Ein Weltraumbahnhof für den Wahlkampf

Peter Altmaier sieht den deutschen Weltraumbahnhof in der Nordsee auf gutem Weg. Das Projekt lenkt davon ab, dass die deutsche Raumfahrtpolitik stagniert. Ein Kommentar

vom Recherche-Kollektiv Die Weltraumreporter:
4 Minuten
Auf einer Bühne stehen rund um Wirtschaftsminister Peter Altmaier diverse Vertreter von Raumfahrt-Start-ups. Auf einer Leinwand steht der Titel der Veranstaltung: „Von der Nordsee ins All“.

Die Veranstaltung bot alles, was Regierende kurz vor der Wahl herbeisehnen: Interessierte Journalistinnen und Journalisten, Blitzlichtgewitter und ein zukunftsweisendes Thema. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier persönlich eröffnete am Dienstag das Treffen von vier Start-ups, die im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin eine Absichtserklärung unterschrieben. Von einem Schiff in der Nordsee sollen schon ab 2023 Kleinraketen starten. Obwohl es zu den Lieblingsthemen der ohnehin raumfahrtfreundlichen CDU gehört, steht die Realisierung des ersten deutschen Weltraumbahnhofs allerdings in den Sternen, genauso wie die Zukunft der deutschen Raumfahrtpolitik.

Tausende neue Satelliten und zu wenig Raketen

Der geplante Weltraumbahnhof in der Nordsee ist kein Thema, das für die heiße Phase des Wahlkampfes hervorgezaubert wurde: Seit einigen Jahren steigt die Zahl gestarteter Kleinsatelliten derart rasant, dass die verfügbaren Raketen kaum ausreichen. Die europäischen Trägerraketen wie die betagte Ariane 5, aber auch die zukünftige Ariane 6, sind zu unflexibel und teuer, der Nachfrage zu begegnen. Unternehmen weltweit tüfteln an Kleinraketen, die auf den neuen Bedarf der Industrie ausgerichtet sind: Konstellationen aus hunderten und tausenden Satelliten, die schnelles Internet anbieten, die Landwirtschaft oder selbstfahrende Autos mit aktuellen Daten unterstützen. Von knapp hundert in der Entwicklung befindlichen Raketen werden drei derzeit in Deutschland konstruiert. Zwei der Unternehmen, HyImpulse aus Neuenfels bei Heilbronn, sowie die Rocket Factory Augsburg, unterstützen die Pläne in der Nordsee. Zu den Unterzeichnern der Absichtserklärung gehörten zudem das NewSpace-Unternehmen T-Minus aus den Niederlanden und Skyora aus Großbritannien.

Schon 2019 forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie einen nationalen Startplatz, weil sonst die Konkurrenz in Europa zum Zuge käme. Denn das deutsche Vorhaben für die Nordsee ist nur eines von vielen; europaweit sind etliche Startplätze geplant, von Norwegen, Schweden und Schottland, über die britischen Shetland-Inseln bis zu den portugiesischen Azoren. Auch innerhalb von Deutschland gab es einen regelrechten Wettbewerb um den besten Standort, etwa zwischen den Flugplätzen bei Rostock und Cuxhaven.