es sich damals vorstellen, bis zur Rente in dem Beruf zu bleiben.
Um die noch anwachsenden Anforderungen besser zu bewältigen, die Extremwetter unter anderem für den Rettungsdienst bedeuten, blicken etliche Initiativen in die nahe Zukunft: Details etwa für die medizinische Notfallversorgung trägt zurzeit das Projekt KlimaNot der Unikliniken Magdeburg und Aachen zusammen. Es geht letztlich darum, in Zukunft mit dem Blick auf die Wetterprognosen sagen zu können, wann sich das Personal in Notaufnahmen auf mehr Patient:innen mit Hitzeschäden oder Verletzungen durch Überschwemmungen vorbereiten sollte.
Zugleich arbeitet das Deutsche Rote Kreuz an einem Konzept für vorausschauenden Katastrophenschutz, der schneller und entschiedener auf Wetterprognose reagiert und sich besser vorbereitet. Dabei fließen auch die Erfahrungen als Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung ein, die in der Bewältigung von Klimawandelfolgen sehr engagiert sind.
Bei Rettungsdiensten und Feuerwehrleuten ist das Bewusstsein für Extremwetter und Klimawandel schon groß. „Unsere Einsatzzahlen werden wahrscheinlich steigen, und wenn wir es nicht schaffen, uns vorzubereiten, werden die jetzigen Probleme der Abstimmung in den verschiedenen Zuständigkeiten noch größer“, sagt Ulrich Cimolino, der lange in leitender Funktion bei der Feuerwehr Düsseldorf tätig war. Er leitet seit der Ahrflut 2021 unter anderem eine Experten-Kommission zum Thema Starkregen.
Die Möglichkeit, bei Not zu helfen, stärkt das Selbstbild der Feuerwehrleute
Bei solchen Großereignissen ist es den Helfern vermutlich zunächst einmal egal, wie groß der Einfluss des Klimawandels war. Zu erfahren oder zu vermuten, dass die Klimakrise die Notlage verschärft hat, belastet die Feuerwehrleute nach solchen Einsätzen nur selten psychisch, zumindest nicht stärker als der normale Dienst, hat Cimolino beobachtet. Viele ziehen aus der erfolgreichen Bewältigung auch positive Bestärkung: „In Großlagen kompetent helfen zu können, stärkt deren Selbstbild.“
Probleme könne es jedoch bei den Freiwilligen Feuerwehren geben, wenn zu viele lange Einsätze hintereinander notwendig werden, zum Beispiel durch Wald- und Vegetationsbrände. „Da kann es schon vorkommen, dass die Arbeitgeber der Leute protestieren, weil sie die nicht immer wieder längere Zeit entbehren können.“ Selbst wenn die Kommunen die Ausfallzeiten nach einem Einsatz erstatten.
Wir müssen darauf achten, dass sich die Feuerwehren auf den Klimawandel vorbereiten und nicht sehenden Auges hineinstolpern.
Christian Heinz, Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord
Gerade die Ehrenamtlichen müssten bei der Vorbereitung auf Extremereignisse, ob nun klimabedingt oder nicht, im Fokus stehen, stellte auch die Starkregen-Kommission fest: 90 Prozent der Einsatzkräfte bei der Ahrflut stammten von Freiwilligen Feuerwehren, die zum großen Teil auch aus anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein kamen. Wenn sich die Helfer dann in einem solchen Einsatz verletzen, ist dafür als gesetzlicher Unfallversicherungsträger die Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK-Nord) zuständig. „Wir müssen darauf achten, dass sich die Feuerwehren auf den Klimawandel vorbereiten und nicht sehenden Auges hineinstolpern“, sagt deren stellvertretender Geschäftsführer, Christian Heinz.
Die Feuerwehr-Unfallkassen mehrerer Regionen haben darum bereits Alarm in eigener Sache geschlagen. „Einsatzszenarien und Gesundheitsgefährdungen verändern sich dramatisch“, heißt es in einer Resolution vom Mai 2023. „In den Feuerwehr-Unfallkassen nehmen Unfallanzeigen, die im Zusammenhang stehen mit Einsätzen, die im weitesten Sinne auf Klimaveränderungen zurückzuführen sind, beständig zu.“ Im Jahr 2022 hatte zum Beispiel eine Serie von Winterstürmen die Unfallzahlen unter Feuerwehrleuten deutlich ansteigen lassen, die der HFUK-Nord gemeldet wurden.
Der Versicherungsträger plant darum, die Erderhitzung und die daraus folgenden Extremwetterereignisse „offensiv zum Thema zu machen, bevor uns die Unfallzahlen um die Ohren fliegen“.
Im Einsatz gegen ein Extremereignis
„Alle denkbaren Szenarien von Extremereignissen sind für die Arbeit der Feuerwehren nicht untypisch“, sagt Carsten Herzog, „sie werden aber stärker und intensiver.“ Der Feuerwehr-Chef aus Flensburg spricht dabei aus Erfahrung: 280 Einsätze hatten die Feuerwehr Flensburg und andere Einheiten in den anderthalb Tagen des Hochwassers im Oktober 2023.
Im Rückblick ist Herzog zufrieden, allerdings sei die Anschaffung von mehr Schutzkleidung für den Einsatz in überfluteten Straßen sowie von Diensthandys für die Kommunikation nötig. Mit Blick auf die weitere Entwicklung ist dem Feuerwehrchef nicht bange. Flensburg diskutiere, welche Aspekte eines kurz vor der Sturmflut beschlossenen Klimaanpassungs-Konzepts vorgezogen werden sollten. Das Papier sieht nun unter anderem vor, die Installation von Spundwänden zu prüfen, aber auch die Beschaffung von Pumpen, um bei Starkregen und gleichzeitig hohem Pegelstand in der Förde auch das Wasser zu bewältigen, das von der Landseite und höher gelegenen Teilen der Stadt herabfließt. Die Helfer haben in dem Konzept feste Aufgaben und können sich vorbereiten.
Insgesamt ist der Flensburger Feuerwehrchef zuversichtlich, was seine Arbeit angeht: „Irgendwo auf der Welt gibt es schon Feuerwehren, die in den Verhältnissen funktionieren, die wir bekommen.“ Von denen könne man lernen. „Ich muss also keine Angst haben, meinen Job nicht mehr machen zu können.“
Hinweis: Die Artikelserie #BetriebsKlima ist zunächst bei Klimafakten erschienen im Rahmen einer Projektkooperation mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), koordiniert vom Centre for Planetary Health Policy (CPHP). Das Projekt „Arbeit Sicher und Gesund“ wurde dabei vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanziert. Die Artikel der Serie wurden unter redaktioneller Unabhängigkeit recherchiert und verfasst. Die inhaltliche Verantwortung trug allein Klimafakten. Der Text spiegelt die Haltung des Autors wider.