Was macht der Hai im Hundefutter?

Er führt ein Schattendasein als Zutat in Haustierfuttersorten, versteckt hinter Tarnnamen wie „Weißfisch“. Dabei sind viele Haiarten in akuter Gefahr. Warum es so schwer ist, sie zu schützen, erklärt die Fischerei-Expertin Iris Ziegler von der Artenschutzorganisation Sharkproject.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
12 Minuten
Ein einzelner Blauhai mit langgestrecktem, sehr schlanken Körper. Er ist silbern am Bauch und metallisch-blau am Rücken. Seine Augen sehen aus wie Kulleraugen.

Die Zutatenlisten etlicher Haustierfuttermittel lesen sich ganz unverfänglich. Doch hinter harmlos klingenden Bezeichnungen wie „Weißfisch“ oder „Meeresfisch“ verbirgt sich oftmals Haifleisch. Sogar geschützte Arten landen im Futter für Hunde und Katzen. Das haben zwei Forscher der National University of Singapore mithilfe einer Gen-Analyse ermittelt. Ihre Studie erschien im März 2022 im Fachjournal Frontiers in Marine Science – rund ein halbes Jahr bevor das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES eine große Anzahl weiterer Haiarten unter Schutz stellte.

Nun muss ab dem 1. Januar 2024 der internationale Handel mit Haifleisch reguliert werden, sobald es sich um geschützte Arten handelt, die Übergangsfrist für die Vertragsstaaten läuft also in wenigen Tagen ab. Die Untersuchung der Singapurer Forscher Benjamin J. Wainwright und Ian French weckt allerdings Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit dieser Regeln.

Regulierter Haihandel ab Januar 2024

Das Duo hatte für seine Analyse 144 Futtermittelproben aus 45 Haustierfuttersorten herangezogen. Alle Futtersorten wurden in Singapur gekauft und stammten von großen, internationalen Markenproduzenten. Das Ergebnis: In rund 31 Prozent der Proben fand sich die DNA von Haien – auch die von bereits CITES-geschützten Arten wie dem Sandtigerhai, der unmittelbar vor der Ausrottung steht, oder dem Seidenhai. Die überwiegende Mehrheit der Gen-Sequenzen ließ sich Blauhaien, Seidenhaien und Weißspitzenriffhaien zuordnen.

Was ist daran so problematisch?

Haie werden seit dem Beginn der industriellen Fischerei so gnadenlos bejagt, dass ihr Überleben in akuter Gefahr ist. In der Hochsee sind ihre Bestände in den vergangenen fünf Jahrzehnten um mehr als 70 Prozent eingebrochen. 16 von 31 Hochseehaiarten sind inzwischen stark gefährdet oder stehen sogar kurz vor der Auslöschung. Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist das kein Wunder: Pro Jahr werden zwischen 63 und 273 Millionen Haie aus den Weltmeeren geholt. Das ist allerdings eine grobe Näherung, da kein Mensch weiß, wie viele Haie undokumentiert im Beifang sterben oder der illegalen Fischerei zum Opfer fallen, die es allein auf die lukrativen Haifischflossen abgesehen hat. Noch immer wird das sogenannte Shark Finning praktiziert, eine Fangmethode, bei der die Flossen der Haie bei lebendigem Leib abgetrennt und die Tiere verstümmelt ins Meer zurückgeworfen werden, wo sie langsam verenden.

Ihr Pech: Sie sind keine Wale

Zu ihrem Pech haben Haie keine Lobby. Sie wandern nicht singend durch die Ozeane wie Buckelwale, sie spielen nicht mit den Bugwellen von Segelbooten wie Delfine. Sie haben starre Gesichter, kalte Augen und spätestens seit dem Film „Der Weiße Hai“ das denkbar schlechteste Image. Dabei ist ihre Rolle im Ökosystem Ozean von unschätzbarem Wert. Sie stehen oftmals an der Spitze der Nahrungskette und sorgen für ein Gleichgewicht unter den Raubfischen, die sie jagen. Fehlen sie, gerät das ganze System in Schieflage. Etwa in den Korallenriffen. Je mehr Haie dort verschwinden, desto stärker vermehren sich kleinere Raubfische. Diese dezimieren die pflanzenfressenden Riffbewohner, die wiederum die Algen von den Korallen abweiden und so die Riffe am Leben erhalten. Kurz: Der Top-Prädator Hai ist ein Umweltschützer. Er sorgt für die Gesundheit des Ökosystems Korallenriff.

