Neue Leitlinie soll der Medizin bei der Behandlung von trans Kindern und Jugendlichen helfen

Eine Kommission mit Fachleuten entwickelte innerhalb von sieben Jahren eine wichtige Leitlinie für die Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie. Für Betroffene soll die Behandlung sicherer und professioneller werden.

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Ein Mädchen mit blauen Augen und langen blonden Haaren blickt selbstbewusst in die Kamera.

Als die AFD im Juli 2023 auf einem Parteitag ihre Kandidatïnnen für die Europawahl im Jahr 2024 nominierte, wetterten diese nicht nur gegen die EU und flüchtende Menschen aus anderen Ländern. Auch die Minderheit der sogenannten trans Menschen, deren empfundenes Geschlecht nicht dem körperlichen entspricht, wurde in nahezu jeder Rede angefeindet und diskriminiert.

Zwischen 0,8 und einem Prozent der Erwachsenen haben aktuellen Schätzungen zufolge eine solche Geschlechtsinkongruenz. Für etwa 0,2 Prozent ist die Situation so belastend, dass sie sich medizinische Schritte zur Geschlechtsangleichung wünschen – also mindestens eine Behandlung mit Geschlechtshormonen. In diesen Fällen spricht man von Geschlechtsdysphorie.

Trans sein ist keine Krankheit

Diese Zustände sind keine Krankheiten. Aber sie führen häufig indirekt zu schweren psychischen Erkrankungen, etwa Depressionen oder Angststörungen. Erfolgt keine effektive Behandlung steigt die Gefahr, dass sich Betroffene das Leben nehmen.

Der AFD scheint das egal. Sie lehnt vor allem das neue Selbstbestimmungsgesetz ab, das den personenstandsrechtlichen und nicht den medizinischen Geschlechtswechsel betrifft und damit die sozialen Belastungen reduzieren möchte. Doch letztlich wehren sich ultrakonservative und rechtsextreme Kreise nicht nur gegen eine erleichterte Änderung von Vornamen und Geschlechtszugehörigkeit. Sie zweifeln das Konzept der trans Identität grundsätzlich an.

Noch herrscht Verunsicherung

Zum Glück ist die überwiegende Mehrheit in der Gesellschaft an diesem Punkt viel weiter. Doch vor allem wenn es um die Behandlung von trans Personen im Kindes- und Jugendalter geht, herrscht noch immer Verunsicherung. Betroffene, Erziehungsberechtigte, Mediziner- und Psychologïnnen stehen vor einer Reihe wichtiger Fragen:

  • Wie diagnostiziert man den trans Zustand möglichst sicher, und wie unterscheidet er sich von anderen, oft nur entwicklungsbedingten Verunsicherungen der Geschlechtsidentität? Wie verringert man letztlich das Risiko, dass Betroffene ihre Entscheidung später bereuen? Und wer darf überhaupt mitentscheiden?
  • In welchem Alter und unter welchen Voraussetzungen sollten Kinder mit Geschlechtsdysphorie sogenannte Pubertätsblocker bekommen, die verhindern, dass die als falsch empfundene Wirkung der eigenen Geschlechtshormone fortschreitet?
  • Ab wann sollte man von der bloßen Unterdrückung der biologischen Entwicklung – die dem Zeitgewinn für eine sichere Entscheidung dient – übergehen zur Hormonbehandlung, die die tatsächliche Angleichung an das empfundene Geschlecht einleitet und nach einer gewissen Zeit auch irreversible Folgen haben kann?
  • Wie wichtig ist eine psychotherapeutische Begleitung? Wann ist sie nötig, und wie bezieht man das soziale Umfeld am besten mit ein?
  • Wie groß ist die wissenschaftliche Evidenz, dass Betroffene auch wirklich von den jeweiligen Behandlungen profitieren?

Drei Personen halten bei einer Demonstration Plakate in die Höhe. Darauf steht: „Trans kids, you are loved“ und „Protect trans Kids“.
Auf einer Demonstration in Edmonton, Kanada, protestieren Eltern von trans Personen für die Rechte ihrer Kinder.