Ein Tag voller Vögel: Am 7. Mai findet wieder das bundesweite Birdrace statt

Hunderte Teams von Vogelbeobachterïnnen ziehen einmal im Jahr los, um innerhalb von 24 Stunden so viele Vogelarten zu sehen wie möglich. Anfang Mai ist es wieder soweit – jede und jeder kann mitmachen.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
7 Minuten
Menschen beobachten eine Blaumerle auf einem Stein.

So viele Vogelarten wie möglich innerhalb kurzer Zeit zu sehen: Das ist nicht nur der Traum, nach dem viele Vogelbeobachterïnnen ihre Urlaubspläne ausrichten – das ist auch das Motto des alljährlich stattfindenden Birdrace. In wenigen Tagen ist es wieder soweit. Am 7. Mai findet das vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) organisierte „Beobachtungsrennen“ wieder bundesweit statt. Mitmachen kann jede und jeder.

Wir sprachen mit Christopher König, einem der Organisatoren des Birdrace, über Regeln des Rennens, darüber, wie es sich im Laufe von fast 20 Jahren verändert hat, und über die „Rosinen“ des Rennens.

Potrtätfoto Christopher König
Christopher König arbeitet seit 2010 beim DDA. Zu seinen Hauptaufgaben gehört neben der Betreuung des Meldeportals ornitho.de seit einigen Jahren auch die Organisation des Birdraces. Er selbst nimmt in jedem Jahr begeistert am „Rennen“ teil.

Birdrace oder Vogelrennen – das sagt nicht allen etwas: Wie erklärst du jemandem, der oder die davon noch nie was gehört hat, was das ist?

Christopher König: Einen ganzen Tag lang versuchen überall in Deutschland Leute so viele Vogelarten wie möglich zu finden. Das klingt skurril – und ist es zugegeben auch – aber macht vor allem eines: einen riesigen Spaß! Man lernt seine eigene Umgebung und die Vogelwelt auf eine ganz besondere Art und Weise kennen.

An wen richtet sich das Birdrace, wer kann mitmachen?

Mitmachen kann jede und jeder! Natürlich sollte man zumindest ein paar Vogelarten schon kennen, aber es ist durchaus legitim auch während des Birdrace noch „neue Arten“ für sich zu entdecken. Auch oder gerade als Anfänger wird man überrascht sein, wie viele verschiedene Vogelarten man findet, wenn man sich einmal ganz genau darauf konzentriert. Je bessere Kenntnisse man zum Aussehen und zu den Rufen und Gesängen der Vögel und über deren Ökologie hat, desto mehr wird man natürlich finden.

Eine Familie schaut mit Ferngläsern auf eine mit einer Möwe bemalten Wand
Spaß am Erleben der Natur steht beim Birdrace im Mittelpunkt.

Wieviele Teams machen mit?

Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. 2021 haben mehr als 2600 Leute in über 900 Teams teilgenommen. Wir blicken jetzt ja auch schon auf eine ziemlich lange Tradition zurück. In diesem Jahr steigt das bundesweite Birdrace schon zum 19. Mal.

Wie waren die Anfänge und woher stammt Idee der Birdraces eigentlich?

Los ging es 2004 mit rund 150 Teilnehmern. Die Idee stammt – glaube ich jedenfalls – ursprünglich aus England, aber in vielen Ländern der Welt werden inzwischen Birdraces ausgetragen.

Die Regeln sind dabei recht unterschiedlich. In Finnland gibt es zum Beispiel seit dem Jahr 2000 den „Battle of Towers“, bei dem Leute einen ganzen Tag lang auf einem Beobachtungsturm bleiben und versuchen von dort aus so viele Arten wie möglich zu erspähen – auch ein Ansatz. Bei unserer Variante des Birdrace wird aber mehr „gerannt“

Hat sich das Birdrace im Laufe der Jahre verändert, was die Teilnehmenden angeht oder auch die Strategien?

