- RiffReporter /
- Wissen /
Blasenentzündungen verhindern: Wie gut schützt Cranberry vor Harnwegsinfekten?
Blasenentzündungen vorbeugen: Wie gut schützen welche Cranberry-Produkte?
Vermutlich könnten Cranberrys einige Menschen vor häufigen Blasenentzündungen schützen. Aber wie kann man eine gute Entscheidung treffen, wenn noch wichtige Fragen offen sind?

Wer immer mal wieder mit Blasenentzündungen zu tun hat, ist vielleicht bei Schlagzeilen vor einigen Wochen hellhörig geworden: Neuesten Studien zufolge sollen Cranberrys jetzt doch dabei helfen, Harnwegsinfekten vorzubeugen. Vorher war das immer umstritten.
Die entsprechenden Medienberichte stützten sich auf einen aktualisierten Cochrane-Review von April 2023, also eine systematische Übersichtsarbeit von Studien aus dem internationalen Forschungsnetzwerk Cochrane. Diese Übersichtsarbeiten gelten als besonders sorgfältig und nehmen die einzelnen Studien kritisch unter die Lupe. Cochrane-Reviews erscheinen in englischer Sprache und liegen oft hinter einer Paywall, allerdings sind die Zusammenfassungen frei zugänglich und manchmal gibt es sie auch auf Deutsch.
In der deutschsprachigen Zusammenfassung des Cranberry-Reviews lässt sich nachlesen: „Cranberry-Produkte können möglicherweise häufig wiederkehrenden Harnwegsinfektionen bei Frauen vorbeugen (…). Es sind jedoch weitere methodisch gut konzipierte (…) [Studien] erforderlich, um weiter zu klären, welche Personen bei Harnwegsinfektionen von Cranberry-Produkten profitieren könnten.“
Das sind ja ganz schön viele „möglicherweise“ und „könn(t)en“ – heißt das, man weiß es eigentlich nicht genau? Und was bedeutet das jetzt für Betroffene: Sollen sie es mit Cranberry versuchen oder lohnt sich das nicht? Um das herauszufinden, hilft ein Blick in die Details des Cochrane-Reviews: Hier gibt es einiges zu entdecken, das bei dieser Entscheidung vielleicht helfen kann.
Was steckt dahinter?
Wer mehrmals im Jahr eine Blasenentzündung bekommt (meistens sind es Frauen), kennt das Problem: Es gibt bisher kein Patentrezept dagegen. Viele Mittel, die (angeblich) schützen sollen, sind nicht ausreichend erforscht, andere haben Nebenwirkungen.
Ob Cranberrys eine vorbeugende Wirkung haben, wird seit vielen Jahren diskutiert und erforscht. In entsprechenden Studien wurde Cranberry-Saft getestet, aber auch gepulverte Cranberrys, die in Kapseln oder Tabletten verpackt sind und in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden.
Warum Cranberrys helfen sollen? Die Beeren enthalten bestimmte pflanzliche Stoffe, die sogenannten Proanthocyanidine. Diese Stoffe sollen dafür sorgen, dass sich Bakterien nicht an die Schleimhaut in der Blase anheften. Das soll Entzündungen verhindern. Ob das aber nicht nur im Labor, sondern auch im richtigen Leben funktioniert, ist in mehreren Studien untersucht worden, die der Cochrane-Review zusammenfasst. Der Review gibt ein paar Antworten auf die Frage, was Cranberrys bei der vorbeugenden Anwendung bringen. Aber einige bleiben auch offen.
Wo informieren?
Welche Informationen und Überlegungen helfen bei der Entscheidung, ob es sich lohnt, es bei häufigen Blasenentzündungen mal mit Cranberry zu versuchen?
Welche Aspekte sind bei Gesundheitsentscheidungen grundsätzlich zu bedenken?
Um gute Gesundheitsentscheidungen treffen zu können, ist es hilfreich, sich Informationen zu diesen Fragen zu beschaffen:
- Wie groß ist eigentlich der Nutzen, wie gut schützen Cranberrys also vor Blasenentzündungen?
- Was ist über mögliche Nebenwirkungen bekannt und wie häufig sind sie?
- Wie sicher kann ich mir sein? Dass trotz Studien Fragen offen bleiben, ist gar nicht so selten: Denn Unsicherheit gehört zum wissenschaftlichen Erkenntnisprozess dazu. Aber Unsicherheiten müssen Gesundheitsentscheidungen nicht unbedingt schwieriger machen.
Was wissen wir zu Nutzen und Risiken von Cranberrys bei wiederkehrenden Blasenentzündungen – und was nicht?
