Bekenntnis zur engagierten Kunst

Wie präsentiert sich die Kunsthalle Mannheim nach Eröffnung des Neubaus?

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Filmstill: Eine Näherin einer Fabrik.

Ulrike Lorenz hat die Kunsthalle Mannheim umgekrempelt. Die aktuelle Ausstellung „Konstruktion der Welt. Kunst und Ökonomie“ zeigt, worum es ihr geht: Politische Aussagen wagen, auch im Museum, Gemälde und Skulpturen aus der Sphäre ewiger Ruhe holen. Über einen neuen Typ Kunstmuseum und eine Museumsmanagerin, die schon wieder offen ist für die nächste Herausforderung.

Den Neubau der Mannheimer Kunsthalle brachte sie in Rekordzeit zur Vollendung und sorgte für einen radikalen Perspektivwechsel in der Museumsarbeit. Alle neueren Tendenzen wurden vorbildlich vorangetrieben: Partizipation, Provenienzforschung, Schaudepot, digitale Angebote, das Foyer als öffentlicher Raum. Doch damit nicht genug. Für Ulrike Lorenz sollen nicht mehr die Kunstwerke im Mittelpunkt stehen, sondern die Besucherinnen und Besucher. „Das Museum ist kein Tempel, sondern ein Werkzeug zur Befreiung des Menschen“, sagte sie in einem Streitgespräch mit dem Kulturkritiker Wolfgang Ullrich. Die Gesellschaft sei voller Zwänge, und das Museum könne ein Gegenort sein, bestenfalls sogar Modell für ein anderes Leben. Das Museum als „Mediator“, Kunstbetrachtung in Hinblick auf ihre Reibung mit der Welt, das ist ihr Credo – auch wenn sich das mal gegen den Willen des Künstlers richten kann.

So ein Statement erfordert Mut, gilt doch unter Kolleginnen und Kollegen, dass die Würde des Künstlers und des Kunstwerks unantastbar ist. Das offene Kunstwerk ist mehrdeutig, darf und soll interpretiert werden, aber keinesfalls in der musealen Präsentation auf eine politische Botschaft reduziert werden. Zwar gab und gibt es immer wieder Kunst, die sich als Kritik an den Verhältnissen begreift, doch erschöpft sie sich nicht darin. Hat sich diese, der Kunst eine besondere Rolle zuschreibende Haltung dennoch überlebt?

Es wäre spannend gewesen, zu sehen, ob und wie die Kunsthalle Mannheim ihrem neuen Kurs treu geblieben wäre. Doch wurde nun bekannt, dass die Direktorin ihr erst im Juni eröffnetes grunderneuertes Haus wahrscheinlich wieder verlässt. Am 6. November steht Ulrike Lorenz laut epd als einzige Kandidatin für den Posten der Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar zur Wahl. Gefragt ist dort eine tatkräftige Managerin, die die traditionsreiche Stiftung auf Trab bringt. Dennoch überrascht dieser Wechsel, und zwar nicht nur wegen ihrer Spezialisierung auf moderne und zeitgenössische Kunst, sondern auch, weil selten ein Museumsmensch das selbst gebaute Schiff gleich nach der Taufe wieder verlässt.

Eine Frau mit auffälliger Brille und grünem Schal bedient einen riesigen, an der Wand hängenden Touchscreen.
Ulrike Lorenz realisierte in fünf Jahren den Neubau der Kunsthalle Mannheim. Zu den Neuerungen gehört auch ein riesiger Touchscreen, mit dem die Sammlung erkundet werden kann.
Die Fassade eines kubischen Gebäudes.
Der Neubau der Kunsthalle Mannheim wurde am 1. Juni 2018 eröffnet. Der von dem Hamburger Architektenbüro Gerkan, Marg und Partner entworfene Bau bezieht sich mit seiner Würfelstruktur auf den in Quadrate eingeteilten Grundriss der Stadt.
Ein Gemälde, das penibel genau gemalt, eine Fabrik mit rauchendem Schornstein zeigt.
1921 drehte Charles Sheeler einen der ersten experimentellen Filme über Manhattan, in den 1930er Jahren malte er Industrielandschaften in abgeklärter Nüchternheit.