Frauen, die die Mobilität verändern

Zum Internationalen Frauentag: Sieben Visionärinnen im Kurzportrait

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
14 Minuten
Janette Sadik-Khan steht auf dem für Autos gesperrten Abschnitt des Times-Square und wird gefilmt. Sie spricht in die Kamera. Im Hintergrund sieht man Menschen, die im Sonnenschein auf Stühlen sitzen

Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft

Janette Sadik-Khan – Sie verändert die Straßen New Yorks mit Rad-und Fußwegen

Radfahren in New York war vor zehn Jahren etwas für Fahrradkuriere und Extremsportler. Heute fahren die New Yorker mit dem Rad zur Arbeit und radeln mit ihren Kindern zum Spielplatz. Das verdanken sie Janette Sadik-Khan. Sie war von 2007 bis 2013 die Verkehrskommissarin der Stadt (vergleichbar mit einem Baudezernenten in Deutschland) und hat das Straßenbild massiv verändert. Unter ihrer Leitung entstanden quasi über Nacht Fahrradwege auf Fahrspuren, Fußgängerzonen auf Hauptverkehrsstraßen oder Pop-up-Cafés auf Parkplätzen. Geht nicht, gab es für die Ingenieurin nicht.

Eine ihrer kühnsten Veränderung war die Sperrung des Times Square 2009 für den Autoverkehr. Der Aufschrei in der Bevölkerung war riesig. Bereits Wochen vor der Sperrung beschwerten sich die Menschen über das bevorstehende Verkehrschaos. Kaum war der Straßenabschnitt frei für Fußgänger, waren die Bedenken jedoch vergessen. Das erwartete Verkehrschaos war ausgeblieben. Allerdings hatte Janette Sadik-Khans Team einfache Gartenstühle aus dem Baumarkt auf dem Platz verteilt. Nun waren die „häßlichen Stühle“ Stadtgespräch. Ihren neuen Platz in der Stadt gaben die New Yorker nicht wieder her.

Janette Sadik-Khan hat glattes dunkelbraunes Haar. Sie trägt eine kragenlose cremefarbene Bluse. Im Hintergrund sind Leuchtreklamen vom Times Square zu sehen. In der rechten Bildhälfte ist ihr Buch „Street Fight“ abgebildet.
Janette Sadik-Khan war Verkehrskommissarin in New York. Über ihre Arbeit hat sie das Buch „Street Fight“ geschrieben

Bekannt ist Janette Sadik-Khan in der Stadtplaner-Szene für den schnellen Bau von Radwegen in der Metropole. In ihrer Amtszeit wurden rund 450 Kilometer neue Radwege und Fahrstreifen angelegt. Außerdem hat sie ein Busbeschleunigungsprogramm initiiert, Dutzende von Autostraßen in Plätze für Fußgänger umgestaltet und das Bike-Sharing-Programm ins Leben gerufen.

Die Verkehrskommissarin hat für den Umbau ihrer Stadt eine neue Methode verwendet: Viele der Sperrungen und die neuen Radspuren wurden mit einfachen Mitteln zunächst als temporäre Lösungen angelegt. Bewährten sie sich indem sie beispielsweise die Verkehrssicherheit steigerten, wurden sie ausgebaut und fest installiert. In ihrer Amtszeit sank die Zahl der verletzten Fußgänger um 35 Prozent und der Zeitgewinn des Verkehrs stieg um 17 Prozent.

