„Hello Tractor“: Per App bestellen Bäuerïnnen in 13 afrikanischen Ländern einen Pflug

In vielen Regionen Afrikas sind die Erträge gering. Das Pflügen mit dem Traktor könnte helfen, die Produktivität zu steigern.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
15 Minuten
Ein Traktor auf dem Feld, er zieht eine Staubfahne hinter sich her. Rechts davon eine Frau im roten Rock, offensichtlich die Bäuerin, die die Arbeit des Traktorfahrers beaufsichtigen will.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Serie über nachhaltige Entwicklungsziele und Tech-basierte Lösungen aus Afrika, die wir mit einer afrikanisch-deutschen Community diskutieren.

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Der Traktor steht mitten auf dem Grundstück, blau und glänzend. Von vorne sieht es aus, als sei er fast ebenso hoch wie die beiden mit Wellblech gedeckten Lehmhäuser im Hintergrund. Seit Februar gehört der 75-PS-Koloss Elder Marium. Die Bäuerin bewirtschaftet mit ihrem Mann Sebastian Glay Okoth 1,2 Hektar Land im Westen von Kenia. Die Fläche, auf der das Ehepaar Mais, die Getreideart Sorghum und Sojabohnen anbaut, ist nicht einmal so groß wie zwei Fußballfelder. Die Felder werfen viel zu wenig Gewinn ab, um davon einen Traktor bezahlen zu können, und tatsächlich gehört die Landmaschine Marium noch nicht, sie hat sich dafür verschuldet. Fünf Millionen kenianische Shilling hat die 42-Jährige bezahlt, umgerechnet gut 40.000 Euro. Dafür hat sie auch einen Pflug und einen „Ripper“ bekommen, einen Aufsatz für die pfluglose Bodenbearbeitung des Ackers vor der Aussaat. Das Verfahren ist eine Methode der „nachhaltigen Landwirtschaft“: Es soll die Erosion vermindern, den CO2-Ausstoß reduzieren und die Bodenstruktur erhalten.

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Der Traktor steht in der Bildmitte, rechts und links zwei Menschen, ein Haus im Hintergrund.

„Früher habe ich LKW-Fahrern assistiert. Mit meinem neuen Job verdiene ich viel mehr.“ Frederik Maina, Traktorfahrer.

Elder Mariums Traktor wirkt riesig auf ihrem Grundstück. Frederik Maina schmiert ein paar Schrauben, ehe er gleich zum Pflügen auf das Feld fährt.

Für die Traktorbesitzerin Rosaline Siama ist das Handy ein wichtiges Arbeitsgerät. Sie organisiert darüber die Anfragen ihrer Kundinnen und Kunden, und sie kann immer in Echtzeit verfolgen, wo ihr Traktor gerade unterwegs ist.

Wenn Marium von ihrem Traktor spricht klingt es fast, als rede sie über einen Freund oder jedenfalls ein Lebewesen, das zur Familie stieß. „Since the tractor came“, sagt sie oft, statt „seit ich den Traktor habe“. Für die Finanzierung hat ihr das Startup „Hello Tractor“ einen „pay-as-you-go“- Kredit gewährt. „Ich muss also nur zurückzahlen, wenn der Traktor arbeitet und für mich Geld verdient“, erklärt die Bäuerin das Finanzierungsmodell. Und genau dafür hat sie den Traktor gekauft: damit er für sie Geld verdient. Denn die schwere Maschine ist natürlich nicht davon ausgelastet, dass sie zwei Mal jährlich vor der Regenzeit – in Kenia gibt es zwei, sofern die Klimakrise nicht wieder einmal den jährlichen Rhythmus verändert – Mariums 1,2 Hektar pflügt, um den Boden für die Aussaat vorzubereiten.

Über die App „Hello Tractor“ können andere Bäuerinnen und Bauern Mariums Traktor mieten. Wie viel sie pro Flächeneinheit zahlen, handelt sie jeweils mit ihnen aus. Derzeit verlangt sie meist 3500 Shilling pro Acre (0,4 Hektar), etwa 30 Euro. Abhängig vom Zustand des Bodens fordert sie auch mal mehr oder weniger, denn wenn der Traktor nicht ganz so hart ackern muss, verbraucht er weniger Diesel. Die App ist so etwas wie der Fahrdienstleister Uber für das Feld, ergänzt durch Finanzierungsangebote des Startups für Traktoren.

