EU-Parlament: Die Renaturierung kommt, Ökozid wird strafbar

Das EU-Parlament macht Weg frei für die strafrechtliche Ahndung von Umweltverbrechen in und außerhalb der Europäischen Union. Außerdem stimmt es für die Renaturierung von 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis 2030

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Renaturierungsarbeiten und Anbindung eines Altarmes des Flusses Nidda in Hessen.

Das Europäische Parlament hat am Dienstag mit einer großen Mehrheit von 499 Stimmen bei 100 Gegenstimmen und 23 Enthaltungen für die gesetzlichen Verankerung eines neuen Straftatbestands zur Umweltzerstörung abgestimmt. Das Gesetz muss formal nur noch vom Rat der Mitgliedstaaten bestätigt werden. Es verschärft die „Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt“. Schwere Umweltschäden wie die Zerstörung von Lebensräumen und illegalen Holzeinschlag werden künftig strafrechtlich geahndet.

Ebenfalls am Dienstag verabschiedete das Parlament das wesentlich härter umkämpfte europäische Renaturierungsgesetz mit 329 Stimmen bei 275 Gegenstimmen und 24 Enthaltungen. Noch am Montag hatten die Konservativen eine Blockade angekündigt, am Ende stimmten sogar 24 EVP-Abgeordnete für das Gesetz.

Hohe Geldbußen für schwere Umweltverbrechen

Während die Umsetzung des Renaturierungsgesetzes wesentlich in den Händen der Mitgliedstaaten bleibt, sind die Vorgaben des Gesetzes zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt etwas verbindlicher. Die Mitgliedstaaten können nur entscheiden, welche Art von Bußgeldern sie für Unternehmen einführen: Dabei kann es sich um feste Bußgelder von bis zu 40 Millionen Euro handeln oder je nach Delikt bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes. Sie können auch bestimmen, ob sie Straftaten außerhalb des EU-Raums ahnden wollen, die von EU-Unternehmen begangen wurden.

Der verabschiedete Text zur Strafbarkeit von Umweltzerstörung folgt einem einstimmigen Beschluss des Rechtsausschusses im März 2023. Demnach sollen „die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass jedes Verhalten, das einen schweren und entweder weit verbreiteten oder langfristigen oder irreversiblen Schaden verursacht, als besonders schwere Straftat behandelt und als solche im Einklang mit den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten geahndet wird“.

Der Text orientiert sich damit an der Definition von Ökozid als internationalem Verbrechen, die von einem unabhängigen Expertengremium der Stop Ecocide Foundation ausgearbeitet wurde. Möglicherweise spielten auch die Bemühungen der Ukraine um die Verankerung des Ökozids im internationalen Recht eine Rolle, warum der Ökozid im europäischen Recht in so kurzer Zeit verankert werden konnte.

Konjunktur für Umweltkriminalität

„Umweltkriminalität wächst zwei- bis dreimal schneller als die Weltwirtschaft und hat sich in wenigen Jahren zum viertgrößten Kriminalitätssektor der Welt entwickelt, “ sagt die grüne Europaabgeordnete Marie Toussaint. Laut dem Europäischen Umweltbüro EEB gehören in der EU dazu der illegale Fang von Rotem Thunfisch, die agroindustrielle Verschmutzung von Naturschutzgebieten sowie illegale Jagdpraktiken und Betrug auf dem CO2-Markt.

Toussaint sieht daher in dem Votum für dieses Gesetz sowie für das ebenfalls am selben Tag verabschiedete Gesetz zur Renaturierung einen „großartigen Sieg“. Die Allianz der Rechten, die versuchte hatte, das Gesetz auszuhöhlen, sei gescheitert. Es gehöre zu den „ehrgeizigsten Gesetzgebungen weltweit zur Bekämpfung von Umweltverbrechen“, schrieb Toussaint auf X.

Auch die Umweltorganisation WWF zeigte sich über „die hohe Integrität“ des finalen Kompromisses zwischen den drei EU-Institutionen erfreut. Allerdings konnten nicht alle Vorschläge umgesetzt werden, so etwa der die illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU-Fischerei) als Straftat zu bewerten.

In Belgien, den Niederlanden, Italien und Spanien wurden im vergangenen Jahr bereits die ersten Ökozid-Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht. Die europäische Regelung wird nun auch in den übrigen Mitgliedstaaten Regelungen nach sich ziehen. Sie haben zwei Jahre Zeit, das EU-Recht in nationales Recht umzusetzen.

Die grundlegende politische Einigung zwischen dem Europäischen Rat, der Kommission und dem Parlament erfolgte bereits Mitte November 2023. Obwohl das Wort „Ökozid“ nicht explizit im Text genannt wird, wird das Thema Ökozid anerkannt. So ist in den Erwägungsgründen zum Gesetz von „mit Ökozid vergleichbaren Fällen“ die Rede, die nun strafrechtlich geahndet werden sollen.

Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen entlang Indikatoren festlegen

Nach dem neuen EU-Renaturierungsgesetz sollen mindestens 30 Prozent der entwässerten Torfgebiete bis 2030 wiederhergestellt, mindestens ein Viertel wiedervernässt werden. Bis 2040 sollen es 40 Prozent, bis 2050 50 Prozent sein. Trotz Protesten aus der Landwirtschaft sowie aus Reihen der konservativen und rechtspopulistischen Parteien nimmt das Gesetz auch die Landwirtschaft in die Pflicht – die EVP betonte, dass deren Sorgen mit zahlreichen Änderungsanträgen berücksichtigt wurden. Beispielsweise bleibt für Landwirte und private Grundbesitzer die Wiedervernässung freiwillig.

Das Gesetz verlangt Fortschritte bei zwei von drei der folgenden Indikatoren: beim Index der Wiesenschmetterlinge, beim Anteil der landwirtschaftlichen Flächen mit Landschaftselementen mit großer biologischer Vielfalt und beim Bestand an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden. Die Mitgliedstaaten müssen zudem auf einen höheren Feldvogelindex hinwirken. Der Vogelbestand ist ein Indikator für die Artenvielfalt. Für die Bauern bedeutet dass, dass sie den Einsatz von Insektiziden einschränken müssen.

Demnach müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 mindestens 30 Prozent der Lebensräume von einem schlechten in einen guten Zustand versetzen. Das gilt für Wälder, Grünland und Feuchtgebieten wie auch für Flüsse, Seen und Korallenriffe. Bis 2040 sollen es 60 Prozent sein, bis 2050 sogar 90 Prozent. Bis 2030 sollen die Staaten den Schwerpunkt auf Natura-2000-Gebiete legen. Sobald ein Gebiet wieder in gutem Zustand ist, muss dieser gehalten werden.

Nationale Sanierungspläne sollen einen Überblick über die konkreten Maßnahmen schaffen. Dazu gehören etwa die Pflanzung von drei Milliarden zusätzlichen Bäumen und die Renaturierung von mindestens 25.000 Flusskilometern. Überdies darf die Gesamtfläche der städtischen Grünflächen und der städtischen Baumüberschirmung nicht schrumpfen. Ausnahmeregelungen, die es den EU-Staaten erlauben, die zu schützende Fläche zu verringern, stießen bei Umweltverbänden auf Kritik.

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