Wilde Geschenktipps von den Flugbegleitern

Inspirationen für Naturbegeisterte

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
25 Minuten
Rotdrossel sitzt in Busch mit roten Beeren.

Für viele naturbegeisterte Menschen ist das größte Geschenk ein besonderer Moment draußen, unterwegs. Und was kann es Schöneres geben, als ihn zu teilen? Aber solche Momente lassen sich kaum planen.

Und so tauchen in der Vorweihnachtszeit auch bei Vogelfreundinnen und -freunden schwierige Fragen auf. „Was verschenke ich? Womit mache ich jemandem eine Freude?“ Fast noch eine größere Herausforderung kann es sein, wenn man selbst spontan antworten soll: „Gibt es etwas, was du dir wünschst?“

Für alle, die auf der Suche sind, gibt das Flugbegleiter-Team deshalb fast zwei Dutzend Tipps – darunter nicht nur Bücher, sondern auch praktische Geschenke, ein Spiel, eine App und Ausrüstung beim Vogelbeobachtung.

Wir gestehen an dieser Stelle: Wir haben uns in diesem Jahr auch gegenseitig Inspirationen geliefert. Übrigens kooperieren wir mit keinem Anbieter. Die Auswahl ist einzig und allein ein wilder Mix der Vorlieben der einzelnen FlugbegleiterInnen.

Die Vogelliebe eines politischen Denkers

Tipp von Markus Hofmann

Möchte man jemanden für ein neues Thema begeistern, lohnt es sich, bei dessen Lebenswelt anzuknüpfen. Ernst Paul Dörfler will die Menschen für die Welt der Vögel gewinnen. „Nestwärme“ lautet der Titel seines Buches, und der Untertitel ist Programm: „Was wir von den Vögeln lernen können“. Sei es Intelligenz, Partnersuche, Aufzucht der Nachkommen oder Ernährung: Überall vergleicht Dörfler das Vogel- mit dem Menschenleben. Oft schneiden die Vögel dabei besser ab.

Ernst Paul Dörfler und Buchcover „Nestwärme“
In „Nestwärme“ gibt Ernst Paul Dörfler der Ornithologie eine sehr menschliche Note.

Vögel seien die besseren Menschen, schreibt Dörfler gar. Einwände, dass er die Vögel vermenschliche, was wissenschaftlich unzulässig sei, wehrt er ab: In seinem Vogelbuch „menschelte“ es bloss, er baue durchaus auf wissenschaftliche Erkenntnisse, verzichte aber auf den Wissenschaftsjargon.

Und wirklich: Dörfler erzählt mit leichter Hand von neuesten Forschungsergebnissen, ohne den Lesefluss zu behindern. Ein Literaturverzeichnis wäre allerdings ein Gewinn gewesen. Doch „Nestwärme“ ist nicht nur eine unterhaltsame Einführung in die Ornithologie, sie ist auch biografisch gefärbt.

Ernst Paul Dörfler gehörte zu den ersten Umweltschützern der DDR, was ihm eine Überwachung durch die Stasi bescherte. Für seine Verdienste im Naturschutz erhielt er 2010 den Euronatur-Preis. So verbindet sich in „Nestwärme“ eine Liebe für die Vögel mit der reichen Lebenserfahrung eines politischen Denkers. Zurecht stösst diese gelungene Mischung auf grosses Interesse. Erst anfangs dieses Jahres erschienen, steht bereits die dritte Auflage von „Nestwärme“ in den Buchhandlungen.

Ernst Paul Dörfler: Nestwärme – Was wir von Vögeln lernen können, mit Illustrationen von Ute Bartels, Carl Hanser Verlag, 288 Seiten, 20,00 €.

Frischling vor Wand mit Graffito
Sven Meurs Lieblingsbild im Buch ist ihm in Berlin gelungen.

Großstadt Wildnis – Auf Tiersafari in unseren Städten

Tipp von Anne Preger

Dieses Buch kann vielen eine Freude machen, zum Beispiel: Naturverbundenen, die nicht (mehr) gerne reisen; Großstädtern, die kürzlich ihren ersten Fuchs im eigenen Viertel gesehen haben und davon begeistert erzählen; Menschen, die Kontraste lieben; Fotografen, die vor der Haustür neue Herausforderungen suchen.

Der Naturfotograf Sven Meurs lebt seit 15 Jahren in Köln und hat in dieser Zeit festgestellt, wie vielen wilden Tieren Städte inzwischen eine Heimat bieten. Manche lassen sich bereitwillig fotografieren, wie die Höckerschwäne an der Isar. Andere haben es Meurs über Jahre schwer gemacht, zum Beispiel die Biber in München, die Eisvögel in Düsseldorf und die Füchse in Köln.

Buchcover „Großstadt Wildnis“ und Foto von Autor und Fotograf Sven Meurs
Für sein Buch hat Sven Meurs viele Stunden undercover in Großstädten verbracht.

