Transgendermedizin: Was für und was gegen den Einsatz von Pubertätsblockern spricht

Hormonblocker werden in England nur noch in Ausnahmefällen verschrieben. Dabei senkt eine Pubertätsblockade im richtigen Alter bei diagnostizierter Geschlechtsdysphorie den Leidensdruck Betroffener deutlich. Die Diskussion um das „Wie“ in der Transgendermedizin zeigt einmal mehr tiefe Gräben zwischen Teilen der Gesellschaft, Betroffenen, Medizin und Wissenschaft.

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Eine junge trans Frau mit weißem Hemd schaut in die Kamera.

Transgeschlechtliche Kinder und Jugendliche oder solche, die sich noch unsicher sind über ihre geschlechtliche Identität, sollen in England nur noch in Ausnahmefällen Medikamente erhalten, die die pubertäre Entwicklung hemmen. Bisher fehle es an eindeutigen wissenschaftlichen Beweisen sowohl für die Wirksamkeit als auch die Sicherheit dieser Pubertätsblocker, begründete der National Health Service (NHS) England seine Entscheidung.

Damit stellt sich England in eine Linie mit anderen Ländern etwa Schweden und Finnland, die aus Sorge vor einer gesundheitlichen Gefährdung junger Menschen die Verschreibung von Pubertätsblockern derzeit stark reglementieren.

Georg Romer, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Münster, sieht die Entwicklung in England kritisch: Die pauschale Nutzen-Risiko-Bewertung von Pubertätsblockern werde der Komplexität der Behandlungsentscheidungen im Einzelfall nicht gerecht. „Das Evidenzniveau bei Pubertätsblockern ist niedrig, ja, aber dies ist vergleichbar so für die meisten Medikamente in der Kindermedizin.“

Würden die Maßstäbe, die man hier anlegt, auch für andere Arzneimittel gelten, könne man eigentlich die gesamte Kindermedizin schließen. „Rund 70 Prozent aller pädiatrisch verschriebenen Medikamente stehen nur per Off-Label-Verordnung zur Verfügung, das heißt sie sind formal für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen. 82 Prozent aller medizinischen Leitlinienempfehlungen zu diesen Off-Label-Verordnungen in der Kinder- und Jugendmedizin beruhen auf schwacher bis sehr schwacher Evidenz.“