Mehr als eine Kerbe

Wie das Coronavirus das Leben all jener verändert, die ihm wirklich trotzen mussten – manchmal an der Grenze zum Tod

6 Minuten
Die 50 Survivors

Über Wochen hinweg haben wir uns in unserer Dialog-Recherche mit 50 Menschen ausgetauscht, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten – und zu einem großen Teil auch die Erkrankung Covid-19 durchlitten haben. Über die lange Zeit hinweg wurde deutlich: Kaum einen der Teilnehmenden lässt das Virus gänzlich unverändert zurück, es ist ein Einschnitt im Leben, mal klein und vielleicht bald wieder vergessen, oft aber auch tief und anhaltend. Das, so scheint es, ist die Tücke des Virus: Es kann sich in völlig unterschiedlichen Formen in unser aller Leben schleichen. Und lässt jeden auf andere Weise zurück.

Manche hält das Virus ganz körperlich gefangen, die Betroffenen leiden an vielfältigen Spätfolgen, obwohl sie offiziell schon als genesen gelten. Ein Phänomen, das längst noch nicht ausreichend bekannt, erforscht und verstanden ist. Andere spüren bei sich Veränderungen, die über die körperliche Gesundheit hinausweisen. So berichtet etwa Sara, dass das Virus zu einem bewussteren Lebenswandel geführt hat, in dem die Gesundheit viel mehr im Vordergrund steht als früher:

Sara, derzeit in London // “Ich gehe viel bewusster mit meiner Energie und meiner Gesundheit um. Sage oft Nein, wenn ich müde bin oder sehe, dass ich bereits einiges geplant habe. Auch nehme ich mir im Alltag mehr Auszeiten, schalte kurz ab oder mache sogar, wenn möglich, ein Nickerchen. Ich kann immer noch nicht voll Sport treiben und muss oft aufgrund fehlender Energie auch Hausarbeiten verschieben. Ich ernähre mich noch gesünder als ohnehin schon, achte auf ausgewogene frische Speisen, meide Fertigprodukte und habe seit Februar keinen Alkohol mehr getrunken und meinen Kaffee-Konsum auf eine Tasse pro Tag reduziert. Ich nehme mehr Vitamine/Nahrungsergänzung zu mir. Da ich durch Corona ziemlich unreine Haut bekommen habe, nehme ich mir nun morgens und Abends viel mehr Zeit für meine Gesichtspflege."

Corona als Life-Changer. Für Sara scheint Corona ein nachhaltiger Wendepunkt der Lebensführung gewesen zu sein. Auch für den Grafik-Designer Thomas ist wenig wie zuvor:

Thomas, aus Hamburg // “Mein Alltag hat sich schon recht stark verändert. Manche Dinge sind Kleinigkeiten, etwa dass ich darauf achte, außer Handy, Schlüssel und Geldbörse beim Verlassen der Wohnung auch immer eine Maske dabeizuhaben. Oder dass ich in meinem Rucksack stets eine Packung Desinfektionstücher mitnehme. Andere Dinge sind gravierender, zunächst hat meine kleine Firma (ich bin zusammen mit 2 Partnern selbstständig) »nur« Home-Office gemacht und ich habe daher seit Mitte März kaum die Büroräume aufgesucht, außer wenn Kundenbesuch angekündigt war oder wir ein internes Meeting abhalten wollten, das nicht für eine Videokonferenz geeignet war. Glücklicherweise unterstützt mich mein Mann, wo immer er kann (weit mehr als nur materiell) und das hilft mir sehr."
Die Karte zeigt: Die 50 Survivors kommen aus fast allen Bundesländern in Deutschland.
Die 50 Survivors