Baumaterial bald billiger? Überraschungs-Botschaft auf der Brauerei-Route

Weil viele Privatleute ihre Bauvorhaben wegen Pandemie-bedingter Überteuerung auf Eis legen, verbilligt sich das Bauen bald, schätzt ein Bamberger Architekt.

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Ein Arbeiter, der nur knieabwärts zu sehen ist, hämmert eine Abdichtung auf ein Dach.

Unterwegs in Nordbayern bin ich gar nicht auf der Spur des Bauwesens. Eigentlich geht es ums Brauwesen: ob und und wie es angenommen wird von Menschen, die lange nicht mehr ausgingen. Deswegen durchstreife ich Oberfranken, wo der Lockdown besonders lang herrschte. Im Kernland deutscher Brauvielfalt resümiere ich nach Stopps in einigen Biergärten: Besucher, Pächter, Wirte – alle geben sich zufrieden. Was auch daran liegen mag, dass viele befragte Gartengäste bierselig sind an jenem ersten Tag sommerlicher Hitze dieses Jahres.

Froh über die Atmosphäre, aber eingelullt von Frage-Antwort-Spiel und Sonne halte ich 21 Kilometer nördlich von Bamberg in einem Dorf. Wasser brauche ich, dringend, zur Kopfkühlung. An der Hauptstraße steht der alte Brauhof, die Zugangstür nur angelehnt. Ich trete ein, komme an Wasser und mit einem Brauer ins Gespräch. Als „Bauer“ schätzt er für die fortgeschrittene Pandemie, dass die Preisspirale bald die Richtung wechselt.

Bier braut Oliver Fischer nur als Hobby. Der gebürtige Bamberger ist hauptberuflich Architekt und werkelt seit Jahren in Rattelsdorf an seinem privaten Projekt. Er möchte dem Brauhof, Baujahr 1734 und zur letzten Jahrhundertwende halb verfallen, wieder Leben einhauchen.

Dass der Globalhandel Corona-bedingt einbrach, erwischte Fischer zur Endphase seiner Um- und Neubauten. Als ich ihn inmitten von Erdhaufen und Steinstapeln zum Fortgang der Arbeiten befrage, gibt er sich besorgt:

„Momentan sind die Baumaterialien nicht bezahlbar; das ist absoluter Irrsinn. Angefangen vom Holz über Baustahl bis hin zu Mörtel. Und die Lieferzeiten: Auf den Mörtel haben wir fünf Wochen warten müssen! Es gibt keine Plastikeimer mehr, in denen der Mörtel abgefüllt ist.

Bitter finde ich: Im Grunde sind das alles hausgemachte Probleme. Weil man sich in Deutschland völlig abhängig gemacht hat von Importen. Und zugleich exportieren wir zuhauf unsere eigenen Baustoffe, Holz zum Beispiel vor allem nach China und in die USA, die vor einiger Zeit ihre Importe aus Kanada gecancelt haben, des Borkenkäfers wegen.“

Deswegen werden die Preise in Kürze sinken.

Fischer hat in verschiedenen Ländern gelebt sowie gearbeitet und gibt sich als gut vernetzt in der deutschen Architektenszene. Seine Prognose:

„Es kann so nicht weiter gehen. Deswegen haben sich immer mehr Privatleute einen Baustopp auferlegt und ihre Vorhaben für die nächsten Monate oder Jahre auf Eis gelegt. Und genau aus diesem Grund werden die Preise in Kürze sinken.“

Mit Renovierung und Umbau des Brauhauses gibt Fischer dem Drängen der Gemeinde Rattelsdorf nach, alte Biertraditionen wieder aufleben zu lassen. Stolz berichtet Fischer davon, wie sich beim letzten Bockbieranstich vor der Corona-Pandemie rund 800 Gäste im noch unfertigen Hof und auf den Dorfstraßen rundherum tummelten. 

„Bierfranken“ angeblich höchste Brauereidichte weltweit

Rattelsdorf hat mit allen 13 Marktgemeinden heute etwa 4.600 Einwohner und vier Brauereien. Einst waren es sechs Brauereien – allein im Hauptort. Vom Brauhof 200 Meter entfernt auf meiner 50-Kilometer-Route schenkt Alexander Wiesmann jenes Bier aus, das zwei Dörfer südlich von Rattelsdorf gebraut wird. Wiesmann und seine Frau betreiben den Goldenen Löwen. Dort möchte ich ein Exemplar meines Deutschlandbuchs gegen ein Bier eintauschen. Die absurde Idee kam mir, weil Wiesmann mich auf einer besonders heiklen Etappe meiner Fahrt durch alle Bundesländer mit urfränkischer Jovialität aufmunterte und über den Tag rettete. Prompt geht Wiesmann auf meinen Tauschvorschlag ein, liest amüsiert die Passage über sich selbst.

Am Horizont über Feld und Radweg heben sich vor einem Höhenzug die Dorfkirche sowie einige Häuser ab.
Schwüle Hitze wabert aus dem Feld über den Radweg, der ins oberfränkische Rattelsdorf leitet. Dort ist die Stimmung zu Sommerbeginn, nach dem Corona-Lockdown, zweigeteilt: Eher pessimistisch gibt sich Gaststättenpächter Alexander Wiesmann, eher optimistisch Architekt Oliver Fischer.
Sauber in rot gestrichen, korrespondiert das Holz der Außenfassade farblich mit den Geranien unter den kleinen schmucken Fenstern.
Unter dem Walmdach demonstriert der Zustand des Fachwerks, dass die Restaurierung des Brauhofs weit fortgeschritten ist.
Selfie des Helm-bewehrten RadelndenReporters vor der weißen Hausfront der Brauerei, Aufschrift dort: Brauerei-Gasthof-Fischer.
Die Brauerei Fischer in Freudeneck gilt in „Bierfrankens“ Landkreis Bamberg als kleinste Ortschaft mit eigener Brauerei.
Vor einer im Abendlicht schimmernden Gasse mit Fachwerkgebäuden über Kopfsteinpflaster steht das Straßenschild mit der Aufschrift "Frei nur für Bierabholer".
Mehr als ein Dutzend Biergasthäuser, mit oder ohne eigenes Sudhaus, liegen an der gefahrenen Route des Reporters (Hyperlink befindet sich im Beitragstext). Eine Besonderheit in Zielort Seßlach, das 1335 sowohl sein Stadt- als auch Brau-Recht erhielt, ist das sogenannte Kommunbrauhaus (linker Bildrand). Bier gibt es dort nur für Selbstabholer. Und nur, wenn ein Brauzyklus abgeschlossen ist.
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