Tunis: Eine Großstadt im Wasserstress
Rekordtemperaturen, Starkregen, veraltete Infrastruktur: Die Wasserversorgung in Tunesiens Hauptstadt steht immer mehr unter Druck. Damit auch in Zukunft Trinkwasser aus dem Hahn kommt, muss sich einiges ändern.

„Sehen Sie dahinten den Überlauf? Bei den Überschwemmungen 2003 stand das Wasser zweieinhalb Meter drüber.“ Der Wächter zeigt auf einen Turm in der Ferne, der meterweit aus dem Wasser ragt. Heute schließt er das Absperrgitter auf, das neugierige Besucher sonst abhalten soll, denn man kann problemlos trockenen Fußes über eine kleine Brücke zum Überlauf gehen.
An den Mauern des Sidi Salem-Staudamms im Norden des Landes lassen Streifen im Beton erahnen, wie hoch hier früher das Wasser oft stand. Anfang September, zu Beginn des hydrologischen Jahrs in Tunesien, ist der Stausee fast leer, der eigentliche Damm komplett trocken.
Sidi Salem ist der größte der mehr als dreißig tunesischen Staudämme. Er fasst eigentlich rund 600 Millionen Kubikmeter und versorgt 60 Prozent der Bevölkerung der zwölf Millionen Tunesierinnen und Tunesier mit Trinkwasser. Gerade ist er nicht mal zu einem Fünftel gefüllt.
Im Landwirtschaftsministerium in Tunis herrscht bei Hamadi Hbaieb unterdessen reges Kommen und Gehen. Eigentlich ist der Generaldirektor des Büros für Wasserplanung und Wassergleichgewicht im Urlaub, seinem ersten seit drei Jahren.
Doch richtig frei hat er in seinem Job nie – schon gar nicht im Sommer und erst recht nicht in diesem Sommer 2021. Anfang August gab es in ganz Tunesien neue Hitzerekorde. In der Hauptstadt stiegen die Temperaturen auf über 48 Grad Celsius, im zentraltunesischen Kairouan gar auf 50,3 Grad – laut tunesischem Wetterinstitut 9 bis 15 Grad über den Normalwerten um diese Jahreszeit.




Weit unter dem Mindeststandard
Wenn ein Land pro Einwohner und Jahr über weniger als 1000 Kubikmeter verfügt, definiert die UNESCO dies als Wasserknappheit; 500 Kubikmeter gelten als absolute Wasserknappheit. In Deutschland liegen die Ressourcen bei gut 1900 Kubikmeter.
„In Tunesien stehen im Durchschnitt 420 Kubikmeter pro Einwohner zur Verfügung. Wir befinden uns also schon in normalen Jahren unter dem Mindeststandard. Dieses Jahr haben wir nur 220 bis 250 Kubikmeter pro Kopf. Wir leben also quasi vom Viertel eines Mindestlohnes“, sagt Hbaieb, dessen Büro einer der Dreh- und Angelpunkte des Ministeriums ist. Zwei Drittel der Haushaltsmittel des Ministeriums für Landwirtschaft, Wasserressourcen und Fischfang, wie es offiziell heißt, fließen in Wasserprojekte.
Die 2014 verabschiedete tunesische Verfassung garantiert den Bürgerïnnen das Recht auf Wasser. Doch Tunesien zählt zu den 25 Ländern mit den weltweit geringsten Wasserressourcen pro Einwohner. Wegen des Klimawandels werde es immer heikler, die Wasservorräte des Landes und ihre Verteilung auszutarieren, so Hbaieb. Fünf der letzten sechs Jahre seien Dürrejahre gewesen, so dass sich der Füllstand der Stauseen nicht erholen konnte. Während es in den Küstenregionen zu Starkregen und Überschwemmungen kam, fiel in den Bergen des Nordwesten des Landes viel zu wenig Regen.