Auf jeder Buchseite warten besondere Fotos oder Illustrationen. Man kann also erst mal durchblättern und die Bilder auf sich wirken lassen: den Fuchs auf der Baustelle, den Eisvogel, hinter dem ein Jogger läuft, die Blaumeise, die in einer Ampel brütet – oder Sven Meurs Lieblingsbild: Ein Berliner Frischling, der mit seiner Schnauze von oben in das Weitwinkel-Objektiv schaut, im Hintergrund ein Graffito. Danach können sich die LeserInnen entscheiden, auf welche Safari sie gehen und in den Text eintauchen. Sollen es Halsbandsittiche in Heidelberg sein, Flussregenpfeifer auf der Zeche Ewald in Essen oder Störche in Münster? Meurs erzählt mit seinen Fotos und Texten nicht nur Geschichten von Tieren, sondern auch von besonderen Menschen – wie Ingo Rösler, der sich in Frankfurt für den Schutz von Steinkäuzen einsetzt, oder Derk Ehlert, dem Wildtierreferenten der Stadt Berlin.

Blaumeise schaut aus Ampelpfahl heraus.
In Köln brütet diese Blaumeise verkehrsgünstig.

Sven Meurs öffnet mit seinem Buch unsere Augen für die wilde Seite der Städte. Gleichzeitig romantisiert er aber nicht das Bestreben von Naturfotografen, Tieren in der Stadt nahe zu kommen. Am Beispiel einer seltenen Seidenschwanz-Sichtung im Januar 2017 in Moers beschreibt er, wie die Vernetzung übers Internet und der Wunsch nach besonderen Fotos Vögel in Bedrängnis bringt. Meurs geht das zu weit. Dennoch gibt er im Buch auch konkrete Tipps, an welchen Orten man nach welcher Art Ausschau halten kann. Das Buch hat wegen der vielen Großstädte einen leichten Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen und dürfte daher Menschen aus der Region besonders viel Inspiration bieten.

Sven Meurs: Großstadt Wildnis – Auf Tiersafari in unseren Städten, mit Illustrationen von Jörg Hülsmann, Knesebeck, Hardcover, 192 Seiten, 30,00 €.

Guter Journalismus unterm Tannenbaum

Vielleicht ist Ihnen bei der Lektüre der Flugbegleiter-Beiträge schon das Logo von „RiffReporter" aufgefallen. Das ist die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Journalismus-Genossenschaft, zu der unser Team gehört. Rund 100 Journalistinnen und Journalisten sind Mitglied, und sie bieten unter www.riffreporter.de kooperativ eine große Vielfalt an Beiträgen mit Tiefgang (daher kommt der Name). Darunter sind viele andere großartige Projekte zu Umweltthemen, wie „Flussreporter“, „KlimaSocial“, „Plastisphere“, „Busy Streets“ oder „Field Writing“. Um Recherchen und Qualitätsjournalismus werbefrei bieten zu können, sind manche der Angebote kostenpflichtig, andere setzen auf freiwillige Unterstützung.

Sie alle gibt es nun für einen Preis. Mit der neuen RiffReporter-Flatrate können Sie Menschen eine Freude machen, die guten Journalismus abseits der Eilmeldungen schätzen – Journalismus, der Hintergründe und Überblick vermittelt und der Themen aufgreift, die anderswo zu kurz kommen. Zur Flatrate zählen auch die „Flugbegleiter“. Der Clou: Beim Abonnieren können Sie ein oder zwei Projekte auswählen, die Sie besonders unterstützen möchten.

Vom Rad des Pfau zum Tanz der Bubbler

Tipp von Cord Riechelmann

Das aufgespannte Federrad des männlichen Pfaus durchzieht die moderne Verhaltensforschung von Beginn an. Charles Darwin hat vorschlagen, das überbordende Rad, das dem Pfauenhahn zweifelsfrei die Flucht vor Fressfeinden erschwert, als Ergebnis der Wahl der Hennen zu interpretieren. Das größte, im Licht am Auffälligsten schillernde Rad frappierte die Hennen so, dass sie bevorzugt die Hähne mit eben diesen Rädern auswählten und somit in der Population auch mit ihren ungünstigen Eigenschaften etablierten. Für Darwin war es der Sinn für Ästhetik der Hennen, der diesen Teil der sexuellen Selektion buchstäblich ins Übertriebene wachsen ließ.

Darwin fand diesen Sinn für Ästhetik aber nicht nur bei den Hennen. Als er einen Hahn sein Rad vor einem Schwein aufschlagen sah, war für ihn klar, dass auch der Hahn seine Schönheit gern zeigt und nach Zuschauern sucht, sei es nun ein anderer Pfau, eine Pute oder ein Schwein.

Konrad Lorenz wird mit diesem „Sinn für Ästhetik“ dann komplett aufräumen. Für Lorenz war das Radschlagen nur ein angeborenes Verhaltensprogramm, das spezifischen inneren Energien folgt und, wenn es genug Energien „angestaut“ hat, nach einem auslösenden Reiz sucht. Und wenn die Energien im Hahn keinen angemessenen Auslöser finden, schlagen sie eben selbst vor einem Schwein aus.

Buchcover „Was würden die Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen?“
Die belgische Philosophin Vinciane Despret hat schon mehrere Bücher über das Verhältnis zwischen Tier und Mensch geschrieben.