Bevölkerungsmehrheit lebt auf dem Land

Die Idee dazu hatte Jehiel Oliver, der in den USA ausgebildet wurde. „Auf dem afrikanischen Kontinent lebt die Bevölkerungsmehrheit auf dem Land“, beschreibt er seine Überlegungen. In Nigeria zum Beispiel sind mehr als 70 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft tätig. Trotzdem reichen die erwirtschafteten Nahrungsmittel nicht aus, um die gesamte Bevölkerung damit zu ernähren. Oliver suchte nach Wegen, diese Situation zu verändern.

Das liege vor allem daran, dass die Erntemenge pro Flächeneinheit nicht ausreicht, sagt Christian Borgemeister, einer der Direktoren des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn. „Wenn Sie sich die weltweite Entwicklung der Erträge von wichtigen Kulturpflanzen wie Mais, Weizen oder Reis anschauen, dann sehen Sie eigentlich in allen Regionen dieser Welt so eine Art lineare Steigerung der Erträge. Nur nicht in Afrika“, fasst er das Problem zusammen. Dort, wo die Produktivität in afrikanischen Ländern zunahm, habe das an einer Ausweitung der Anbaufläche auf Kosten von Wäldern und Savannen gelegen und nicht auf einem besseren Ertrag pro Quadratmeter, sagt der Wissenschaftler.

Mechanisierung ein wichtiger Faktor

Oliver möchte dieses zentrale Problem in der afrikanischen Landwirtschaft lösen: das Fehlen an nötigen Maschinen, mit denen die Felder kommerziell bewirtschaftet werden können und so bessere Erträge pro Quadratmeter liefern. In Kenia und vielen anderen Ländern des Kontinents werden Felder noch immer mit Ochsenpflügen beackert, das ist immerhin leichter als Handarbeit. Die Scharen des Ochsenpflugs dringen allerdings nicht so tief in den Boden ein, wie bei der Arbeit mit dem Traktor. Oliver ist sich bewusst, dass Mechanisierung allein die Erträge nicht steigert: „Ein anderer wichtiger Faktor ist beispielsweise die Bodenfruchtbarkeit.“ Aber irgendwo habe er ansetzen wollen, um die Produktivität und die Einkommen auf dem Land zu verbessern.

Gebückt sind zwei Menschen dabei, in einem Feld Unkraut zu jäten.
Wie hier in Kenia ist das Jäten von Unkraut in vielen afrikanischen Ländern noch Handarbeit.
Ein Mann mit zwei Ochsen vor dem Pflug auf dem Feld, von vorne zu sehen.
Wie hier in Somaliland arbeiten Bäuerinnen und Bauern in vielen afrikanischen Ländern noch mit dem Ochsenpflug.
Ein Pflug hinter dem Traktor, der Pflug in der Mitte des Fotos zu sehen.
Ein Scheibenpflug gräbt das Erdreich gründlich um, der Boden ist anschließend aber auch anfälliger für Erosion.

Also gründete Oliver 2015 in Nigeria die App „Hello Tractor“. Er war fasziniert von den Herausforderungen und Möglichkeiten, die das westafrikanische Land mit seinen mehr als 200 Millionen Einwohnern bietet. Mittlerweile wird die App nach Unternehmensangaben in 13 afrikanischen Ländern genutzt. Über sie bieten Bäuerinnen und Bauern ihre Traktoren, Pflüge oder „Ripper“ zur Mitbenutzung an. Rund 3000 Traktoren mit unterschiedlichen Gerätschaften sind auf der Plattform registriert. Allein in Kenia nutzen laut „Hello Tractor“ inzwischen mehr als 40.000 Bäuerinnen und Bauern die App, um ihre Felder beackern zu lassen. „Angesichts des Bedarfs ist das immer noch viel zu wenig“, betont Oliver.

Konkurrenz erwünscht

Wobei die Nachfrage je nach Saison und Monat schwankt, so dass die monatliche Nutzung schwer zu beziffern ist. In jedem Fall kann „ein Unternehmen allein nicht die Lösung bringen“, meint Oliver. Stattdessen wolle sein Team „ein Konzept entwickeln, mit dem Traktorbesitzerïnnen ihre Flotte erfolgreich betreiben und Kleinbäuerïnnen bedienen können“. Die Veränderung, die das Unternehmen erreichen will: Mehr Einkommen für Bäuerïnnen, Traktorbesitzende und Arbeiterïnnen auf dem Land. Sofern sich die Machbarkeit des Konzepts bestätige, würden weitere Banken und andere Finanzinstitute Interesse zeigen und mithelfen, Kapitalengpässe zu lösen. „Wir wollen eine Lösung entwickeln, die andere uns nachmachen können“, betont Oliver. Konkurrenz ist also ausdrücklich erwünscht.