„Wir haben festgestellt, dass die Füllung der Staudämme einem Zyklus von sieben Jahren unterliegt. Der gleitende Mittelwert von sieben Jahren sinkt kontinuierlich, “ sagt Hbaieb. Durch die derzeit existierenden Stauseen würde Tunesien 95 Prozent seiner Ressourcen an Oberflächenwasser bereits nutzen. Diese machen rund 60 Prozent des gesamten tunesischen Wasservorkommens aus. Gleichzeitig sinkt auch der Grundwasserspiegel vor allem im Süden des Landes kontinuierlich. Daher setzt das Land als letzten Ausweg auf kostspielige Meerwasserentsalzungsanlagen. Die erste steht bereits auf der Insel Djerba, weitere sind im Bau.
Wasser als strukturierendes Element
„Das Wasser hat die territoriale Ausgestaltung Tunesiens strukturiert. Uns ist oft gar nicht bewusst, welch entscheidende Rolle dieses Element für die sozio-ökonomische Entwicklung des Landes gespielt hat“, erklärt Akiça Bahri. Sie ist eine der profiliertesten tunesischen und afrikanischen Forscherinnen im Wasserbereich und war bis Februar 2021 Landwirtschaftsministerin. Die ganze Siedlungspolitik seit der Antike, aber auch das Macht- und Entwicklungsgefälle des Landes seien durch die Wassernutzung geprägt.
Das Bevölkerungswachstum und die Klimakrise führten dazu, dass jedes Jahr rund sechs Prozent mehr Trinkwasser bereitgestellt werden müsse, so Hbaieb. Der überschuldete staatliche Wasserversorger Sonede, der dem Ministerium untersteht, schlägt daher Alarm. Auf den sozialen Netzwerken zeigt er Bilder und Videos der Stauseen von Beni Mtir und Kassab aus den Jahren 2014 und 2021, um auf die kritische Situation hinzuweisen.
Diese ist im ganzen Land schlimm, aber besonders hart trifft es die schnell wachsende Hauptstadt Tunis mit ihren rund drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Im vergangenen Winter hatte Mosbah Helali, der Leiter der tunesischen Wasserwerke, bei einer Anhörung des Finanzausschusses darauf gedrängt, dass das Parlament eine Garantiezahlung für einen Kredit der Europäischen Entwicklungsbank bewilligen solle, zum Bau einer neuen Wasseraufbereitungsanlage. Die jetzige Anlage in Ghdir El Golla, einem Vorort von Tunis, ist an der Grenze ihrer Kapazitäten. Hier könnten maximal 100 000 Kubikmeter Wasser pro Tag für die rund drei Millionen Einwohner der Hauptstadt aufbereitet werden.
Die Probleme nur vertagt
Die neue Aufbereitungsanlage, die im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen soll, schafft 350.000 Kubikmeter am Tag. Wäre sie nicht bewilligt worden, hätte Tunis ab 2023 nicht mehr genug Trinkwasser zur Verfügung – so hatte Mosbah gewarnt. Mit der Fertigstellung, versicherte er, wäre die akute Gefahr zunächst einmal abgewendet.
Doch die Wasserforscherin Akiça Bahri meint: Auch mit der neuen Anlage sei das Problem der Wasserversorgung der Hauptstadt nur um einige Jahre vertagt worden. „Durch die zusätzlichen Produktionskapazitäten kann der Wasserbedarf des Ballungsraums Tunis bis etwa 2032 gedeckt werden, ohne dass zusätzliche Ressourcen mobilisiert werden müssen.“

Das Wasser, das in Tunis aus dem Hahn kommt, hat einen langen Weg hinter sich. Seinen Ursprung hat es in den Bergen der Kroumirie, dem östlichen Ausläufer des Atlas-Gebirges. In Algerien, nahe der Stadt Souq Ahras, entspringt der Oued Medjerda, der sich durch den Norden Tunesiens schlängelt, bevor er nördlich von Tunis ins Mittelmeer mündet.
Mit rund 460 Kilometer Länge, davon 350 in Tunesien, ist er der längste Fluss des Landes und der einzige, der das ganze Jahr über Wasser führt. 15 kleinere Oueds, die nur zeitweise Wasser führen, münden unterwegs in den Oued Medjerda.
Ein fast einmaliges System von Stauseen
Auf seinem Weg nach Tunis durchlaufen der Medjerda und seine Zuflüsse eine Reihe von Stauseen. „Das System der untereinander verbundenen Stausseen ist ziemlich einzigartig auf der Welt“, so Hamadi Hbaieb, der stolz ist auf die Transferinfrastruktur des Landes. Auf einer Strecke von rund 600 Kilometern wird das Wasser vom vergleichsweise regenreichen Norden in den Süden Tunesiens geleitet. Rund die Hälfte der Staudämme sind über Oueds und Leitungen miteinander verbunden, hinzu kommen 150 kleinere Dämme sowie mehr als 900 Kleinstwasserspeicher und Regenrückhaltebecken. So ist es praktisch unmöglich, Tunis isoliert vom Rest des Landes zu betrachten. Denn die Wasserwege strukturieren nicht nur, sie verbinden auch das Land.