Die Philosophin Vinciane Despret stellt diese konkurrierenden Theorien in ihrem Buch „Was würden Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen?“ mit einem klaren und steten Blick für die zugrundeliegenden tatsächlichen Tierbeobachtungen dar. Das Grandiose ihres Buches liegt dabei darin, dass sie den aktuellen Theoretiker des Pfauenrades, den israelischen Ethologen Amotz Zahavi in der Wüste Negev bei seinen Forschungstieren, den Arabischen Graudrosslingen, kurz Bubbler genannt, besucht und begleitet.

Zahavi zufolge können Tiere ihren Wert, ihr Ansehen, dadurch steigern, dass sie in Konfliktsituationen ein aufwändiges, kostspieliges Verhalten zeigen, dass sich gerade nicht an berechnender Nützlichkeit orientiert. Zahavi konnte das an seiner 50jährigen Forschung an Graudosslingen vor allem an deren Gruppentänzen zeigen. Das Pfauenrad wäre demnach so etwas wie Luxus, den sich die Tiere „gönnen“, um zu zeigen, dass sie es schaffen, selbst mit diesem Handicap zu überleben.

In Desprets Buch ist das nur ein Beispiel von vielen, an denen sie die enge Verbindung von Tieren und Forschern zeigt, um auch den Wissenschaftlern einen Weg zu den richtigen Fragen zu zeigen. Das ist nicht nur lehrreich, sondern selbst in den kritischsten Passagen eine fröhliche Wissenschaft.

Vinciane Despret: Was würden die Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen? Aus dem Französischen übersetzt von Lena Völkening, Unrast Verlag, 295 Seiten, Softcover, 19,80 €.

Vogelspiel für Fortgeschrittene: „Flügelschlag“

Tipp von Joachim Budde

Deckel des Spiels „Flügelschlag“
Vor allem fortgeschrittene Spielerinnen und Spieler werden an Flügelschlag Freude haben.

Wer sich einen Hauch von Birding auf den Spieletisch holen will, ist mit beim Spiel „Flügelschlag“ an der richtigen Adresse. Die Spieler sammeln Vogelkarten und müssen die Eigenschaften der Tiere geschickt kombinieren, um die meisten Punkte zu sammeln. Die Anforderungen ändern sich bei jeder Zwischenwertung, sodass man mit Weitblick ans Sammeln gehen muss. Und es zeigt sich: Flügelschlag ist ein Spiel für Fortgeschrittene Spieler. Es braucht ein paar Runden Einspielzeit, ehe man ganz durchschaut, welche Strategien und welche Kombinationen von Vögeln den Weg zum Sieg ebnen. Birding- und Vogelkenntnis hingegen sind nicht erforderlich.

Drei Karten aus dem Spiel Flügelschlag: Bienenfresser, Mauersegler, Kuckuck
Europäische Vögel: Mit der Erweiterung bekommen Flügelschlag-Fans 81 neue Vogelkarten von Bienenfresser über Mauersegler bis zum Kuckuck. Das gibt dem Spiel ein vertrauteres Feeling.

Das Spiel ist ausgesprochen schön gestaltet und schafft es Verhaltensweisen der Tiere in Spielmechanismen zu übersetzen. Im Grundspiel sind ausschließlich nordamerikanische Vögel enthalten – die Autorin Elizabeth Hargrave kommt aus den USA. Inzwischen gibt es aber eine Erweiterung mit europäischen Vögeln.

Die komplette Rezension der Flugbegleiter können Sie übrigens hier nachlesen.

„Flügelschlag. Ein Vogel-Sammel- und Aufbau-Spiel für 1–5 Spieler“. Von Elizabeth Hargrave. Illustriert von Natalia Rojas, Ana Maria Martínez Jaramillo und Beth Sobel. Feuerland-Verlag. Ab 12 Jahren. Unverbindliche Preisempfehlung des Verlags: 49,90 €.

„Flügelschlag – Europa-Erweiterung“ von derselben Autorin und denselben Illustratorinnen, unverbindliche Preisempfehlung des Verlags: 24,90 €.

Buchcover: „Das Varieté der Pflanzen“
Richard Mabey nimmt uns mit in die Zeit, in der die Erkundung der Pflanzenwelt noch breite Massen begeisterte.

Inspiration der Pflanzen: Eine Reise in die grüne Wunderwelt

Tipp von Christian Schwägerl

Was für ein Leseluxus: Die Welt mit den Augen vergangener Naturerforscher zu betrachten. Dieses Erlebnis ermöglicht Richard Mabey, einer der Pioniere der wiederentdeckten Kunst des Nature Writings, mit seinem „Varieté der Pflanzen“. Mabey nimmt uns mit in die Zeit, in der die Erkundung, Entdeckung und Beschreibung der Pflanzenwelt nicht nur Botaniker begeisterte, sondern breite Massen.

Wir lernen, dass es nicht nur den holländischen Tulpenwahn gegeben hat, sondern auch ein weitgehend britisches Farn-Fieber, die Pteridomanie. Ihr erlagen im 19. Jahrhundert viele Menschen, aber auch ganze Farnpopulationen, die mit riesigem Aufwand in eigens konstruierten Kästen aus Übersee nach Großbritannien gebracht wurden, um Wohnzimmer zu schmücken. Wir begleiten Entdecker auf ihren Reisen zu unvorstellbaren Orchideenreichtümern, versetzen uns in die Rolle von Heilern, die durch Versuch und Irrtum herausfanden, wie Pflanzen auf den Körper wirken, und tauchen ein in die Gedankenwelt von Künstlern, die in Pflanzen ihre Inspirationsquelle fanden.