Der Cochrane-Review hat acht Studien gefunden, in denen Frauen mit wiederkehrenden Blasenentzündungen nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt wurden: Die eine Hälfte bekam ein Cranberry-Produkt, die andere ein Placebo. Während der Studien, die zwischen drei und zwölf Monaten dauerten, wurde gezählt, bei wie vielen Frauen Blasenentzündungen aufgetreten sind. Über alle Studien hinweg waren in der Placebo-Gruppe 243 von 1000 Frauen betroffen, in der Cranberry-Gruppe etwa 180 von 1000. Heißt: Es profitierten 63 von 1000 Frauen von Cranberry. Die Schätzung ist aber nicht sehr genau, es könnten auch einige mehr oder deutlich weniger sein. Klar ist jedoch, dass Cranberry vermutlich nicht allen helfen wird.
An Nebenwirkungen berichteten die Teilnehmenden vor allem über Magen-Darm-Beschwerden. Allerdings kam das in beiden Gruppen ähnlich häufig vor, bei etwa 40 bis 50 von 1000 Frauen.
Was die Interpretation schwierig macht: In den Studien aus verschiedenen Ländern ging es um sehr unterschiedliche Cranberry-Produkte, die teilweise andere Mengen an Proanthocyanidinen enthielten. Bei einigen war das auch gar nicht angegeben. Ob die getesteten Cranberry-Produkte mit solchen vergleichbar sind, die man auch in Deutschland kaufen kann, lässt sich deshalb nicht abschätzen – auch ist unklar, wie viel man davon für einen spürbaren Effekt einnehmen müsste.
Offen bleibt auch, ob die Studien tatsächlich die gesamte Wahrheit enthalten. Denn das Cochrane-Team hat Hinweise auf unveröffentlichte Studien gefunden. Ob und in welchem Ausmaß diese das Ergebnis beeinflussen könnten, lässt sich nicht sicher abschätzen.
Was muss man sonst noch zu Cranberry wissen?
Eine Studienauswertung im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam Ende 2022 zu einem sehr ähnlichen Ergebnis wie der Cochrane-Review. Die Auswertung weist außerdem darauf hin, dass ein Effekt vermutlich nur so lange anhält, wie man das Cranberry-Produkt einnimmt.
In Deutschland gibt es derzeit kein zugelassenes Arzneimittel auf Cranberry-Basis. Cranberry-Säfte sind normale Lebensmittel, Kapseln oder Tabletten mit Cranberry sind meist Nahrungsergänzungsmittel, deren Nutzen nicht nachgewiesen sein muss. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür nicht.
Bislang sind keine gesundheitsbezogenen Aussagen (Health Claims) für Nahrungsergänzungsmittel mit Cranberry erlaubt. Solche Produkte dürfen also nicht damit werben, dass sie Blasenentzündungen verhindern oder die Blase vor Bakterien schützen.
Wie lässt sich eine Entscheidung für oder gegen Cranberry treffen?
- Wenn eine Entscheidung über eine Behandlung ansteht, lohnt es sich, nach Informationen zu diesen Fragen zu suchen: a) Welche Optionen gibt es überhaupt und welche kommen für mich infrage? b) Was ist zu Nutzen, Risiken, Kosten der einzelnen Optionen, inklusive Abwarten, bekannt? c) Wie wahrscheinlich sind für mich der Nutzen und die Risiken und was weiß man noch nicht so genau? Dabei kann das Gespräch mit Arzt oder Ärztin helfen.
- Nicht alle Gesundheitsinformationen geben in gleichem Ausmaß detaillierte Antworten auf diese Fragen. Deshalb lohnt es sich oft, die Infos bei verlässlichen Anbietern zu vergleichen. Bei den Cranberrys hilft es zum Beispiel, neben der deutschsprachigen Zusammenfassung des Cochrane Reviews auch einen Blick auf die Zusammenfassung des Berichts beim IQWiG zu werfen, wenn man keinen Zugang zum Cochrane-Review in voller Länge hat oder keine langen englischen Texte lesen will.
- Was wiegt schwerer: Der mögliche Nutzen? Die möglichen Risiken? Oder auch der Preis einer Behandlung, wenn die Krankenkasse die Kosten dafür nicht übernimmt? Das abzuwägen ist oft gar nicht leicht. Dann können Entscheidungshilfen dabei unterstützen, die Gedanken zu strukturieren.
Dieser Text wurde am 14. Juli 2023 als Newsletter verschickt. Der Newsletter von Plan G erscheint zweimal im Monat. Er hilft mit konkreten Infos und Tipps, bessere Gesundheitsentscheidungen zu treffen.