Samia Mouelhi ist Dozentin am Institut für angewandte Biowissenschaften der Universität Tunis und Aktivistin in verschiedenen Vereinen für Umwelt- und Klimaschutz. Sie kennt das ausgeklügelte System der verschiedenen Staudämme mit ihren Zu- und Abflüssen im Detail, seit sie in den späten 1990er Jahren für ihre Doktorarbeit in der Staudammverwaltung tätig war. „Wenn man sich die Landkarte anschaut, sieht es aus wie ein Camembert, mit lauter kleinen Löchern“, erklärt sie lachend.
Ziel des aufwendigen Staudammsystems, dessen Bau in den 1950er Jahren begonnen wurde, sei es, dafür zu sorgen, dass so wenig wie möglich des kostbaren Regenwassers ins Meer gelangt. Das System wurde von tunesischen Ingenieuren konzipiert. „Aber hinter dem ganzen Netz steht die GIZ; an der kommt man nicht vorbei.“ Zusammen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit bis heute in Tunesien einen großen Anteil an Wasserprojekten.
Kostenfaktor Wassertransfer
Das Wasser, dass heute in Tunis getrunken wird, stammt im Wesentlichen aus dem Staudamm von Sidi Salem, dem über Zuflüsse in den Oued Medjerda Wasser aus anderen Stauseen aus Nordwesttunesien beigemischt wird. Deren Wasser ist weicher als das kalkhaltige Wasser aus der Talsperre von Sidi Salem.
Aus dem Oued Medjerda wiederum wird kurz vor Tunis Wasser in einen Kanal abgezweigt, der nicht nur die Hauptstadt, sondern auch die nahe Halbinsel Cap Bon und weite Teile des Küstenstreifens bis zum 250 Kilometer entfernten zentraltunesischen Sfax mit Trinkwasser versorgt. Derzeit wird er mit Geldern der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Stand gesetzt.


Im Landwirtschaftsministerium setzt man zunehmend auf eine weitere, aber kostspielige Variante. Da der Wasserstand in Sidi Salem abnimmt, wird Wasser aus dem weiter entfernten Stausee Sidi El Barrak beigemischt. Dieser befindet sich quasi auf Höhe des Meeresspiegels, so dass das Wasser erst über die Ausläufer der Gebirgskette der Kroumirie gepumpt werden muss, um überhaupt nach Tunis zu gelangen.
Doch das ist immer noch günstiger als die Entsalzung, die mit fast einem Euro pro Kubikmeter Wasser zu Buche schlägt. Die gleiche Menge mithilfe von Pumpen nach Tunis zu transferieren, kostet knapp ein Drittel. Der Großraum Tunis verbrauchte 2019 mit 138 Millionen Kubikmeter fast ein Drittel des landesweiten Trinkwassers – so die Bilanz des staatlichen Wasserversorgers Sonede. Im Gegensatz zu den anderen Landesteilen gibt es hier vergleichsweise wenig Landwirtschaft. Das meiste Wasser wird von Haushalten und der Industrie genutzt.
Vier Hauptleitungen verteilen das Wasser aus Ghedir El Golla zu rund 130 Speichern mit einer Kapazität von rund 400 000 Kubikmetern im gesamten Großraum Tunis, erklärt Akiça Bahri. Doch längst nicht alles, was aus den Bergen herangeleitet und -gepumpt wird, kommt auch wirklich bei den Verbraucherïnnen an. 300 Kilometer umfasst das Netz, dass das Wasser aus der Aufbereitungsanlage auf die Speicher verteilt. Weitere 8000 Kilometer Leitungen bringen es zu den Endverbrauchern in Tunis. Doch diese Leitungen sind alles andere als dicht.
Über Seiten listet der Jahresbericht der Sonede Störungen, Rohrbrüche und Reparaturarbeiten im veralteten Wasserleitungsnetz auf. Fast ein Viertel des Trinkwassers geht so landesweit verloren. Im Großraum Tunis sind es 24 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Für Akiça Bahri ergibt sich daraus eine logische Konsequenz: Die Instandhaltung und Wartung der Anlagen müsse absolute Priorität haben, fordert sie. „Dies würde es ermöglichen, die Wasserverluste zu begrenzen, die in einigen Orten bis zu 40 Prozent betragen können. Mehr als ein Drittel unseres Wassers, das mit großem Aufwand mobilisiert, umgeleitet, gepumpt und aufbereitet wurde, um es trinkbar zu machen, geht verloren.“