Mabey versammelt in diesem Band eine Vielzahl von faszinierenden Geschichten und nimmt zugleich eine kritische Haltung gegenüber den imperial-kolonialen Attitüden ein, mit denen auch Botaniker in fremde Länder eingedrungen sind. Vor allem aber rückt er die Pflanzen selbst ins Zentrum, nicht die Menschen. Er möchte ein Stück des „Staunens darüber, welch seltsame Existenz derartige Gebilde aus nicht-bewusster grüner Materie führen“, wiederbeleben. Denn das Buch beschreibt auch einen Missstand: „Das einundzwanzigste Jahrhundert hat die Pflanzen weitgehend zu Objekten mit Nützlichkeits- und Schauwert degradiert.“ Das „Varieté der Pflanzen“ ist als probates Heilmittel gegen diese Verarmung des Denkens zu empfehlen.

Richard Mabey: Das Varieté der Pflanzen: Botanik und Fantasie, Matthes & Seitz Naturkunden, 342 Seiten, 38,00 €.

Jürgen Goldsteins Sprachlandschaften

Tipp von Cord Riechelmann

Das „Nature Writing“ war und ist eine äußerst lebendige Auseinandersetzung mit den Dingen der Natur im Medium der Schrift, die ihre Entstehung und fortschreitende Entfaltung vor allem im englischen Sprachraum gefunden hat und findet. In den letzten Jahren ist Nature Writing zuerst durch Übersetzung und Herausgabe von Klassikern dieses Genres wie J.A. Bakers „Der Wanderfalke“ und T. H. Whites „Der Habicht“ im Verlag Matthes & Seitz auch hierzulande zu einem literarischen Gesprächsstoff geworden.

Buchcover: Jürgen Goldmann: Naturerscheinungen. Die Sprachlandschaften des Nature Writing.
Wer sich für das Genre „Nature Writing“ und seine Entwicklung interessiert, dem bietet der Philosoph Jürgen Goldstein einen Einblick.

Wenn der Philosoph Jürgen Goldstein jetzt mit seinen „Naturerscheinungen“ einen ersten Überblick über die Geschichte dieses Genres hierzulande vorlegt, ist das ein Glück. Denn als Philosoph ist Goldstein vor dem Unglück geschützt, zuerst in universitären Literaturseminaren zu lernende Charakterisierungen und Definitionen vorzulegen, an denen die Lernenden dann das richtige und falsche Nature Writing erkennen sollen.

Goldstein beginnt denn auch nicht mit einer Definition des Nature Writing. Er beginnt mit einem Klassiker dieser Schreibform, mit Henry David Thoreau, und das ist sehr gut so. Denn Thoreau war nichts weniger als ein klassisch gebildeter Harvardabsolvent, der Platon im Orginal las. Auch in seiner Waldhütte, in der er knapp zwei Jahre in der Nähe des amerikanischen Ortes Concorde lebte, hatte er wenig mehr im Sinn, als aus seinen Erfahrungen Literatur zu machen. Allerdings eine Literatur, die dem Ort, diesem spezifischen Wald, angemessen war und deshalb weder tier- noch pflanzenvergessen.

Was Goldmann großartig herausarbeitet, ist, dass diese Form des Schreibens der Natur zuerst eine Reaktion auf die Modernisierungsschübe der Industrialisierung war und ist. Und wie diese Schreibreaktion aus der Wahrnehmung des Verschwindens von eben nicht vertrautem naheliegendem Kraut und Getier an der Dorf- oder Stadtmauer ihre Energie zieht, das vermittelt Goldstein so eindringlich, dass man keine Scheu hat, das Buch hinzulegen und gleich selber nachzuschauen, ob die Spinnen an der Hausmauer noch weben oder auch schon verschwunden sind.

Jürgen Goldmann: Naturerscheinungen. Die Sprachlandschaften des Nature Writing, Matthes & Seitz, 326 Seiten, Hardcover, 24 €.

Weltmacht auf sechs Beinen

Tipp von Joachim Budde

Ameisen sind faszinierende Tiere. „Sie leben in Gemeinschaften, die teilweise mehr Mitglieder umfassen, als Staaten wie Dänemark Einwohner haben. Sie schaffen für alle genügend Nahrung heran, beseitigen den Abfall und regeln das Klima im Nest, damit niemandem zu warm oder zu kalt wird … Wir Menschen brauchen für so etwas jemanden, der die Verantwortung trägt, Kommandos gibt und alles überwacht. Wir brauchen einen Chef oder eine Chefin, mögen die nun Häuptling, Bürgermeisterin, König oder Kaiserin heißen. Ameisen schaffen das ganz ohne Boss.“ Wie, das beschreiben die Evolitionsbiologin Susanne Foitzik von der Universität Mainz und der Wissenschaftsjournalist Olaf Fritsche in ihrem neuen Buch „Weltmacht auf sechs Beinen“ auf besonders anschauliche und verständliche Weise.

