Gute Medizin: Wo finde ich Informationen zur Qualität einer Arztpraxis?

Warum Patienten derzeit die Behandlungsqualität in Arztpraxen nicht vergleichen können und wie sich das künftig ändern soll

vom Recherche-Kollektiv Plan G:
7 Minuten
Auf einer Milchglasscheibe sind ein grüner, gelber und roter Smiley, darunter Checkboxen zu sehen.

Patient:innen, die auf der Suche nach einem guten Krankenhaus in der Umgebung sind, können auf Vergleichsportale wie etwa die Weiße Liste zurückgreifen. Diese Portale beruhen zu einem wesentlichen Teil auf Daten aus den Qualitätsberichten, die die Krankenhäuser erstellen müssen.

Wer allerdings nach objektiven und vergleichenden Daten zu Arztpraxen sucht, geht bisher leer aus: Zwar gibt es im Netz verschiedene Arztbewertungsportale. Allerdings enthalten sie meist nur subjektive Einschätzungen von Patient:innen und keine seriösen Daten zur Qualität der medizinischen Versorgung. Öffentliche Qualitätsberichte für einzelne Arztpraxen gibt es bisher nicht. Allerdings fordern verschiedene Akteure schon seit vielen Jahren mehr Qualitätstransparenz (Public Reporting) in der ambulanten Versorgung – und seit 2021 gibt es dazu auch erste gesetzliche Regelungen.

Praktisch passiert ist bisher aber wenig. Woran liegt das? Und mit welchen Entwicklungen ist in den nächsten Jahren zu rechnen?

Welche Qualitätsinformationen es derzeit zu Arztpraxen gibt

Dass es große Unterschiede zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen gibt, wenn es um die Transparenz von Qualität geht, scheint erst einmal verwunderlich. Denn nicht nur Krankenhäuser müssen sich um eine gute Qualität kümmern, sondern auch Arztpraxen. Bei letzteren überprüfen das die regionalen kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Diese vertreten die wirtschaftlichen Interessen der niedergelassenen Ärzt:innen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen und sollen für eine gute Versorgung im ambulanten Bereich sorgen. Dafür erheben die KVen eine ganze Reihe von Daten: In der Regel überprüfen sie stichprobenartig die Dokumentation der Praxen, manchmal gibt es auch Praxisbegehungen.

Intern geben die KVen mit diesen Daten einzelnen Ärzt:innen Feedback dazu, ob sie die Qualitätsziele erreichen beziehungsweise nicht erreichen. Die Qualitätsdaten sind für die KVen also ein Instrument, um die Praxen zu Verbesserungen anzuhalten. Die Informationen fließen aber auch in die jährlichen Qualitätsberichte, die die KVen der einzelnen Regionen veröffentlichen und die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für ganz Deutschland zusammenführt.

Diese Berichte enthalten die Qualitätsdaten der Arztpraxen derzeit allerdings nur im Überblick. So lässt sich im Qualitätsbericht 2022 zwar nachlesen, dass 2021 etwa bei Darmspiegelungen im Bereich der KV Berlin bei knapp drei Prozent der überprüften Praxen wiederholt Hygienemängel aufgefallen sind oder die KV Bayern in 16 Arztpraxen grobe Mängel bei Röntgenuntersuchungen beanstandete. Um welche Praxen es sich dabei handelt, verrät der Qualitätsbericht aber nicht.

Besondere qualitätsgesicherte Leistungen

Wie eine einzelne Arztpraxis bei der Qualität abschneidet, dazu gibt es bislang also kaum öffentlich zugängliche Informationen. Mit einer Ausnahme: Welche Arztpraxen „besondere qualitätsgesicherte Leistungen“ abrechnen dürfen. Das ist möglich, wenn die Praxis fortlaufend entsprechende Qualifikationen des Personals und/oder der Ausstattung nachweisen kann. Zu solchen Leistungen gehören zum Beispiel ambulante Operationen, Herzkatheter-Untersuchungen oder die Behandlung von Typ-2-Diabetes in Disease-Management-Programmen, also in strukturierten Behandlungsprogrammen für Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen.