Trübe Brühe statt Quellwasser
Weil ihnen das Wasser nicht mehr schmeckte, sind im Sommer 2020 die Bewohner von Mornaguia auf die Straße gegangen. Die rund 15 000 Einwohner der Kleinstadt vor den Toren Tunis vermuteten eine Verunreinigung, denn das Wasser, das bei ihnen früher glasklar aus dem Hahn kam, war trübe und schmeckte anders als sonst. Über Tage kam es zu wütenden Protesten und Straßenblockaden aufgebrachter Menschen.
Was war passiert? Der Wasserversorger Sonede hatte wegen anhaltender Dürre das Wasser, das die Gemeinde bis dahin aus einem kleinen Staudamm direkt aus den Bergen bezogen hatte, mit dem Wasser aus der Aufbereitungsanlage Ghdir El Golla gemischt. Das ist salziger und mineralstoffhaltiger, wie ein Großteil des Wassers im ganzen Land – auch das, was der Rest der Hauptstadt trinkt.
Tunesien liegt beim Verbrauch von abgefülltem Wasser auf Platz 4 der Weltrangliste.
Zwischen einem und vier Gramm Minerale habe das Wasser aus Sidi Salem, so Hamadi Hbaieb. „Es handelt sich um eine der wenigen Talsperren der Welt auf einem Salzgestein. Es ist technisch sehr aufwendig, dafür zu sorgen, dass das Wasser nicht noch salziger wird“, erklärt die Biowissenschaftlerin Samia Mouelhi. Im Ministerium sei man sehr stolz auf diese technischen Meisterleistungen.
Aufgrund der geologischen Gegebenheiten, erklärt Mouelhi, sei das tunesische Wasser vergleichsweise mineralhaltig. Mehr als die Hälfte habe einen Mineralgehalt, der über 1,5 Gramm liege, 16 Prozent gar über drei Gramm, was weit über den internationalen Standards liege. Doch das ist naturgegeben und lässt sich nicht ändern. Im Gegensatz zu einem anderen Problem: der. Verunreinigung des Wassers.
Leitungswasser oder Mineralwasser?
Bei der Frage, ob man das Leitungswasser in Tunis bedenkenlos trinken könne, hält Samia Mouelhi kurz inne. „Die Sonede wird ihnen sagen: ja. Ich bin da nicht so sicher.“ Den Kontrollen durch die Wasserwerke und das Gesundheitsministerium traut sie nur bedingt und die veröffentlichten Zahlen nennt sie „alarmierend“. Akiça Bahri dagegen versichert, dass sie selbst nur das Leitungswasser der Sonede trinke. Sie vertraue dem Wasserversorger.
Damit ist sie jedoch in der Minderheit: Die meisten ihrer Landsleute seien sehr anspruchsvoll geworden, was die Wasserqualität angehe, obwohl sich die Eigenschaften des Leitungswassers in den vergangenen Jahren kaum verändert hätten. „Sie trinken durchschnittlich 227 Liter Mineralwasser pro Kopf und Jahr. Tunesien liegt beim Verbrauch von abgefülltem Wasser auf Platz 4 der Weltrangliste.“
Während am Stausee zwei Fischer darauf warten, dass etwas anbeißt, schlängelt sich der Oued Medjerda direkt unterhalb der Talsperre von Sidi Salem sanft plätschernd durch ein idyllisches Tal. Rechts und links blüht es, das flache Wasser ist glasklar. Doch nur wenige Kilometer weiter flussabwärts ist es vorbei mit der Idylle. Rechts und links des Flusslaufs breiten sich Felder und Gewächshäuser bis direkt ans Ufer aus; an einem Hang daneben wird illegal Müll abgeladen. Das Wasser hat einen schlammigen Braunton angenommen. Am nächsten Ort hat sich Müll in den Pflanzen am Rand des Flusses verfangen. An einem Autoreifen, der irgendwie im Wasser gelandet ist, haben sich Algen gebildet.