Das Autorenteam Susanne Foitzik und Olaf Fritsche und das Cover von „Weltmacht auf sechs Beinen“.
Ein Tipp für Krabbelfans – das Buch von Ameisenforscherin Susanne Foitzik und Biophysiker Olaf Fritsche.

Die AutorInnen zeigen und beschreiben, wie die Ameisenstaaten die faszinierenden und teilweise unglaublich komplexen Aufgaben erledigen, die sich im Leben eines solchen Superorganismus’ auftun. Wie sich all die unterschiedlichen Arten an die Lebensräume von der Wüste bis in die Wipfel des Urwalds und vom Flachland bis in Bergregionen angepasst haben.

Es macht Spaß, das alles zu lesen, vor allem, weil Susanne Foitzik immer wieder Einblicke aus ihrem Leben als Ameisenforscherin in fernen Ländern – mit Wanderameisen, Blutegeln und Ratten etwa – einstreut und zeigt, mit welchen Methoden sie zum Beispiel im Labor die Duftdrüse aus dem Hinterleib einer Ameise herauspräpariert. Und wenn es mal sehr ins Detail geht – etwa wenn sie beschreiben, wie genau die Arbeiterinnen miteinander verwandt sind – geben sie den Lesern, denen das zu genau ist, den Tipp, bis wohin sie weiterspringen können, ohne etwas zu verpassen. Ein schönes Buch über eine vielfältige Insektenfamilie.

Susanne Foitzik und Olaf Fritsche: Weltmacht auf sechs Beinen. Das verborgene Leben der Ameisen, Rowohlt, 318 Seiten, Hardcover, 22 €.

Kormorane, die wie Bronzeskulpturen posieren

Tipp von Markus Hofmann

Welche Ornithologin, welcher Ornithologe hat nicht schon davon geträumt, ein Vogel zu sein? Der Schweizer Biologe und Naturfotograf Alessandro Staehli wäre am liebsten eine Ente, um Seinesgleichen von ganz nah erleben zu können. Er hat sich diesen Traum erfüllt, zumindest teilweise.

Buchcover: Le lac aux oiseaux.
Vogelfotografie aus der Schweiz: Alessandro Staehlis phänomenale Bilder vom Neuenburgersee.

Staehli hat sich zwar nicht in eine Ente verwandelt, doch den Wasservögeln ist er sehr nahe gekommen. Mithilfe eines selbstgebauten Flosses, auf dem er sich und seine Kamera unter einem Tarnzelt verbirgt, ist es ihm gelungen, sich unter die Vögel des Neuenburgersees zu mischen, ohne diese zu stören.

Während fünf Jahren hat er hier, wo die grössten Schilfgebiete der Schweiz liegen, zu jeder Tages- und Jahreszeit Kolbenenten, Zwergtaucher, Lachmöwen, Eisvögel, Kormorane, Haubentaucher und viele weitere Vogelarten fotografiert und das Ergebnis in einem prächtigen Bildband veröffentlicht.

Die Bilder der im Schilf versteckten Rohrdommel zeigen nicht nur die perfekte Tarnung dieses besonderen Reihers, sie sind gleichzeitig auch abstrakte Kunstwerke von Hell und Dunkel. Kormorane posieren wie Bronzeskulpturen, die irgendjemand auf die Steine im See gestellt hat. Und die Lichter der Siedlungen, die sich in der Nacht auf der schwarzen Seeoberfläche brechen, verleihen den Blässhühnern eine Aura, die nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Alessandro Staehlis Bilder sind nicht nur für Vogelbegeisterte ein Genuss, sondern auch für Liebhaber der künstlerischen Fotografie.

Alessandro Staehli: Le lac aux oiseaux. Editions de la Salamendre. 176 Seiten, CHF 59, 49,00 €.

Geschenk mit Wirkung: Den Kampf gegen illegalen Vogelfang stärken

Tipp von Thomas Krumenacker

Wir alle lieben Vögel und wollen ihnen eine Zukunft geben. Gerade deshalb leiden wir immer wieder unter der Ohnmacht angesichts der schier endlosen Katastrophenmeldungen über den Zustand der Natur. Deshalb empfehle ich ein Weihnachtsgeschenk der etwas anderen Art:

Keinen Gegenstand, sondern etwas, das nachhaltig wirksam für den Artenschutz und gegen das Gefühl der Ohnmacht ist: Schenken Sie jemandem, dem das Thema so wichtig ist wie Ihnen, eine Fördermitgliedschaft (oder eine Spende) beim „Komitee gegen den Vogelmord“, jener Organisation, die sich Vogelwilderern international direkt in den Weg stellt und damit ungezählte Vogelleben rettet.

Schlaglichter der Bilanz der Aktivistinnen und Aktivisten aus diesem Jahr: Zypern: 27 Wilderer überführt, fast 2000 Leimruten abgebaut. Libanon: Vogelschutzcamps gegen die Jagd auf Schreiadler, Störche, Pelikane, Ziegenmelker, Mönchsgrasmücken, Wachteln und ungezählte andere Arten. Malta: Schlagnetze entdeckt, Wilderer in die Flucht geschlagen. Italien: Juristische Erfolge gegen den Vogelfang.

