Die seltsamen Totenrituale der Steinzeitjäger

Wie Menschen vor rund 30.000 Jahren ihre Verstorbenen behandelten und in einer Höhle bestatteten

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Zu sehen ist hinten-oben die sandfarbene Wand der Grotte de Cussac, weiter vorne eine Felserhöhung und dazwischen eine Mulde, in der menschlichen Knochenrelikte durcheinandergewürfelt liegen – eine Grabstätte. Jäger und Sammler der Steinzeit haben vor 30.000 Jahren ihre Toten bereits regelmäßig bestattet.

In der Grotte de Cussac im Südwesten Frankreichs erkundete ein Forscherteam die Grabstätten von steinzeitlichen Bewohnern und entdeckte dabei Überraschendes: Offenbar hatten die Menschen schon in der Vorzeit komplexe Vorstellungen von der Welt der Toten. Sie bearbeiteten die Gebeine ihrer Verstorbenen auf spezielle Weise und betteten sie in rätselhaften Arrangements zur letzten Ruhe.

Das Bild zeigt das nahezu komplett erhaltene, 30.000 Jahre alte Skelett eines jungen Mannes, das in einer Mulde am Boden der Grotte de Cussac, einer Höhle im Südwesten Frankreichs gefunden wurde. Gut erkennen lassen sich die langen Beinknochen und der Schädel, auch Teile des Beckens und der Armknochen. Das Skelett ruht in der ehemaligen Schlafkuhle eines Höhlenbären. Es wirkt, als sei der Tote dort von seinen Angehörigen zusammengekauert abgelegt und bestattet worden.
In prähistorischer Zeit legten Steinzeitmenschen den Körper eines verstorbenen jungen Mannes in der Schlafmulde eines Höhlenbären ab. Forschende untersuchten jetzt sein Skelett
Auf der linken Seite dieser doppelten Abbildung ist die gelbliche Figur einer nackten, üppigen Frau zu sehen. Sie wurde in der Nähe von Wien gefunden und ist als Venus von Willendorf bekannt. Rechts ist der in den Fels geritzte Umriss einer Frau aus der Grotte de Cussac in Südwestfrankreich abgebildet. Figuren, Felszeichnungen und aufwendige Begräbnisse in Höhlen waren vor 25.000 bis 30.000 Jahren stark verbreitet. Forschende bezeichnen die Kulturepoche jener Zeit als Gravettien.
In der Zeit vor rund 25.000 bis 30.000 Jahren finden sich häufige künstlerische Darstellungen von Frauen: Etwa die berühmte, in der Nähe von Wien gefundene Venus von Willendorf (links) und die Felszeichnung aus der Grotte de Cussac (rechts). Auch aufwendige Begräbnisse waren damals üblich
Zu sehen ist eine wild durcheinander gewürfelte Anordnung von Knochenbruchstücken, die in einer Mulden liegen. Es sind die Überreste zweier Menschen, deren Knochen durchmischt wurden. Seltsamerweise fehlen die Schädel der Toten jedoch. Das in bräunlichen Farbtönen gehaltene Bild wurde mit einer speziellen Methode angefertigt: Der Photogrammetrie. Sie erlaubt es Forschenden, die wertvollen Relikte auszumessen und zu analysieren, ohne sie zu berühren.
In dieser ehemaligen Schlafkuhle eines Bären hatten Steinzeitmenschen die Knochen zweier Verstorbener beigesetzt – rätselhafterweise vermischt und ohne Schädel. Forschende untersuchten den Befund mit einer berührungslosen, photogrammetrischen Methode
Zu sehen sind die hellbraunen, in einen etwas dunkleren Fels geritzten Umrisse eines Pferdes und weiterer Tiere, etwa eines Bisons. Insgesamt finden sich mehr als 800 Felsritzungen in der Grotte de Cussac. Das ist sehr ungewöhnlich für eine Höhle, die ansonsten nur als Begräbnisstätte diente.
Diese Zeichnung von Pferden und anderen Tieren findet sich unter den mehr als 800 Felsritzungen in der Grotte de Cussac – äußerst ungewöhnlich für eine Höhle, die als Grabstätte genutzt wurde
Dieses Foto aus dem Inneren der Grotte de Cussac zeigt einen flachen Gang, auf dessen Boden säulenförmige Tropfsteingebilde (Stalagmiten) nach oben ragen und an dessen Decke bizarr geformte, spitze Tropfsteinzacken (Stalagtiten) hängen. Auf der rechten Seite in dem Gang steht ein Forscher des internationalen Teams und schaut in die Tiefe, wo die Gräber der Steinzeitmenschen liegen.
150 Meter tief im Inneren der Höhle von Cussac finden sich Gräber steinzeitlicher Menschen. Mitglieder eines internationalen Forscherteams untersuchten die Relikte mit zerstörungsfreien Methoden
Als dunkles länglich-ovales Loch zeigt sich der Eingang der Grotte de Cussac. Er ist mit einem massiven Metallgitter vor unbefugten Besuchern geschützt. Links und rechts im Vordergrund stehen grünblättrige Sträucher und kleine Bäume, vorne in der Mitte befindet sich ein steiler Aufgang aus Steinen und felsigem Boden. Über dem Oval des Eingangs ist mächtiger grauer Felsen zu sehen, der das Dach der Höhle bildet. Tief im Inneren der riesigen Grotte, die sich vom Eingang aus 1000 Meter in die eine und 600 Meter in die andere Richtung erstreckt, finden sich die 30.000 Jahre alten steinzeitlichen Gräber.
Unscheinbar wirkt der Eingang der Grotte de Cussac, die im Department Dordogne im Südwesten Frankreichs liegt. Doch dahinter verbirgt sich eine langgezogene Höhle, die sich 1000 Meter weit nach Südosten und 600 Meter in Richtung Nordwesten erstreckt

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