„Als die New Yorker diese Veränderung der Straße sehen und erleben konnten, unterstützten sie diese und verlangten nach mehr“, schreibt Janette Sadik-Khan in dem Buch „Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt.“ Einer ihrer bekanntesten Ratschläge ist: „Wer die Welt verändern will, kann damit beginnen, einen Radweg anzulegen.“

Anne Hidalgo hat glattes, dunkelbraunes schulterlanges Haar. Sie trägt ein schwarzes Jackett und ein buntes Tuch.
Die Bürgermeisterin von Paris: Anne Hidalgo

Anne Hidalgo – Für ein autoarmes Paris

Anne Hidalgo hat keine Angst vor der Autolobby. Im Jahr 2014 wurde sie zur Bürgermeisterin von Paris gewählt. Damals erklärte sie, sie wolle Paris zu einer nachhaltigen Stadt machen. Seitdem drängt sie den privaten Autoverkehr rigoros zurück. Jedes Auto in der Innenstadt muss die Umweltplakette „CritAir“ an der Windschutzscheibe kleben haben, die die Schadstoffklasse des Fahrzeugs anzeigt. Alten Bussen, Lastern und Lieferwagen verwehrt sie bereits die Zufahrt in die Innenstadt. Parkplätze macht sie rar und und teuer. Damit bringt sie ihre politischen Gegner, die Taxifahrer und die Auto-Lobby-Vereinigung, gegen sich auf. Sie werfen ihr vor, sie führe einen ideologischen Krieg gegen Autos. Sie wiederum verweist auf wissenschaftliche Studien, denen zufolge jedes Jahr 2500 Menschen im Großraum der Stadt an den Folgen der Luftverpestung sterben.

Eine ihrer umstrittensten Entscheidungen war die Schließung der Schnellstraße am Seine-Ufer. Seit 2016 ist der Asphalt dort zur Flaniermeile geworden – mit Spielplätzen, Bars und Picknicktischen. Ein Verwaltungsgericht hatte nach einer Klage die Sperrung der Ufer kurzzeitig wieder aufgehoben, aber nach einem neuerlichen Erlass blieb die Sperrung bestehen.

Wahlkampf mit der lebenswerten Stadt

In diesem Monat will Anne Hidalgo als Bürgermeisterin wiedergewählt werden. Ihr Wahlkampfthema: Der Umbau der Stadt. Gewinnt sie, sollen Fußgänger und Radfahrer grundsätzlich Vorfahrt haben. Der Platz für Autos wird stark eingeschränkt. Bis 2024 soll jede Straße in der französischen Hauptstadt einen Radweg bekommen und alle Brücken über geschützte Radwege verfügen. Sie will Paris zur Stadt der kurzen Wege umbauen. Das heißt: Alle Bürgerinnen und Bürger sollen ohne Auto innerhalb von 15 Minuten alles erreichen können, was man im Alltag braucht. Auf ehemaligen Parkplätzen und Fahrspuren sollen Fußgängerzonen entstehe, kleine Grünflächen, Stadtgärten oder auch Spielplätze.

Elektroautos gehören für Hidalgo übrigens nicht zur Verkehrswende. Sie benötigen schließlich den gleichen Platz wie Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Für Hidalgo gilt die Devise: Unabhängig vom Antrieb, soll das Auto in Paris das langsamste Verkehrsmittel werden.

Regine Günther hat hellblonde Haare, trägt Perlenohrringe, ein helles Shirt und eine dunkelbraune Lederjacke. Sie steht vor einem hellgrünen verschwommenen Hintergrund
Regine Günther ist in Berlin die Umwelt- und Verkehrssenatorin
Ute Symanski hat kurzes, schulterlanges Haar, sie trägt ein dunkelblaues langärmeliges T-Shirt mit drei Knöpfen und lacht in die Kamera. Sie lehnt an einer türkisfarbenen Wand mit dem weißen Schriftzug „Aufbruch Fahrrad“
Ute Symanski prägt „Aufbruch Fahrrad“
Sie lehnen entspannt mit dem Rücken an ein Brückengeländer und lachen in die Kamera. Sema Gür steht links im Bild und ist mit einem roten Faltrad unterwegs. Pinar Pinzutir ist mit einem mintfarbenen Singlespeed unterwegs.
Sie haben den Fancy Women Bike Ride erfunden: Sema Gür (links) und Pinar Pinzuti