Die Arbeit des Komitees ist angesichts von rund 37 Millionen illegal getöteter Vögel allein entlang des Mittelmeers (laut Schätzung von BirdLife International) nicht nur Tierschutz, sondern aktiver Schutz der Artenvielfalt.

www.komitee.de

Buchcover: „Das Ende der Evolution“, daneben Matthias Glaubrecht, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Naturkunde, neben ausgestopften Antilopen.
Ein wichtiges Buch mit einem etwas irreführenden Titel, findet Riffreporter Christian Schwägerl.

Denkanstöße zu Entstehung und Lösung der Biodiversitätskrise

Tipp von Christian Schwägerl

Buchautoren, die sich an einem wirklich großen und zugleich lesbaren Wurf zum Zustand der Welt versuchen und dabei nicht ins Stolpern geraten, sind ziemlich rar gesät. Zuletzt ist Yuval Noah Harari mit so einem Werk in Erscheinung getreten, zumindest, was den Erfolg betrifft. Nun setzt ein deutscher Wissenschaftler zu einem ähnlichen Versuch an. Der Evolutionsbiologe und Wissenschaftshistoriker Matthias Glaubrecht, Gründungsdirektor des Hamburger Centrums für Naturkunde, erzählt in „Das Ende der Evolution“ auf 900 Seiten Text und mit 100 Seiten Anhang die Geschichte von Mensch und Natur von Anfang an.

Dabei hat er immer die aktuelle Lage der Welt im Blick: Wie kann es sein, dass die angeblich intelligenteste Art, die der Evolution entsprungen ist, zugleich so kurzfristig denkt und zerstörerisch handelt? Glaubrecht rekonstruiert die menschliche Evolution mit dem Ergebnis, dass trotz unserer Sesshaftigkeit die Eroberung und Expansion ein Grundmuster unseres bisherigen Daseins darstellt – das nun aber an räumliche und physikalische Grenzen stößt. Der Wissenschaftler schreckt vor schwierigen Fragen wie der, ab wann es vielleicht zu viele Menschen auf der Welt gibt, nicht zurück, seine Antworten sind aber nie so eindimensional, dass daraus billige Botschaften würden.

Glaubrecht möchte Denkanstöße geben, und das gelingt ihm hervorragend. Das Buch bietet ein tieferes Verständnis der Krise der Biodiversität jenseits Roter Listen: Es erkundet, wie es so weit kommen konnte und wo die Chancen liegen, dass unsere Zivilisation einen anderen Kurs einnimmt. Folgerichtig mündet es in zwei Zukunftsszenarien: Eines, in dem die Welt verarmt und die Menschen von der Bewältigung von Klima- und Artenkrise überfordert sind. Und ein weiteres, in dem wir lernen, auf die Evolution aufzupassen. Streitbare Thesen gibt es reichlich, der dazugehörige Mut ist für einen deutschen Naturwissenschaftler durchaus bemerkenswert. Irreführend ist nur eines: Der Buchtitel, denn Glaubrecht beschreibt mitnichten das Ende der Evolution, sondern vielmehr den Anfang einer neuen Phase der Evolution, die nicht mehr blind verläuft, sondern von unseren Handlungen abhängt.

Matthias Glaubrecht: Das Ende der Evolution: Der Mensch und die Vernichtung der Arten, C. Bertelsmann, 1072 Seiten, Preis: 38,00 €, E-Book: 24,00 €.


Sound-Buch für Kinder: Klänge der Natur – Welt der Vögel

Tipp von Anne Preger

Diese Weltreise lässt sich mit Kindern jederzeit antreten, auch an Weihnachten. Die Stationen unter anderem: Ein Regenwald in Neuguinea, der Nakuru-See in Kenia, der australische Busch, die Antarktis, aber auch Paris und der heimische, europäische Wald. Insgesamt zehn Lebensräume mit jeweils sieben Vogelarten gilt es zu entdecken. Die Zeichnungen stammen vom britischen Illustrator Robert Hunter. Er schafft es, Vögel und Landschaften mit klaren Linien einzufangen und dabei gleichzeitig so nah wie möglich an den natürlichen Vorbildern zu bleiben.

Buchcover: Klänge der Natur: Welt der Vögel, von Robert Hunter
Robert Hunter nimmt große und kleine LeserInnen mit auf Weltreise.

Jeder Lebensraum erstreckt sich über eine Doppelseite. Dazu gehört auch eine Audio-Datei mit den Stimmen der sieben vorgestellten Arten. Wer sich gern in Klanglandschaften entführen lässt, dem werden die Audios zu kurz sein, für Kinder könnten sie mit zehn Sekunden vielleicht gerade die richtige Länge haben. Allerdings sollte man nicht den Ehrgeiz haben, die jeweils sieben nummerierten Vogelarten im Bild wirklich einer Vogelstimme im Audio zuzuordnen. Dieses Versprechen löst das Buch meiner Meinung nach nicht wirklich ein. Die Audios sind eher als Vogelkonzert konzipiert, nicht zum Vogelstimmen lernen.