Beim ersten vom DDA organisierten Birdrace haben zu mehr als 80 Prozent Männer mitgemacht. Inzwischen sind mehr als ein Drittel der Teilnehmenden Frauen – eine sehr erfreuliche Entwicklung. Luft nach oben gibt es noch bei den genutzten Verkehrsmitteln.

Immerhin die Hälfte aller Teilnehmerïnnen verzichtete 2021 aber schon auf Autos. Das sollte der Standard sein, aber wir wollen natürlich auch niemanden ausschließen. Nicht alle sind fit genug, um beispielsweise in Mittelgebirgsregionen mit dem Rad die Hänge rauf und runter zu fahren, und auch in ihrer Mobilität eingeschränkte Leute sollen am Birdrace teilnehmen können.

Eine Gruppe Vogelbeobachter als Silhouetten zu erkennen im Morgengrauen
So viele Vogelarten wie möglich innerhalb von 24 Stunden zu finden. Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, beginnen einige Teams schon sehr zeitig am Tag.
Viele Menschen sitzen an einem Strand und beobachten durch Ferngläser Vögel in der Ferne
Weltweit gewinnt die Vogelbeobachtung Zulauf. An den Hotspots des Vogelzugs – wie hier in Eilat am Roten Meer – finden sich hunderte Menschen zusammen.

Wenn ich jetzt auf den Geschmack gekommen bin. Muss ich mich registrieren und wie geht das dann konkret, welche Spielregeln gibt es?

Die Registrierung findet vorab auf birdrace.dda-web.de statt. Alle Teilnehmenden registrieren sich einzeln und können sich anschließend mit anderen zu einem Team zusammenschließen. Ein Team kann entweder den gesamten Tag zusammen verbringen und wirklich als gemeinsames Team unterwegs sein oder sich zu einem virtuellen Team zusammenschließen. So können Leute gemeinsam „Arten sammeln“, auch wenn sie räumlich weit getrennt voneinander sind.

Diese Möglichkeit wurde während der Hochzeit der Pandemie eingeführt. Sie bleibt bestehen?

Corona hat diese Variante nötig gemacht und wir behalten sie auch künftig optional bei. Denn es gab viel positive Resonanz für die Möglichkeit, sich mit Freunden oder Familienmitgliedern am anderen Ende von Deutschland zusammenzutun und gemeinsam an einer Artenliste zu „arbeiten“.

Und welche Regeln gibt es?

Damit alle unter den gleichen Voraussetzungen starten, müssen natürlich ein paar Regeln beachtet werden.Gezählt werden dürfen alle optisch oder akustisch registrierten freifliegenden Vogelarten. Wichtig ist, dass diese dabei nicht gestört werden. Fernglas, Spektiv, Bestimmungsbuch etc. sind natürlich erlaubte Hilfsmittel.

Zwei Vogelbeobachter sitzen auf einem Bergrücken inmitten der Steinwüste
Immer mehr Menschen entdecken die Faszination des Vogelbeobachtens für sich. Das gute daran: Birdwatching kann man an jedem Ort der Erde betreiben.

Muss ich ein guter Birder sein, um mitmachen zu können?

Nein. Das Birdrace richtet sich ausdrücklich an alle an der Vogelwelt Interessierten – egal ob man gerade erst mit dem Hobby begonnen hat und bislang nur die Gartenvögel kennt oder jahrzehntelange Erfahrung als Ornithologe vorweisen kann. Natürlich wird das Endergebnis davon beeinflusst sein, aber wenn jemand zum ersten Mal an einem Tag 50 verschiedene Vogelarten entdeckt hat, ist das vermutlich mindestens genauso aufregend wie 100 Arten bei einem Experten oder einer Expertin.

Apropos Artenzahlen. Wo liegt der Artenrekord?

