Der Meeresspiegel steigt: Was droht deutschen Küstenstädten in der Klimakrise?

Die Klimakrise trifft Küstenstädte besonders stark, die an Flüssen liegen – wie etwa Bremen. Warum ist das so? Und wie bereiten Behörden ihre Städte auf bislang ungekannte Hochwasserstände vor?

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
5 Minuten
Riesige Wallkonstruktion aus Stahl und Beton, die sich durchs Meerzieht

Ohne Deiche bekäme man in Bremen zwei Mal am Tag nasse Füße. Denn ohne diesen Küstenschutz wäre bei Flut fast 85 Prozent der Landesfläche überschwemmt. Doch ob die Deiche den Bremerinnen und Bremern auch zukünftig das Wasser vom Hals halten können, ist fraglich. Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel steigen und stellt den Hochwasserschutz vor große Herausforderungen: Mindestens 0,5 Meter gegenüber dem Jahr 1900 gelten bis 2100 als sicher; maximal 7 Meter sind im schlimmsten Fall bis zum Jahr 2300 möglich. Der Helmholtz-Forschungsverbund REKLIM (Regionale Klimaänderungen und Mensch) bringt Wissenschaft, Behörden und weitere interessierte Gruppen zusammen, um sich über Klimafolgen und Anpassungsmöglichkeiten beim Hochwasserschutz auszutauschen.

Wie kommt es zum Meeresspiegelanstieg?

Durch die Erderwärmung taut Eis in den Bergen und in polaren Regionen, das bislang ganzjährig gefroren war, und fließt letztlich in die Meere. Deren Wasser wird ebenfalls wärmer und dehnt sich dadurch aus. Der Sonderbericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2019 zu Meeren und Kryosphäre rechnet inzwischen damit, dass der globale Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts zwischen 61 und 110 Zentimeter ansteigt. Sollten die Eisschilde Grönlands und der Antarktis schneller schmelzen, als derzeit erwartet, könnten es 140 Zentimeter werden.

Allerdings könnte es auch noch schlimmer kommen. Denn das antarktische Landeis gilt als einer der Kipppunkte im Klimasystem: Bislang wirkt das Schelfeis an den Küsten wie ein Bremsklotz und verhindert, dass schmelzendes Landeis einfach ins Meer strömt. Zuletzt berichteten Forschende im Fachjournal Nature Climate Change, dass das westantarktische Schelfeis schon dann bis Ende dieses Jahrhunderts komplett abschmelzen könnte, wenn die 1,5-Grad-Grenze nicht überschritten würde. Das würde große Inlandsgletscher destabilisieren, deren Eis ins Meer abschmelzen würde.

„Dann ist langfristig ein Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern denkbar“, warnt Dr. Klaus Grosfeld, Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und Geschäftsführer des Forschungsverbunds REKLIM, der im September 2023 zusammen mit weiteren Wissenschaftsorganisationen und der senatorischen Behörde Bremen eine Konferenz zum deutschen Küstenschutz organisiert hatte.

Warum wären Europas Küsten besonders betroffen?

Der Effekt träfe Europa besonders stark, denn der Meeresspiegel ist nicht überall gleich hoch. Die Masse des antarktischen Eisschilds hat eine Anziehungswirkung auf das Meer, ähnlich der des Mondes. Dadurch ist der Meeresspiegel auf der Nordhalbkugel generell stärker von Schmelzprozessen auf der Südhalbkugel betroffen. Schmölze der antarktische Eisschild, würde die Anziehungswirkung auf die umgebenden Wassermassen verringert und das Meer vor unseren Küsten überproportional stark ansteigen.

Problematisch ist daran zusätzlich, dass das Abschmelzen des antarktischen Landeis jenseits einer Erwärmung um zwei Grad nicht reversibel ist: Selbst wenn es gelänge, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre wieder in ihr natürliches Gleichgewicht zurückzuführen, würde sich das antarktische Landeis über Jahrtausende nicht zurückbilden. Manche Inselstaaten würden wohl für lange Zeit von den Landkarten verschwinden.