So klingen im Buch die Vögel im Eis: (Audiorechte: Prestel Verlag)

Schon ältere Kindergartenkinder ab vier Jahren können sich an den Bildern und Klängen erfreuen, ebenso wie ältere Grundschulkinder. Der Preis von 25 Euro macht es allerdings zu einem eher teureren Buch-Geschenk. Die Batterie zum Abspielen der Vogelkonzerte ist bereits enthalten.

Robert Hunter: Klänge der Natur: Welt der Vögel, Prestel junior Sound-Bücher, 24 Seiten, Hardcover, 25,00 €.

Praktische Tipps von Johanna Romberg

Was schenkt man Vogelfreunden, die schon genügend Bücher haben (oder das zumindest behaupten)? Ganz leicht ist das nicht, denn Vogelbeobachtung gehört zu den Hobbys, für die man nicht viel Zubehör braucht – außer einem Fernglas, und das haben die zu Beschenkenden in der Regel natürlich schon.

Hier sind fünf Dinge, über die ich mich freuen würde, wenn ich sie nicht schon hätte, und die in jeden Rucksack passen:

Notizbuch, Glückbringer, Thermoskanne, Mikrofon mit Aufnahmegerät und Pulswärmer
Was man zum Vogelbeobachten gut gebrauchen kann.
  • Aufnahmegerät mit Mikro. Unentbehrlich für alle, die noch nicht jede Stimme auf Anhieb zuordnen können – und nach Exkursionen oft tagelang rätseln, aus welchem Schnabel dieses Djüdidü oder jenes Tjätjätjä wohl gekommen ist. Wir Flugbegleiter helfen bei der Identifikation gern weiter; Twitternachricht mit Tonaufnahme reicht (auch mit einem Mikro der unteren Preisklasse).
  • Kleines, schönes Notizbuch, um Beobachtungen zu notieren – für die Eingabe auf ornitho.de oder einfach nur für die eigene Erinnerung.
  • Pulswärmer, die soviel von den Fingern freilassen, dass man bequem einen Stift halten kann
  • Eine solide Thermoskanne
  • Einen Talisman zum Anlocken von Raritäten. Meiner ist ein Elfenbeinspecht, aber andere Arten funktionieren natürlich auch. Neulich erst habe ich einen Mittelspecht, gesehen, meinen ersten überhaupt! Muss allerdings zugeben, dass ich an dem Tag meinen Talisman gar nicht dabei hatte. Vermutlich wirkt er aber auch auf Distanz.

Neue Bücher von RiffReporterinnen

Tipps von Christian Schwägerl

Quasi in eigener Sache möchten wir drei neue Bücher empfehlen, die Kolleginnen aus unserer RiffReporter-Genossenschaft geschrieben haben.

Buchcover von drei Titeln: „Das Buch vom Schleim“, „Wald“ und „Hütten – Obdach und Sehnsucht“
Diese Bücher von Riffreporterinnen sind dieses Jahr erschienen.

Herrlich abwegig erscheint auf den ersten Blick das neu erschienene Werk der Wissenschaftsjournalistin Susanne Wedlich – das „Buch vom Schleim“. Igitt? Mitnichten. Ohne Schleim, so lernen wir schnell, wäre alles nichts. Es gibt uns und die Natur um uns herum nur, weil mit Schleim eine Substanz entstanden ist, die zugleich trennt und verbindet. Vom menschlichen Sex bis zu Korallenriffen, nichts funktioniert ohne Schleim. Ein höchst abwechslungsreicher Augenöffner!

In „Wald. Was er uns schenkt, wie wir ihn prägen“ bietet Adriane Lochner eine Expedition in die vielen Dimensionen dieses wichtigen Ökosystems. Von der Grundfrage, was denn überhaupt ein Wald ist, führt Lochner den Leser durch die Geschichte des Waldes, schildert die verschiedenen Waldtypen, ihre Bewohner und deren Funktionen und Wechselwirkungen. Ein Buch für alle, die mehr sehen wollen als viele Bäume.

Gerade für gemütliche Wintertage wärmstens zu empfehlen ist auch „Hütten: Obdach und Sehnsucht" von Petra Ahne. Von den allerersten Lehmhütten über die Hütten, aus denen heraus Siedler Nordamerika erobert haben bis zur modernen Hütte als Zufluchts- und Rückzugsraum beschreibt die Autorin die Kulturgeschichte eines ganz besonderen Ortes – verbunden mit den Erfahrungen ihres eigenen Hüttenbaus außerhalb von Berlin.

Adriane Lochner: Wald. Was er uns schenkt, wie wir ihn prägen, Mit Illustrationen von Paschalis Dougalis, Kosmos Verlag, 208 Seiten, 20,00 €.

Susanne Wedlich: Das Buch vom Schleim, Matthes & Seitz Naturkunden, 220 Seiten, 34,00 €.

Petra Ahne: Hütten – Obdach und Sehnsucht, Matthes & Seitz, 132 Seiten, 28,00 €.

Ein Quallen-Atlas zum Schwelgen

Tipp von Markus Hofmann

Ein opulenter Band bringt uns die Welt der unbeliebten Meeresbewohner nahe.

Zwei rot-weiß-gelbe Quallen vor schwarzem Hintergund.
Der Quallenatlas lockt mit beeindruckenden Bildern.