Informationen, welche Praxis solche besonderen Leistungen anbietet, finden Interessierte im Nationalen Gesundheitsportal, denn die KVen liefern die Daten direkt dorthin – allerdings nicht an Arztverzeichnisse anderer Anbieter. Zum Vergleich: Für die Qualitätsdaten der Krankenhäuser bietet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der grundsätzlich für die Qualitätssicherung zuständig ist, eine öffentliche Schnittstelle, so dass etwa auch Krankenkassen oder Anbieter wie die Weiße Liste die Daten für ihre Portale nutzen können.

Vergleiche im ambulanten Bereich schwieriger?

Warum sind außer den qualitätsgesicherten besonderen Leistungen bisher keine anderen Qualitätsdaten für die einzelnen Arztpraxen öffentlich verfügbar – anders als für Krankenhäuser? Dafür führt die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Reihe von Gründen an.

So kommen Patient:innen in der Regel zu einem definierten Zweck ins Krankenhaus und verlassen es nach relativ kurzer Zeit wieder. Was dort passiert und zu welchem Ergebnis es führt, lasse sich verhältnismäßig leicht messen. Im ambulanten Bereich erstrecken sich gerade bei Menschen mit chronischen Erkrankungen die Behandlungen über einen längeren Zeitraum und nicht selten auch auf verschiedene Arztpraxen. Welchen Anteil welche Praxis am Erfolg oder Misserfolg der Behandlung hat, lasse sich oft nicht klar abgrenzen.

Hinzu kommt: Messen lasse sich nur, was klar definiert ist. Während vor einem Krankenhausaufenthalt die Diagnose oft klar ist, stellt sich die im ambulanten Bereich möglicherweise erst einige Zeit nach dem ersten Kontakt mit Arzt oder Ärztin, manchmal auch erst nach dem Besuch von Facharztpraxen heraus. Wenn es bis zur Diagnosestellung länger dauert, liege das nicht unbedingt an der Qualität der Untersuchung, sondern möglicherweise auch daran, dass es nur unklare Beschwerden gebe.

Schließlich haben Arztpraxen im Vergleich zu Krankenhäusern oft auch weniger Patient:innen mit der gleichen Erkrankung. Das mache aussagekräftige Vergleiche bei den Ergebnissen von Behandlungen schon aus statistischen Gründen schwierig, etwa wenn Patient:innen mit unterschiedlichen Risiken für Komplikationen ungleich zwischen den Praxen verteilt sind.

Zudem sei der administrative Aufwand für die Sammlung von Qualitätsdaten hoch und gerade bei kleinen Praxen fielen Veröffentlichungen zur Qualität der Einrichtung anders als bei Krankenhäusern direkt auf eine einzige Person, nämlich Praxisinhaber oder Praxisinhaberin zurück. Deshalb seien auch die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Ärzt:innen zu bedenken.

Warum mehr Qualitätstransparenz möglich und sinnvoll wäre

Viele dieser Punkte sind nachvollziehbar, andere dagegen weniger, zum Beispiel der Mehraufwand. Wie beschrieben, liegen bei den KVen zahlreiche Daten aus der Qualitätsprüfung und scheinen auch geeignet zu sein, um daraus Rückschlüsse auf die Qualität der Arztpraxen im jeweiligen Bereich zu ziehen. Sonst ließen sich daraus keine Feedback-Berichte erstellen, wie es die KVen tun. Und es gibt inzwischen umfangreiche Erfahrungen zur Qualitätsmessung mit Daten, die Arztpraxen für die Abrechnung mit den Krankenkassen ohnehin dokumentieren (Routinedaten).

Auch wenn das bisher nicht gut abgesichert ist, liegen erste Hinweise aus Studien vor, dass mehr Qualitätstransparenz zu besseren Behandlungsergebnissen führt und die Qualität der Gesundheitsversorgung insgesamt verbessern kann: Etwa wenn sich Arztpraxen gezwungen sehen, ihre Qualität zu verbessern, damit wieder mehr Patient:innen zu ihnen kommen.

Und Patient:innen scheinen sich durchaus vergleichende Daten zur Qualität von Arztpraxen zu wünschen. So gaben 2018 in einer bevölkerungsrepräsentativen Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung 90 Prozent der rund 1.000 Befragten an, dass sie sich über die Hygiene in der Praxis informieren wollen, 80 Prozent wollten etwas zu Behandlungsergebnissen bei bestimmten Erkrankungen wissen.