Im Nationalen Wasserbericht 2019, den das Landwirtschaftsministerium herausgibt, wird der Einzugsbereich des Oued Medjerda unter den „Hotspots der Verunreinigung“ an erster Stelle aufgeführt. Ursachen der Verschmutzung seien zum einen Haushaltsabwässer und unzureichend gefilterte Abwässer aus Kläranlagen – so etwa in der Region von Bousalem – zum anderen Stickstoff, Phosphor und Pestizide aus der Landwirtschaft.
Viele der ausgebrachten Substanzen seien anderswo gar nicht mehr zugelassen oder ihre Haltbarkeit längst abgelaufen, bestätigt Akiça Bahri. „Diese Produkte können Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die biologische Vielfalt und die Umwelt haben.“ Sie fordert schärfere Kontrollen der Produkte und der eingesetzten Mengen sowie die Förderung von umweltfreundlichen Alternativen und weist zudem auf Probleme bei der Instandhaltung der Kläranlagen hin.
Unklare Messwerte bei der Trinkwasserqualität
„Ein Drittel der geklärten Abwässer entspricht nicht den Normen. Diese versickern aber ins Grundwasser“, kritisiert auch Samia Mouelhi. Zwar würden jährlich Zehntausende Kontrollen durchgeführt, doch diese seien nur bedingt aussagekräftig. Immer wieder habe der Rechnungshof Mängel bei den Analysen angeprangert, selbst die Kontrollorgane wüssten Bescheid, sagt die Dozentin. „Aber werden wir Bürger auch informiert? Ich fürchte nicht."
Auch das Landwirtschaftsministerium bestätigt, dass der Oued Medjerda und seine Zuflüsse eine sehr schlechte Wasserqualität hätten. Zudem sei das Grundwasser mit Nitraten und Bakterien belastet. Ein Bericht des Umweltministeriums aus dem Sommer 2020 zeichnet ein ähnlich düsteres Bild. „Unsere Umwelt ist empfindlich und verletzlich", bestätigt die ehemalige Ministerin Bahri, da die Schadstoffe im Gegensatz zu nördlichen Ländern durch die geringen Niederschläge kaum verdünnt würden. Dadurch bestehe auch die Gefahr, dass das Grundwasser verschmutzt werde.




Der Wasserversorger Sonede gibt in seinem Jahresbericht 2019 an, dass nur 2,6 Proben der Proben nicht den Standards der Trinkwasserverordnung entsprochen hätten. Das Gesundheitssministerium dagegen hat im gleichen Jahr bei fast jeder zehnten Probe eine Überschreitung der Grenzwerte festgestellt. Akiça Bahri hat eine mögliche Erklärung für diese Differenz: Sie vermutet, dass an unterschiedlichen Stellen Proben entnommen wurden und das Wasser auf dem Weg von der Aufbereitungsanlage zu den Verbraucherïnnen verunreinigt wurde.
Die Städte sollten sich viel stärker auf ihre eigenen Ressourcen stützen, diese selbst erzeugen und so ihren eigenen Bedarf decken. (Akiça Bahri)
Neuere Zahlen und genauere Angaben zur Art der Analysen haben die Wasserwerke auf Anfrage bis Redaktionsschluss nicht mitgeteilt. Bekannt ist nur, dass die Kontrollen im Großraum Tunis besonders grobmaschig ausfallen: Dort analysiert die Sonede nur zehn Proben pro Tausend Einwohner im Jahr.
Samia Mouelhi erzählt von einer ihrer Studentinnen, die in der Wasseraufbereitungsanlage Ghdir El Goulla ein Praktikum gemacht hat. „Sie sagte, dass ihre Analyseergebnisse nicht verwertbar seien, weil die Reagenzien fehlten, um die nötigen Analysen überhaupt durchzuführen.“
Während der Diktatur habe sie ihre Studierenden in ihren Vorlesungen immer dazu aufgerufen, sich zu melden, falls eines ihrer Familienmitglieder beim Wasserwerk arbeite. „Sie sollten die nach dem Nitratgehalt des Leitungswassers fragen. Aber wir haben die Zahlen nie bekommen, weil das als kritisch galt.“ Auch nach 2011 habe sich das nicht geändert. Und nach wie vor wird das Wasser vor allem in den Sommermonaten stark gechlort, um die Verunreinigung mit Bakterien in den Griff zu bekommen. Was den Geschmack ebenfalls beeinträchtigt.
Ein Tunis der Zukunft?
Zwar betonen alle Akteure, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser Priorität habe. Doch wie eine langfristige Lösung für die Hauptstadt aussehen könnte, die Qualität und eine ausreichende Menge an Wasser garantieren kann – darüber sind sich die verschiedenen Stimmen nicht immer einig.
Für Akiça Bahri ist die Zukunft der Trinkwasserversorgung vor allem eine Frage der governance. Das komplexe Transfersystem für Trinkwasser müsse langfristig überdacht werden, findet die Forscherin. Sie spricht sich für eine stärkere Regionalisierung der Wasserversorgung und des Wassermanagements aus. „Die Städte sollten sich viel stärker auf ihre eigenen Ressourcen stützen, diese selbst erzeugen und so ihren eigenen Bedarf decken.“
Man müsse auch alternative Wasserquellen in Betracht ziehen und die Qualität des Wassers auf seine Verwendung abstimmen, so die Forscherin. „Unsere Städte müssen zu Erzeugern von Wasserressourcen werden. Zusätzlich zur Speicherung von Regenwasser und der Nutzung von Grundwasser, müssen gereinigte Abwässer wiederverwendet werden, Brack- und Salzwasser aufgefangen, behandelt und genutzt werden können.“ Die Städte der Zukunft zu erträumen bedeute auch, zu reformieren, zu erneuern und zu transformieren, ist sie überzeugt.
Lange wurde die Wasserversorgung in Tunesien zentralistisch organisiert. Seit jedoch immer mehr regionale Akteure eingebunden werden, wachsen auch deren Forderungen. Während ihrer Zeit als Ministerin, erinnert sich Bahri, hätten einige den Transfer des Wassers aus ihren Regionen abgelehnt. Die Kleinstadt Zaghouan etwa, eine Autostunde von Tunis südwestlich in den Bergen gelegen, habe zwar schon zu Zeiten der Römer die Hauptstadt mit Wasser beliefert. „Heute aber hat Zaghouan kein Wasser mehr, weil der Grundwasserspiegel stark abgesunken ist. Was machen wir in so einer Situation?“