In der Rangliste der Beliebtheit stehen sie weit unten: die Quallen. Vielen vergällen Schwärme giftiger Medusen die Badeferien, wenn sie sich an Stränden breitmachen. Andernorts verstopfen sie die Rohrleitungen von Kühlsystemen und sorgen dafür, dass die daran angeschlossenen Kernkraftwerkewerden müssen. Und Fischernbereiten sie Probleme, wenn sie in grosser Zahl in die Netze geraten und wegen ihres Gewichts Boote zum Kentern bringen können. Man kennt die Geschichten von den Qualleninvasionen mittlerweile, sie machen regelmässig die Runde in den Medien. Was viele aber nicht kennen, sind die Quallen selber.

Das liegt auch daran, dass es bis vor kurzem kaum Bücher gegeben hat, die eine Übersicht der verschiedenen Arten bieten. Wer in der Schönheit der Quallen schwelgen wollte, konnte immerhin zu Ernst Haeckels „Kunstformen der Natur“ greifen. Der Wissenschaftler gehört zu den Pionieren der Quallen-Forschung und widmete sich den faszinierenden Wasserbewohnern zwischen 1870 und 1890 intensiv. Er versuchte nicht nur, die Quallen zu systematisieren, dank seines künstlerischen Talents schuf er zudem unvergleichliche Medusen-Zeichnungen, die auch den Jugendstil prägten. Sein Haus in Jena trägt nicht ohne Grund den Namen„Villa Medusa“. Bilder von Quallen schmücken Decken der Räume.

Noch heute greift man auf die exakten Zeichnungen Haeckels (und weiterer, längst verstorbener Forscher) zurück, wenn man ein Arten-Buch zusammenstellt. So auch die Herausgeber des soeben erschienen „Word Atlas of Jellyfish“. Dieser 800-Seiten Wälzer füllt endlich die Lücke der Bestimmungsliteratur. Aufgrund seines Gewichts und seiner Grösse ist der Atlas allerdings nicht gerade für den entspannten Strandspaziergang geeignet).

Buchcover: World Atlas of Jellyfisch
Ein bildstarkes aber auch etwas teureres Geschenk für Liebhaber von Unterwasserwelten.

Selbstverständlich sind im neuen Quallen-Atlas nicht nur alte Bilder abgedruckt. Die meisten Arten sind in fantastischen Fotografien abgebildet. Vor schwarzem Hintergrund kommen die filigranen und äusserst farbenprächtigen Medusen bestens zur Geltung und lassen einen die für den Menschen unangenehmen Seiten der Nesseltiere vergessen.

Das Buch konzentriert sich auf die Scyphozoa (Echte Quallen). Anhand einfacher schematischer Darstellungen ist es möglich, die Quallen den Familien und dann der jeweiligen Art zuzuordnen. Verbreitungskarten, kurze Beschreibungen der Arten und ihrer Biologie sowie Angaben zur Etymologie geben einen perfekten Überblick über einen der ältesten Tierstämme der Erde.

World Atlas of Jellyfisch, edited by Gerhard Jarms and André C. Morandini. Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2019. 816 Seiten, 1250 Abbildungen und Karten. 99,00 €, CHF 137.

Ein Stimmenkompendium für die Hosentasche

Tipp von Christian Schwägerl

Vogelbeobachtern haben sich mit dem Smartphone neue Möglichkeiten eröffnet, Hilfe bei der Bestimmung in freier Natur zu erhalten. Waren wir früher allein auf unsere Sinne und Bücher angewiesen (was auch seine Vorteile hat), so können wir nun ganze Kompendien und Vogelstimmenarchive mit uns herumtragen.

Unter den Apps, die sich an Vogelbeobachter richten, ist viel Schrott, vor allem, wenn es um automatische Erkennung geht. Umso hilfreicher sind dagegen Begleiter, die nicht auf holprige Datenverbindungen und windige Algorithmen setzen, sondern auf fundiertes Wissen. Deshalb ist für mich die App „Die Stimmen der Vögel Europas“ von Hans-Heiner Bergmann, Wiltraud Engländer, Sabine Baumann und Hans-Wolfgang Helb zu einem wichtigen Begleiter geworden.

Logo der App „Die Stimmen der Vögel Europas“
Es gibt viele Apps mit Vogelstimmen. Diese ist ein Flugbegleiter-Tipp.

Während selbst die großen Vogelführer-Apps pro Art nur wenige Rufe beinhalten und sich im Text meist in deren lautmalerischer und oftmals nutzlosen Beschreibung erschöpfen („zi-zi-Zit bürrürre zi-Zit“), bietet diese App für jede Art ausführliche Erläuterungen und Beispiele auch der seltensten Lautäußerungen, inklusive der Fluggeräusche. Der Preis liegt über dem üblicher Apps – aber das Werk ist sein Geld wert. Wenn Sie Vogelbeobachterinnen oder Vogelbeobachter kennen, die das Smartphone draußen einsetzen und diese App noch nicht haben – der Dank ist Ihnen sicher.

Die Stimmen der Vögel Europas, App, 502 Artenporträts mit 1873 Rufen und Gesängen und mehr als 2000 Sonargrammen, von Hans-Heiner Bergmann et al., Aula Verlag, verfügbar für iPhone und Android, ab 19,99 €.

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