Ethiker über die Sicherheit künstlicher Intelligenz: „Die Sonntagspredigten haben nichts bewirkt“

Der Theologe und Philosoph Peter G. Kirchschläger fordert eine globale Regulierung von KI, die „Zähne hat“. Er hat der UNO ein Instrument vorgeschlagen, die Regeln durchzusetzen – und damit den Widerstand der großen Technologiekonzerne provoziert. Riffreporter hat ihn interviewt.

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Symbolfoto: Nutzeroberfläche, die die Optionen „Deepfake“ und „Fake News“ zur Auswahl stellt. Ein Finger schwebt darüber.

Künstliche Intelligenz ist längst im Alltag angekommen und wird ihn wohl immer mehr durchdringen. KI-gestützte Chatbots, die helfen, den richtigen Facharzt zu finden, vollautonome Autos, oder KI, die Kreditwürdigkeit einschätzt: Möglich ist vieles. Aber soll die Gesellschaft das alles auch umsetzen? Oder entscheiden sowieso nur wenige mächtige Technologiekonzerne über den Einsatz von KI? Der Theologe und Philosoph Peter G. Kirchschläger von der Universität Luzern hat da einen klaren Standpunkt.

Herr Professor Kirchschläger, der Begriff KI ist geläufig. Sie sagen „sogenannte“ KI und würden lieber von „datenbasierten Systemen“ reden. Warum?

Das „künstlich“ stimmt sicher, aber „Intelligenz“ ist nicht adäquat. Maschinen haben ein riesiges Potenzial an Rechenfähigkeit. Sie überragen uns auch im Umgang mit großen Datenmengen. Aber es gibt Bereiche, wo uns Maschinen unterlegen sind und, wie ich argumentieren würde, auch unterlegen bleiben werden.

Zum Beispiel?

Bei sozialer und emotionaler Intelligenz etwa. Ich kann einem Pflegeroboter beibringen, bitte weine, wenn die Patientin weint, aber das ist Nachahmung und kein echtes Gefühl. Auch Moralfähigkeit bleibt für Maschinen aufgrund fehlender Freiheit unerreichbar.

Dafür können Maschinen besser Hautkrebs erkennen, oder perfekt klingende Texte generieren. Die Software AlphaGo besiegte 2016 den internationalen Go-Meister Lee Sedol in dem hochkomplexen Brettspiel. Sedol nannte die Strategie der KI „kreativ“. Was sagen Sie dazu?

Es ist sehr wichtig, präzise zu benennen, was datenbasierte Systeme, abgekürzt DS, können und was nicht. Wir sollten sie nicht überhöhen und das tun wir, wenn wir bei Systemen wie AlphaGo von Kreativität oder Intuition sprechen. Das halte ich für verantwortungslos und gefährlich, weil wir etwas in die Maschine hineinlesen, was sie nicht kann. Man muss stattdessen fragen: War es einfach die viel höhere Rechenkapazität der Maschine, sodass sie in Sekundenbruchteilen eine komplexe Wahrscheinlichkeitsrechnung anstellen konnte und deswegen auf spielentscheidende Züge gekommen ist.

Bessere ethische Entscheidungen durch große Rechenkraft

Der Schweizer Theologe und Philosoph Peter G. Kirchschläger fordert eine konsequente Regulierung der künstlichen Intelligenz.
Der Schweizer Theologe und Philosoph Peter G. Kirchschläger fordert eine konsequente Regulierung der künstlichen Intelligenz.