Beim Birdrace gibt es verschiedene Rekorde – kommt immer drauf an, welche Wertung man sich anschaut. Die höchste Artenzahl innerhalb eines Kreises von einem einzelnen Team erzielte 2017 ein Team im Landkreis Cuxhaven mit 177 Arten. Bei der neuen Variante der virtuellen Teams schaffte es ein auf verschiedene Regionen Deutschlands verteiltes Team 2021 auf 200 Arten. Bei der Gesamtzahl der während des Birdraces von allen Teams gemeinsam entdeckten Vogelarten wurde 2021 mit 332 ein neuer Rekord aufgestellt.

Und wieviele Vogelarten werden eigentlich im Durchschnitt am Tag in Deutschland gesehen, wenn sich Leute sehr konzentrieren, wie beim Birdrace?

Der Durchschnitt lag im letzten Jahr bei 80 Arten. Diese Zahl lässt sich vermutlich in allen Regionen Deutschlands durchaus erreichen, wenn man den ganzen Tag die Vogelwelt genauer unter die Lupe nimmt. Das Birdrace findet ja ganz bewusst Anfang Mai statt – auf dem Höhepunkt den Vogelzugs im Frühjahr. Neben den Brutvögeln lassen sich dadurch immer auch unerwartete Durchzügler entdecken, die die Artenliste verlängern.

Aufgabe des DDA ist es ja, die Entwicklung der Vogelbestände in Deutschland wissenschaftlich zu erfassen. Bringt das Birdrace auch dazu einen Beitrag?

Um vernünftige Aussagen zur Entwicklung von Vogelbeständen treffen zu können, ist mehr nötig, als sich die Vogelwelt mal für einen einzelnen Tag genauer anzuschauen. Trotzdem liefert ein solcher Tag natürlich die eine oder andere Erkenntnis. Nicht von der Hand zu weisen ist zum Beispiel, dass sich der Rückgang der Vögel der Agrarlandschaft auch beim Birdrace bemerkbar macht.

Kannst du ein paar Beispiele nennen?

Den Kiebitz fanden 2021 nur noch 65 Prozent der Teams. Noch bis 2013 lag dieser Wert immer über 80 Prozent. Das Rebhuhn fanden in den ersten Jahren des Birdrace immerhin fast die Hälfte aller Teams. Im letzten Jahr fand nicht mal mehr jedes sechste Team die Art. Aber auch positive Bestandsentwicklungen machen sich beim Birdrace bemerkbar. Die Bestände von Nilgans und Schwarzkehlchen haben in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen und auch beim Birdrace können diese Arten immer mehr Teams für sich

Spannend ist auch die Ankunft der Zugvögel. Das Birdrace findet immer am ersten Samstag im Mai statt. Dadurch variiert das genaue Datum um wenige Tage. Diese machen bei einigen immer erst Anfang Mai zurückkehrenden Zugvogelarten einen deutlichen Unterschied. Schon zwei oder drei Tage Verschiebung machen sich zum Beispiel bei Wespenbussard, Neuntöter oder Gelbspötter deutlich bemerkbar. Solche Arten sind die Rosinen, die es aus dem Birdrace-Kuchen herauszupicken gilt. Da helfen auch keine Vorexkursionen – diese Vögel kommen – wenn überhaupt – erst just in time zum Birdrace zurück.

Ein Zwergschnäpper sitzt auf dem Waldboden
Spät aus dem Winterquartier ankommende Vogelarten wie der Zwergschnäpper sind die „Rosinen“ auf den Beobachtungslisten.

Wurden schon neue Arten für Deutschland bei einem Birdrace gesichtet?

Erstnachweise für einzelne Bundesländer gab es schon. So wurde beim Birdrace 2016 der erste Balkansteinschmätzer für Baden-Württemberg entdeckt, der vierte Nachweis für Deutschland. Einen deutschen Erstnachweis gab es bislang beim Birdrace allerdings noch nicht. Vielleicht klappt es ja am 7. Mai!

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