Flirt mit dem Fembot: Wie sich Roboter in der Verhaltensforschung nützlich machen

Echte und künstliche Geschöpfe passen prima zusammen. Denn Roboter mit sozialen Fähigkeiten können die Erforschung des Tier-Verhaltens entscheidend voranbringen. Dank Technik versteht die Wissenschaft immer besser, wie Vögel, Hunde oder Fische ticken.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
9 Minuten
Ein künstlicher Seidenlaubenvogel zwischen Grashalmen, einer sogenannten Hochzeitslaube

Dass sich der Seidenlaubenvogel fortpflanzen kann, grenzt an ein Wunder. Das Männchen des australischen Singvogels muss etliche Hürden überwinden, bis es sich endlich paaren darf. Aus Hunderten von Zweigen muss es eine Hochzeitslaube bauen und verzieren: mit Federn, Beeren oder den Deckeln von Wasserflaschen. Hauptsache, die Dekoration ist blau, denn Blau kommt in der Natur selten vor – was einem Weibchen verrät, dass der Kandidat findig ist.

Zeigt sich dann eines in Laubennähe, beginnt das Männchen seinen Balztanz. Dabei kann allerhand schiefgehen. Der Tanz darf nicht zu wild geraten, sonst erschreckt sich das Weibchen und flieht. Aber auch nicht zu zögerlich, sonst verliert es das Interesse. Jedes Mal steht es also auf Messers Schneide, ob das mit der Paarung etwas wird. Da darf das Männchen selbst nicht wählerisch sein. Es tanzt auch für einen Roboter, solange der nur im Federkleid eines Weibchens daherkommt.

Ein dunkelblauer Vogel steht zwischen Grashalmen, blaue Flaschenverschlüsse liegen vor seinen Füßen
Warten auf die Richtige: ein Seidenlaubenvogel-Männchen in seiner üppig dekorierten Hochzeitslaube

1998 begegnete ein Seidenlaubenvogel-Männchen zum ersten Mal einem „Fembot“. Dieses Urmodell eines Tierroboters im Dienste der Tierverhaltensforschung war ein simples Ding: ein ausgestopftes Vogelweibchen mit arttypischen Bewegungen, aktiviert per Fernsteuerung. Doch trotz seiner Schlichtheit täuschte der Fembot das Männchen vollkommen. Er drehte kokett den Kopf, duckte sich in die Hochzeitslaube und entlockte dem Tänzer sein ganzes kompliziertes Balzverhalten – unter stets gleichen, kontrollierbaren Bedingungen.

Tiere in freier Wildbahn sind unberechenbar

Genau das hatte sich seine Erfinderin, die US-Biologin Gail Patricelli, erhofft. Die Tierverhaltensforschung steht häufig vor dem Problem, dass ihre Probanden in freier Wildbahn unberechenbar sind. Dadurch lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse nur schwer reproduzieren. Oder die Tiere zeigen nicht ihr gesamtes Verhaltensspektrum, wenn Menschen in der Nähe sind. Der Fembot löste diese Probleme elegant und einfach. Heute gilt Gail Patricelli als Pionierin auf dem Feld der Ethorobotik, der Erforschung von Tierverhalten mithilfe von Robotern.

Seit den Tagen des Fembots hat sich viel getan. Roboter werden bei Säugetieren, Reptilien, Fischen und sogar Insekten eingesetzt. Tim Landgraf, Informatiker an der Freien Universität Berlin, hat etwa einen Bienenroboter entwickelt, der den Schwänzeltanz der Honigbienen nachahmt. Dieser Tanz informiert die Bienen im Stock über Futterquellen, die ausschwärmende Tiere entdeckt haben. Wird die Roboterbiene in einen Stock gesetzt, ahmt sie diese Schwänzelbewegungen nach. Und manchmal schafft sie es tatsächlich, dass echte Bienen zu Nahrungsquellen aufbrechen, nachdem sie den Tanz verfolgt haben. Warum aber nur manchmal? Das gilt es jetzt herauszufinden, mit einem verbesserten Modell.

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