Einer der großen Streitpunkte in Tunesien ist der Wasserpreis für die Endverbraucher. Derzeit ist er nach Verbrauch gestaffelt und extrem niedrig – obwohl Wasser im Gegensatz zu fast allen anderen Gütern des täglichen Bedarfs in Tunesien nicht subventioniert wird. Je mehr man verbraucht, desto teurer wird der Kubikmeter. Wer jedoch sparsam ist, zahlt wenig. Der günstigste Tarif für Geringverbraucher liegt bei 200 Millimes pro Kubikmeter, das entspricht etwa 0,06 Euro.
Mit solchen Preisen können die Wasserwerke nicht kostendeckend arbeiten. Akiça Bahri, die ehemalige Ministerin, ist überzeugt, dass die Preise generell angehoben werden müssen. Vor allem, um wie geplant jährlich 1200 Kilometer Leitungen instand halten zu können. Zurzeit, so Bahri, schaffe die Sonede nur 120 Kilometer pro Jahr. Wichtiger sei es daher, zunächst die bestehenden Netze zu investieren, statt Geld für die Nutzung alternativer Ressourcen einzusetzen. „Einer der wichtigsten Bereiche, um Wasser einzusparen, ist es, die Verluste zu minimieren.“
Ein Mindestlohn für den Kubikmeter Mineralwasser
Bahri vergleicht das Wasser mit den subventionierten Baguettes. Eines davon kostet 200 Millimes (0,06 Euro), soviel wie ein Kubikmeter Wasser im untersten Preissegment. Und viele davon landen im Müll. „Wir verschwenden jährlich 51 Prozent unserer Weichweizenproduktion. Wenn wir subventionieren, dann müssen die Subventionen zuerst an die Leute gehen, die sie brauchen. Die Leute zahlen mehr als 600 Millimes für einen Liter Mineralwasser, aber wollen keine 200 Millimes für einen Kubikmeter Leitungswasser zahlen“, empört sie sich. Ein Kubikmeter Mineralwasser koste in Tunesien mehr als ein Mindestlohn.

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Im Projekt „Countdown Natur" berichtet ein Team von 25 Journalistinnen und Journalisten mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel Ende 2021 über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen wurden vom European Journalism Centre durch das Programm „European Development Journalism Grants“ gefördert. Dieser Fonds wird von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.