In anderen Ländern sind solche Informationen zu Arztpraxen durchaus verfügbar. So veröffentlicht etwa in England die Care Quality Commission unter anderem zu Hausarzt-Praxen (GP Services) ausführliche Bewertungen in einem Ampelsystem, die von einem Sternchen („outstanding“) bis hin zu einem roten Warnzeichen („inadequate“) reichen. Auch etwa in den USA, den Niederlanden oder Dänemark ist Transparenz zur Qualität von Arztpraxen etabliert. Wie umfangreich diese Angaben sind und welche Bereiche sie abdecken, ist aber sehr unterschiedlich.

Mehr Qualitätstransparenz bei Arztpraxen: Ein weiter Weg

Zukünftig soll es auch für Patient:innen in Deutschland einfacher werden, sich über die Qualität von Arztpraxen zu informieren. Denn das zuständige Gremium, der G-BA, muss eine Richtlinie zur Qualitätstransparenz entwickeln, die auch Arztpraxen einschließt.

Diese Richtlinie sollte eigentlich bis Ende 2022 vorliegen. „Dieser Termin konnte leider nicht gehalten werden“, teilt jedoch der G-BA mit. Denn es sind noch nicht alle offenen Fragen geklärt. Im Herbst 2023 soll sich etwa noch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit dazu äußern. Was inzwischen aber passiert ist: Der G-BA hat ein Gutachten zur einrichtungsbezogenen Qualitätstransparenz in Auftrag gegeben. Das soll klären, wie sich bestimmte Qualitätsdaten nicht nur von Krankenhäusern, sondern auch von einzelnen Arztpraxen öffentlich besser darstellen lassen.

Im Bereich der Arztpraxen kann der G-BA allerdings nur diejenigen Qualitätsdaten veröffentlichen, für die er selbst zuständig ist. Das betrifft aktuell zunächst nur drei medizinische Maßnahmen, deren Qualität in Krankenhäusern und Arztpraxen mit identischen Konzepten (Qualitätssicherungsverfahren) gemessen wird: Herzkatheter-Untersuchungen und Stents bei verengten Herzkranzgefäßen, Dialyse (Blutwäsche) bei Patient:innen mit fortgeschrittener Nierenschwäche und Vermeidung von Infektionen nach Operationen. Das Gutachten soll sich konkret allerdings zunächst nur auf Herzkatheter-Untersuchungen und Stents beziehen. Der Grund: Bei den Infektionen läuft die vor Kurzem gründlich überarbeitete Dokumentation erst im Testbetrieb. Das Verfahren zur Dialyse gibt es erst seit 2020 und startete mit Problemen bei der Datenübertragung.

Theoretisch könnte der G-BA auch die Daten zur Qualität von Röntgen- und Kernspin-Untersuchungen sowie Gelenkspiegelungen im ambulanten Bereich veröffentlichen. Ob das tatsächlich passieren wird, ist laut G-BA derzeit offen.

Auf den größten Teil der Qualitätsdaten, die bei den KVen liegen, hat der G-BA jedoch keinen Zugriff. Denn die rechtlichen Grundlagen dafür sind nicht Regelungen des G-BA, sondern die Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen der KBV und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Anders als die KBV würde der GKV-Spitzenverband diese Daten grundsätzlich veröffentlichen: „Wir würden auch die Verwendung dieser Daten für Zwecke der Qualitätstransparenz befürworten. Leider mangelt es unseres Erachtens an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.“ Sprich: Nach dem jetzigen Stand gibt es keine rechtliche Möglichkeit, diese Daten getrennt nach Arztpraxen zu veröffentlichen.

Im Moment hätte die Qualitätstransparenz bei Arztpraxen also nur eine sehr dünne Datenbasis. Und in welcher Form die Qualitätsdaten aus dem ambulanten Bereich später abrufbar sein sollen, steht auch noch nicht genau fest: Zwar gibt es erste Ideen, wie ein Qualitätsportal des G-BA aussehen könnte, das den Informationsbedürfnissen von Patient:innen entspricht. Da sich das Konzept aber teilweise mit der geplanten Richtlinie zur Qualitätstransparenz überschneidet, braucht es hier noch mehr konzeptionelle Arbeit.

Bis Patient:innen Informationen zur Qualität in einzelnen Arztpraxen für die Arztsuche nutzen können oder es gar ein öffentliches Vergleichsportal gibt, dürfte also noch einige Zeit vergehen.

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