Der Rothalstaucher – man nennt ihn Teichhengst

Aus der naturjournalistischen Schatzkiste

von Carl-Albrecht von Treuenfels
4 Minuten
Ein Rothalstaucher schwimmt im offenen Wasser.

Unter den vielen Vögeln, die in den vergangenen Wochen ihr Nest gebaut haben, gibt es nur wenige, die dabei auf so wenig Tarnung Wert legen wie die Rothalstaucher. Doch ganz so leichtsinnig, wie es scheint, ist der Wasservogel nicht. Wenn das Weibchen die vier bis fünf Eier gelegt hat, ist der Brutplatz von Halmen und Blättern umgeben – aber freie Sicht und unbehinderte Schwimmbahn nach mindestens zwei Seiten müssen vorhanden sein.

Erst wenn die Balz von Männchen und Weibchen im Mai ihren Höhepunkt erreicht hat, fällt die Entscheidung, welche der verschiedenen Nistplattformen als Brutunterlage dienen soll. Bis dahin holt das Taucherpaar mit den Schnäbeln halb verrottete Pflanzenreste vom Gewässergrund hoch, trägt sie an drei bis vier Stellen seines Schwimmreviers zu Hügeln zusammen und verankert diese an Schilf- oder Binsenstengeln und im Teichkraut, damit sie nicht wegtreiben. Die wie unscheinbare Schlammhaufen erscheinenden Bauwerke dienen zum Schlafen und zur Paarung, bevor sich auf einem dann das Weibchen nach mehreren, sich oftmals über Tage erstreckenden Probesitzungen zum Eierlegen niederläßt.

Bevor es soweit ist, spielt sich der größte Teil der Balz aber im Wasser ab. Bald nach der Ankunft in ihren norddeutschen Brutrevieren aus ihren Winterquartieren in den Mittelmeerländern und am Schwarzen Meer beginnen die Rothalstaucher mit ihrem aufwendigen Hochzeitszeremoniell. Obwohl viele von ihnen ihren Heimflug in Teilstrecken – zur Sicherheit überwiegend nachts – schon als Paare zurücklegen, ist auf dem ausgewählten Brutgewässer wochenlang heftiges Werben angesagt.

Merkwürdiges Verhalten: Sie verschlucken Federn der eigenen Art

Sie schwimmen nebeneinander her und aufeinander zu, sie recken sich mit vorgestreckter Brust voreinander empor (die „Pinguinpose“), sie tauchen weg und mit Nistmaterial im Schnabel wieder auf, sie präsentieren das Material einander, sie drehen zwischendurch ruckartig den Kopf weg, sie laufen kurze Strecken über das Wasser. Ihre Balzvorführungen untermalen die Vögel immer wieder mit lauten wiehernden Rufen, die ihnen neben anderen die volkstümlichen Bezeichnungen „Teichhengst“ und „Schweinschreier“ eingetragen haben.

Seinen richtigen Namen indes verdankt der etwa 43 Zentimeter lange und bis 900 Gramm schwere Rothalstaucher der rostroten Färbung des Vorderteils und den Seiten seines Halses bis zum Beginn des weißen Brust- und Bauchgefieders. Der hintere Teil seines Halses und der Rücken sind schwarz. Kehle, Kinn und Kopfseiten sind hellgrau, die Oberseite seines Kopfes ist schwarz und mit zwei kleinen Federohren versehen. Daran läßt er sich am besten von seinem nächsten Verwandten, dem Haubentaucher, unterscheiden, mit dem er in Norddeutschland gelegentlich gemeinsam ein dann ausgedehnteres Gewässer bewohnt.

Ein Rothalstaucher sitzt auf seinem schwimmenden Nest.
Seine lauten, wiehernden Rufen haben dem Rothalstaucher unter anderem die volkstümlichen Bezeichnungen „Teichhengst“ und „Schweinschreier“ eingetragen.

Der um etwa zehn Prozent größere und schwerere Haubentaucher trägt wie eine kleine Krone zwei aufstellbare Federn auf dem Kopf und einen ebenfalls dunklen Federkragen hinter seinen rostbraunen Wangen. Während der Mauser und im Ruhekleid sind beide Arten, die wie der Schwarzhalstaucher, der Ohrentaucher und der Zwergtaucher zur Familie der Lappentaucher gehören, leicht miteinander zu verwechseln.

Die Familie heißt so, weil die Zehen der Füße ihrer 19 Arten auf der Welt nicht wie bei den „Seetauchern“ (zu denen die nördlichen Sterntaucher, Prachttaucher und Eistaucher gehören, die in Mitteleuropa nur als Wintergäste an den Küsten und auf großen Seen auftauchen) durch Schwimmhäute verbunden sind, sondern nur Hautlappen tragen. Eine weitere Besonderheit zeichnet die Lappentaucher aus: Sie verschlucken gezielt arteigene Federn, die sich in ihrem Magen mit Beuteresten zu Gewöllen verbinden. Ähnlich wie Eulen würgen die Taucher sie als Speiballen von Zeit zu Zeit aus.

Erst nach zwei Monaten sind die Jungen selbständig

In den Gewöllen des Rothalstauchers finden sich viel weniger Fischreste als beim Haubentaucher. Deshalb haben Fischteichbesitzer mit ihnen weniger Probleme als mit ihren größeren Verwandten, wenngleich auch dem Haubentaucher mehr Schadensverursachung unter kleinen „Nutzfischen“ unterstellt wird, als er in Wirklichkeit anrichtet. Rothalstaucher leben, insbesondere vom Frühjahr bis zum Herbst, überwiegend von Wasserinsekten und deren Larven, von Kaulquappen, kleinen Fröschen, Schnecken und Krebsen. Daher ziehen sie auch als Quartier flache und verlandende Gewässer mit einer Krautschicht vor.

Dort unterweist das Taucherpaar seine anfangs mit gestreiftem Dunenkleid im Gefieder der Eltern mitschwimmenden Küken in der Kunst des Beutemachens. Erst im Alter von mehr als zwei Monaten werden die Jungen selbständig und verlassen danach auch bald das elterliche Revier, um unabhängig von ihnen südwärts zu ziehen. In Deutschland erstreckt sich ihr Brutvorkommen bis auf Ausnahmen auf die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit abnehmender Tendenz von Norden nach Süden.

Wo sie sich wohl fühlen, können Rothalstaucher sogar lockere kleine Brutgesellschaften von mehreren Paaren bilden. Doch sie bleiben insgesamt seltener als die Haubentaucher. Nur wenige dürften älter als fünf Jahre werden; ein Lebensalter um die zehn Jahre wird bisher als Rekord angenommen.

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