Erstaunliche Errungenschaften für das Überleben in der Wüste: Manche mögen's heiß!

Hitzereflektoren, Gegenstrom-Kühlsysteme oder ausgeklügelte Klimaanlagen: Wie Riedfrösche, Kamele, Apachen-Zikaden und andere Lebewesen es im Lauf der Evolution geschafft haben, extreme Hitze und Trockenheit zu überstehen

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
13 Minuten
Weibchen eines Halsbandleguans mit braunem Kopf, schwarzem Halsstreifen und gelben Ringen auf dem türkisfarbenem Körper.

Wärme ist eine zweischneidige Angelegenheit. Zu viel davon ist ebenso tödlich wie zu wenig. Nur innerhalb eines schmalen Bandes auf der Temperaturskala ist überhaupt Leben möglich. Kein aktiver, mehrzelliger Organismus kann seinen gesamten Lebenszyklus bei Temperaturen über 50 Grad Celsius durchlaufen. Doch nahe dieser lebensbedrohlichen Obergrenze behaupten sich zahlreiche Tiere und Pflanzen mit erstaun­lichen Anpassungen.

Flirrend und unerbittlich liegt während der meisten Zeit des Jahres die Hitze über der Sonora-Wüste im Grenzgebiet zwischen Mexiko und Arizona. Keine Wolke bremst die Glut der Sonne. Während in der ge­mäßigten Klimazone Mitteleuropas nur etwa 30 Prozent der Sonnenstrahlen bis zum Boden vordringen – der Rest wird von den Wolken, der Luft­feuchtigkeit und den Pflanzen absorbiert –, erreichen in den meisten Wüsten bis zu 95 Prozent der Sonnenstrahlen die Oberfläche. Im Sommer sind deshalb Temperaturen über 80 Grad Celsius unmittelbar auf dem Wüstenboden keine Seltenheit.

Einige Hundert Kilometer nördlich der Sonora-Wüste, im gebirgs­umschlossenen Tal des Todes, der heiße­sten Gegend der Erde, kletterte das Thermometer im Juli 2021 auf 54,4 Grad Lufttemperatur – eine der höchsten Temperaturen, die an einer Wetterstation jemals gemessen wurde.

Auf den ersten Blick erscheinen diese unwirtlichen Landschaften leblos und öde. Doch das Leben in den heißen Regionen ist nur unauffälliger, verborgener als anderswo. Es entfaltet erst bei günstigen Bedingungen, wenn nach Monaten oder Jahren wieder einmal ausreichend Regen fällt, seine ganze Fülle. Bis dahin gilt es, zu überdauern.

Pflanzen als Wasserreservoir für Tiere

Lebensfeindlich ist – neben der unmittelbaren Einwirkung hoher Temperaturen auf die Organismen – vor allem der Mangel an Wasser. Denn „Hitze ist der Feind des Wassers“, wie es ein arabischer Spruch trefflich umschreibt. Ohne die Fähigkeit zahlreicher Pflanzen, über lange Zeiträume Wasser zu speichern oder ihre Lebensfunktionen bis zum nächsten Regen stillzulegen, wären manche Gegenden wahrhaft wüst und leer. Denn die grünen Pflanzen stehen am Beginn jeder Nahrungskette und sind in den Wüsten für viele Tiere das einzige Wasserreservoir.

Die Charakterpflanzen der Sonora-Wüste, die Saguaro-Kakteen, sind wahrhafte Wassertürme. Sie werden bis zu zwanzig Meter hoch und können in ihrem schwammähnlichen, dehnbaren Gewebe bis zu 8000 Liter Wasser speichern. Mit diesem Vorrat gehen die Pflanzen so sparsam um, dass sie damit selbst eine mehrjährige Dürre überstehen.

Von Weitem erinnern die eng beieinanderstehenden Säulenkakteen an einen abgestorbenen Wald. Und höchstwahrscheinlich haben sich die Saguaros im Zuge einer allmählichen erdgeschichtlichen Klimaerwärmung aus Bäumen entwickelt. Schritt für Schritt verkleinerten die anpassungsfähigen Gewächse ihre hitzeempfindlichen Blätter, bis sie irgendwann ganz darauf verzichten konnten, weil sie inzwischen das lebenswichtige Chlorophyll, die Grundsubstanz der Fotosynthese, in den Stamm verlagert hatten.

Die Charakterpflanzen der Sonora-Wüste, die Saguaro-Kakteen, sind wahrhafte Wassertürme. Sie werden bis zu zwanzig Meter hoch und können in ihrem schwammähnlichen, dehnbaren Gewebe bis zu 8000 Liter Wasser speichern.
Die Charakterpflanzen der Sonora-Wüste, die Saguaro-Kakteen, sind wahrhafte Wassertürme. Sie werden bis zu zwanzig Meter hoch und können in ihrem schwammähnlichen, dehnbaren Gewebe bis zu 8000 Liter Wasser speichern.
Ast mit silbrig behaarten, fleischigen Blättern und einer Blütendolde mit sukulenten violetten Blüten
Nur bei guter Wasserversorgung blüht der Fettblattbaum und spreizt seine Blätter ab. Lange Trockenheit überdauert er in einem scheintoten Zustand.
Bis auf die Füße und einige dunkelgrüne Flecken ist die Haut des Afrikanische Riedfrosches mit weißen Kristallen überzogen, um sich vor starker Sonnenstrahlung und Austrocknung zu schützen. Mit seinen roten Zehen klammert er sich an einen Baumstamm.
Bei längerer Trockenheit produziert der Afrikanische Riedfrosch einen Schutzschild aus weißen Kristallen in seiner Haut.

Sobald die Temperaturen die 35-Grad-Marke überschreiten, verändert sich der afrikanische Riedfrosch auf wundersame Weise. Das braun ­gestreifte Tier nimmt mit zunehmender Hitze und Trockenheit eine silbrig-weiße Färbung an.

Kopf eines Wüstenfuchses mit weit abstehenden Ohren.
Die großen Ohren helfen dem Fennek Körperwärme abzugeben, um nicht zu überhitzen.

Nachdem sich ein Dromedar satt getrunken hat – bis zu zweihundert Liter passen auf einmal in ein durstiges Kamel –, sind seine roten Blutkörperchen rund 250 Prozent größer als am Ende einer Durstphase.

Vier Beduinen ziehen mit ihren Kamelen durch strauchloses, felsiges Gelände zwischen dem Moses- und dem Katharinenberg im Sinai. Die Tiere tragen vollbepackte türkise Satteltaschen aus Kunststoff.
Eine Kamelkarawane zieht über einen Bergpass am Katharinenberg im Sinai. In dem unwegsamen Gelände gibt es für den lokalen Transport von Waren keine Alternative zu den Kamelen.
Eine kleine unscheinbare grau-beige Apachen-Zikade sitzt senkrecht an einem Grashalm. Die Flügel sind durchsichtig und etwa doppelt so lang wie der Körper. Das Insekt übersteht extreme Hitze durch starkes Schwitzen.
Die Apachen-Zikade (Diceroprocta apache) übersteht extreme Hitze durch starkes Schwitzen. Bis zu 35 Prozent seiner Körperflüssigkeit verdampft das Insekt pro Stunde und kann so seinen Körper um etwa 15 Grad abkühlen.