Ein einzelner Seidenhai, von oben betrachtet. Die Rückenpartie ist bräunlich-grau.
Seidenhaie (Carcharhinus falciformis) sind langsam wachsende Haie und könnten, wenn man sie ließe, bis zu 36 Jahre alt werden.
Ein Sandtigerhai im Vordergrund und einer im Hintergrund in trübem Wasser. Diese Haie sind auffällig füllig.
Der Sandtigerhai (Carcharias taurus) steht seit Längerem auf der CITES-Liste, weil er akut vom Aussterben bedroht ist. Dennoch findet sich seine DNA in Proben von Haustierfutter aus Singapur.
Eine Gruppe von Weißspitzenriffhaien lagert auf dem Meeresgrund neben einem Korallenriff.
Weißspitzenriffhaie (Triaenodon obesus) sind Nachtjäger und an das Leben im Korallenriff angepasst. Sie sorgen dafür, dass es gesund bleibt.

Daher war die Erleichterung unter Wissenschaftlerinnen und Tierschützern groß, als im November 2022 das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES mehr als 90 Hai- und Rochenarten – die nächsten Verwandten der Haie – unter Schutz stellte. Ein Jahr lang währte die Übergangsfrist für die Vertragsstaaten, die CITES-Regeln in nationales Recht zu gießen.

Ab Januar 2024 braucht der internationale Haihandel nun für geschützte Arten sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Sie sind die Voraussetzung für Handelsgenehmigungen. Und die dürfen nur noch ausgestellt werden, wenn der Fischfang tatsächlich nachhaltig erfolgt ist. Auch muss belegt werden, dass die Fänge des internationalen Handels nicht das Überleben der jeweiligen Bestände gefährdet.

Was aber bringen die neuen Regeln wirklich? „CITES allein ist kein Schutz“, sagt die Fischerei-Expertin Iris Ziegler von der Artenschutzorganisation Sharkproject. Sie leitet dort den Bereich Internationale Kooperationen, arbeitet vor allem zu nachhaltiger Fischerei und vertritt die Organisation bei internationalen Kommissionen wie der ICCAT (International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas). Die ICCAT legt Fangquoten für wandernde Fischarten im Atlantik und Mittelmeer fest und könnte das auch für Haie tun.

Iris Ziegler steht vor einer Wand mit dem Logo von ICCAT. Sie trägt eine helle Hose.
Dr. Iris Ziegler im November 2023 bei der ICCAT in Kairo.
Ein weiterer Blauhai im Meer, gefolgt von kleineren Fischen. Im Hintergrund schwimmt ein zweiter Hai.
Ebenfalls ein Blauhai. Gemäß dem International Shark Attack File (ISAF) aus Florida gab es 2022 weltweit 57 unprovozierte Angriffe von Haien auf Menschen, fünf endeten tödlich, 108 gab es insgesamt. Dem stehen rund 273 Millionen tödliche Angriffe von Menschen auf Haie gegenüber, grob geschätzt.
Eine riesige Menge Haileiber lagern im Anlandedock von Vigo in Spanien. Die Leiber liegen in großen Haufen aufeinander.
Anlandung der Beute im Dock von Vigo. Spanien gehört zu den Top Ten der weltweiten Haifangnationen.
In einer Auslage sieht man Haifischsteaks in einem Laden in Spanien.
Der Druck von Verbrauchern und Verbraucherinnen kann Haie schützen: Haifischsteaks in einem Laden in Spanien.
Auf einem Holzdeck liegen unzählige abgetrennte Haifischflossen nebeneinander.
Haifischflossen an Deck eines Haifängers. Sie sind die wertvollsten Teile des Tieres und garantieren ein höchst einträgliches Geschäft. Die EU gehört zu den größten Flossenhändlern weltweit.