Kolumne: Kommt unser Käse bald aus dem Labor?
Käse belastet unser Klima – doch pflanzliche Alternativen überzeugen selten. Weltweit tüfteln Start-ups und Forschende nun an klimafreundlichem Käse ohne Milch. Hat das Zukunft?

Die Klima- und Umwelt-Kolumne erscheint alle zwei Wochen - kritisch, nahbar, lösungsorientiert! Hier schreiben Elena Matera und Lisbeth Schröder im Wechsel.
Ich liebe Käse. Mein Lieblingsgericht ist Cacio e Pepe, das kocht mir mein italienischer Papa jedes Mal, wenn ich zu Besuch bin. Und wer das Gericht kennt, weiß: Der italienische Hartkäse Pecorino aus Schafsmilch hat einen ganz besonderen, würzigen Geschmack.
Doch Käse hat ein Problem: Seine Ökobilanz ist schlecht. Besonders Kuhmilch gilt als klimaschädlich. Das liegt vor allem an den Kühen selbst – oder genauer gesagt: an ihren Mägen. Kühe sind Wiederkäuer. Bei der Verdauung entsteht Methan, ein Treibhausgas, das bis zu 28-mal klimaschädlicher ist als CO₂. Auch Ziegen und Schafe sind Wiederkäuer. Sie sind zwar kleiner und produzieren weniger Methan als Kühe, belasten das Klima aber trotzdem. Methan ist nur ein Teil des Problems: Die Tiere brauchen viel Futter, wofür große Flächen nötig sind, nicht selten werden dafür Regenwälder gerodet. Außerdem verbraucht die Tierhaltung enorme Mengen Wasser.
Vegane Milchalternativen werden immer beliebter
Immer mehr Menschen meiden inzwischen Milchprodukte und setzen auf pflanzliche Alternativen wie Hafermilch oder auf Käse aus Erbsen-, Soja- oder Mandelprotein. Doch die meisten veganen Alternativen überzeugen mich einfach nicht: geschmacklich sind sie oft daneben, von der Konsistenz ganz zu schweigen. Und nein, Hefeflocken auf Pasta ersetzen keinen Parmesan.
Das Problem haben auch Start-ups erkannt. Inzwischen arbeiten mehrere daran, Käse zu entwickeln, der wie Käse schmecken soll und umweltfreundlicher ist. Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich beim Berliner Start-up Formoerleben. Dort hatte ich die Gelegenheit, im hauseigenen Labor verschiedene innovative Käsesorten zu testen: Weichkäse, Feta, Frischkäse und ein Blauschimmelkäse. Es roch intensiv und vor allem: vertraut. Und doch war etwas anders. In all diesen Sorten steckte kein Tropfen Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch.

Die Käsesorten basieren auf Koji, einem Pilzprotein, bekannt aus Miso und Sake. Formo nutzt es, um erste tierfreie Käsealternativen herzustellen, die geschmacklich mit dem Original mithalten sollen. Ich probierte mich durch: Der Camembert war cremig, mild und schmeckte erstaunlich wie echter Camembert. Auch der Frischkäse und der Feta kamen dem Original überraschend nahe. Doch ein leichter, schwer einzuordnender Beigeschmack bleibt – ungewohnt, aber nicht störend. Der Blauschimmelkäse hat mich weniger überzeugt. Er hätte würziger und cremiger sein dürfen; geschmacklich bleibt er deutlich hinter dem Original zurück. Trotzdem: Was das Pilzprotein geschmacklich leisten kann, hätte ich so nicht erwartet.
Präzisionsfermentation: Milchprotein aus Mikroorganismen
Aber Koji soll erst der Anfang sein. Das Ziel von Formo – und vielen anderen Start-ups weltweit – ist es, Käse herzustellen, der wirklich wie echter Käse schmecken sollen, so das Versprechen. Kein künstlicher Beigeschmack, kein Ersatzgefühl.
Möglich machen soll das ein zentrales Milchprotein: Casein, ein Protein, das normalerweise in Milch enthalten ist. Es sorgt für alles, was Käse „käsig“ macht: für Geschmack, Schmelz und Fädenziehen. In Zukunft soll dieses Protein nicht mehr aus Kuhmilch stammen, sondern aus dem Labor. Möglich macht das die sogenannte Präzisionsfermentation.
Im ersten Schritt wird die DNA von Mikroorganismen wie Hefen oder Bakterien so verändert, dass diese das Milchprotein Casein in einem Fermentationsprozess herstellen können – ganz ohne Kuh. Sie erhalten also zunächst eine Art Bauplan. Im zweiten Schritt findet dann die Fermentation statt – ähnlich wie beim Bierbrauen. In einem Edelstahltank, dem Bioreaktor, werden die Hefen oder Bakterien mit einer pflanzlichen Nährlösung gefüttert. Die Mikroorganismen produzieren dann Casein-Proteine, die von den natürlichen Proteinen nicht zu unterscheiden sind. Im Labor folgen dann ähnliche Schritte wie in traditionellen Käsereien: Homogenisieren, Gerinnen, Pressen und Reifen.
In den USA entwickelt das Start-up New Culture bereits mithilfe der Präzisionsfermentation einen tierfreien Mozzarella. Das israelische Start-up Remilk verkauft seine Milch- und Käseprodukte aus dem Fermenter bereits in Israel, Kanada, den USA und Singapur. Derzeit baut Remilk in Dänemark die weltgrößte Präzisionsfermentationsanlage – rund 70.000 Quadratmeter groß.
Ich habe auch mit der Biotechnologin Sandra Torkler gesprochen. Sie Gruppenleiterin der Bioprozess-Skalierung am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna, Sachsen-Anhalt. Auch sie forscht mit ihrem Team an der Präzisionsfermentation und sagt: „Man kann mit den Milchproteinen alles herstellen, was man sonst aus normaler Milch herstellen kann, also Käse, Milch, Joghurt.“ Torkler nennt außerdem viele Vorteile des „Labor-Käses“: deutlich weniger Wasserverbrauch, weniger Flächenbedarf, keine Methanemissionen. Dazu kommen laktosefreie, cholesterinarme Produkte, frei von Antibiotika. Und: Weniger Kühe bedeuten weniger Massentierhaltung. Die Produktion könne das ganze Jahr über gleichbleibende Qualität liefern, unabhängig von saisonalen Schwankungen. Aber wie viel Energie benötigt eine Massenproduktion von Labor-Käse? Eine klare Antwort gibt es nicht darauf. Und dann bleibt da noch die Frage, ob die Menschen ihn am Ende wirklich essen wollen. Wird der Geschmack überzeugen? Oder braucht es viele Zusatzstoffe, um an echten Käse heranzukommen?
Zulassung als „Novel Food“
Torkler ist auf jeden Fall überzeugt: Milchproteine und Käse aus dem Labor werden sich in den kommenden Jahren am Markt durchsetzen.
In einigen Ländern wird der Käse aus dem Labor bereits verkauft. In Europa noch nicht, da noch die Zulassung fehlt. Da das Protein Casein im Labor hergestellt wurde, gilt der Käse als „Novel Food“, also neuartiges Lebensmittel, und Start-ups wie Formo benötigen dafür eine Zulassung durch die Europäische Kommission und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Das kann noch dauern. Ich bin jedenfalls gespannt. Tierfreier Käse wird kommen. Ob Pecorino aus dem Labor eines Tages aber wirklich wie Pecorino schmeckt? Da bin ich weiterhin skeptisch.
Neugierig auf mehr? Entdecken Sie die weiteren Ausgaben der konstruktiven Klima- und Umwelt-Kolumne!