RiffReporter diese Woche: Arztbesuch auf Augenhöhe

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Arztbesuch? Wie haben Sie sich da gefühlt? So, als ob Sie auf Augenhöhe mit Ihrem Gegenüber sind? Wahrscheinlich nicht, vermute ich. Die meisten Menschen trauen sich nämlich nicht, ihrer Ärztin oder ihrem Arzt offen zu sagen, was sie schon wissen und was sie sich wünschen.
Vielleicht stimmen Sie mir zu: Gespräche im Sprechzimmer sind alles andere als einfach.
Arzt-Patienten-Gespräche sind ein Dauerbrennerthema
Nicht nur die Menschen diesseits des ärztlichen Schreibtisches tun sich schwer mit diesen Gesprächen – auch für Ärztinnen und Ärzte ist die Situation kompliziert. Sie sind mit teilweise hohen und auch widersprüchlichen Erwartungen konfrontiert, die sich aus der Entwicklung des Arztberufs im Laufe der Geschichte ergeben haben.
Schrieb man in früheren Jahrhunderten dem Heiler magische Kräfte zu und ging davon aus, dass sein Geheimwissen zusammen mit der Gunst des Göttlichen die menschlichen Gebrechen kurierte (oder auch nicht), kamen im Laufe der Jahrhunderte weitere Rollen hinzu: Ärzt:innen konnten irgendwann dank technischer Fortschritte wie Detektiv:innen auf die Suche nach verborgenen Ursachen für Symptome gehen. Das Gesundheitswesen stellte sie zudem auch noch als Torwachen auf, um zu entscheiden, welche gesundheitlichen Probleme mit Maßnahmen behandelt werden können, für die die Krankenkassen bezahlen.
Doch spätestens seit der Geburt des Internets und der Einführung verbriefter Patientenrechte änderte sich das Rollenbild ein weiteres Mal. Hinzu kam die Erwartung, die Ärztin oder der Arzt möge ihr oder sein Wissen in einem partnerschaftlichen Verhältnis zum Wohle der Patient:innen einsetzen.
Warum wir uns dafür interessieren müssen
Über diese Rollenbilder habe ich mich vor einiger Zeit in einem NDR-Podcast mit dem ehemaligen Hausarzt und Dozenten für Allgemeinmedizin an der Universität Marburg, Norbert Donner-Banzhoff, unterhalten. Dabei ging es auch darum, wie die Rollenbilder unsere Erwartungen prägen.
Genau das ist meiner Ansicht nach ein Schlüsselfaktor, wie Gespräche im Sprechzimmer ablaufen. Denn was wir in einer bestimmten Situation erwarten, wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch eintreten – schon allein deshalb, weil unsere Sinne darauf ausgerichtet sind, unsere Umwelt nach Bestätigung unserer Erwartungen abzusuchen. Wenn wir bemerken, dass das, was wir erwartet haben, auch eintritt, werden wir mit einem Gefühl von Sicherheit belohnt.
Deshalb ist es gut, sich vor dem Gang in die Praxis zu fragen: Was erwarte ich heute von meiner Ärztin oder meinem Arzt?
Was mich dabei persönlich beschäftigt
Oft habe ich gehört: „Ich möchte, dass mein Arzt mich versteht.“ Oder: „Ich möchte eine einfühlsame Ärztin.“ Das ist verständlich. „Freundliche Umgangsformen und Empathie sind die Grundlagen“, sagt auch Norbert Donner-Banzhoff.
Aber das allein reicht noch nicht, denn Gespräche im Sprechzimmer haben es auch deshalb in sich, weil es oft um sehr wichtige Entscheidungen geht. Zum Beispiel darum, ob man lebenslang ein blutdrucksenkendes Mittel nehmen sollte oder einer Untersuchung zustimmt, die auch schaden kann, wie zum Beispiel dem Mammografie-Screening.
Diese Entscheidungen kann keine Ärztin und kein Arzt für Sie treffen. Patient:innen dürfen und sollen sich selbst darüber eine Meinung bilden. Doch wie können sie das? Schließlich sind die meisten keine Medizinexpert:innen. Norbert Donner-Banzhoff und einige andere haben dafür eine Software entwickelt, die in die IT-Systeme von Arztpraxen integriert werden kann.
Was als Nächstes passieren muss
Über diese Software berichtet Norbert Donner-Banzhoff im Interview bei RiffReporter. Wie schafft es die Software, das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen zu stärken? „Man hat alle wichtigen Informationen, die man für eine offene Diskussion braucht, zur Hand und wir brauchen kein unwürdiges Versteckspiel zu spielen“, sagt Norbert Donner-Banzhoff. So können Patient:innen leichter informierte Entscheidungen treffen, weil sie zum Beispiel auf einen Blick sehen, welchen Effekt es auf ihr Herzinfarktrisiko hat, wenn sie das Rauchen aufgeben oder blutdrucksenkende Mittel nehmen.
Klingt das nicht nach einer wirklich sinnvollen Entwicklung? Digitalisierung in der Arztpraxis, die dazu führt, dass sich Patient:innen auf Augenhöhe mit ihren Ärzt:innen unterhalten können.
Wie Sie selbst verlässliche von unseriösen Informationen unterscheiden können und was bei Gesprächen mit Gesundheitsprofis sonst noch wichtig ist, erzähle ich im neuen RiffReporter-Podcast.
Viele Grüße von
Silke Jäger
Mehr zur Autorin
Silke Jäger schreibt für uns rund um das Thema Gesundheit. Dabei bringt sie wissenschaftliche Erkenntnisse mit gesellschaftlichen und individuellen Blickwinkeln zusammen.

Silke Jäger
Freie Medizinjournalistin