Der Traktor schräg von hinten, die Weitwinkel-Perspektive lässt den Raum weit erscheinen.
Frederik Maina nimmt das Pflügen in Angriff. Einen Acre soll er mit dem Traktor umgraben.

Doch die App ist nicht allen zugänglich, nicht jede und jeder hat ein Smartphone. Länger schon als „Hello Tractor“ gibt es die Vermittlung von Traktoren auf analogem Weg. Elder Marium war dafür Agentin, bevor sie zu dem digitalen Anbieter stieß. „Das war viel aufwändiger als jetzt mit der App“, beschreibt sie. „Ich war lange zu Fuß oder mit einem Motorradtaxi unterwegs, um genug Bäuerïnnen zu finden, damit sich die Anreise für den Traktorvermieter gelohnt hat.“ Trotz des höheren Zeitaufwands habe sie weniger Vermittlungsgebühr bekommen, als später bei der Vermittlung für „Hello Tractor“. Auch für die digitale Plattform sind weiterhin Agentïnnen nötig, weil eben längst nicht alle Bäuerinnen und Bauern ein Smartphone haben.

Den Bedarf bündeln

Vor allem aber lohnt sich das Geschäftsmodell für die Traktorbesitzerïnnen nur, wenn sie an einem Ort eine größere Fläche an Feldern zu bearbeiten haben. „Niemand würde 100 Kilometer mit dem Traktor anreisen, um einen halben Hektar zu pflügen“, erklärt Oliver das Problem. Aber in Kenia sind fast alle landwirtschaftlich genutzten Flächen klein, verglichen zum Beispiel mit den Feldern in Deutschland, wo die durchschnittliche Größe der Felder 2021 bei 64 Hektar lag, in Mecklenburg-Vorpommern sogar bei 280 Hektar. „98 Prozent unserer Kundinnen und Kunden bestellen weniger als zwei Hektar”, sagt Oliver. Die App will genau da mit einer Lösung ansetzen: „Die Buchungsagenten bündeln den Bedarf und stellen sicher, dass es für den Traktor genug Arbeit gibt, wenn er kommt.“ Nach ein paar Tagen Arbeit geht es zum nächsten „Cluster“ weiter. Weil Kenia verschiedene Klimazonen hat, ist die Nachfrage nicht nach wenigen Wochen landesweit abrupt zu Ende, sondern zeitlich etwas gestaffelt. Trotzdem gibt es Hoch- und Nebensaison: Kurz vor den Regenzeiten werden die Traktoren viel gebucht, dazwischen wird es ruhiger. Sehr kleine und sehr abgelegenen Flächen bleiben allerdings trotzdem für die Mechanisierung unerreichbar, räumt Oliver ein.

Für das Pflügen zahlen die Bäuerinnen und Bauern den Traktorbesitzerïnnen pro Flächeneinheit eine bestimmte Summe. Fünf Prozent davon bekommt „Hello Tractor“ für die Vermittlung. Fünf Prozent bekommt die Buchungsagentïn, sofern eine eingeschaltet war. Und falls der Traktor über einen Kredit finanziert wurde, fließen laut Marium 800 Shilling pro Acre in die Tilgung des Kredits. Rund 85 bis 90 Prozent bleiben der Traktorbesitzerin oder dem Besitzer. „Davon muss ich den Diesel bezahlen, den Fahrer des Traktors und etwas für Wartung oder Reparaturen zurücklegen“, erklärt Marium. Die meisten Traktorbesitzerïnnen fahren ihre Maschine nicht selbst, sondern beschäftigen einen „Operator“. Marium hat zwei Traktorfahrer, einer von ihnen ist Frederik Maina. Maina hat vor Jahren eine Ausbildung zum Landmaschinen-Techniker gemacht, andere „Operator“ haben Kfz-Mechaniker gelernt oder wenigstens in kurzen Weiterbildungen Grundkenntnisse in der Wartung von Traktoren, der Technik des Pflügens und ähnlichem erworben. Marium bezahlt ihm 300 Shilling pro Acre, umgerechnet 2,50 Euro.

Ob der Traktor gearbeitet hat oder nutzlos neben dem Haus stand, ist für alle Beteiligten transparent: In jede Maschine wurde ein Gerät mit GPS-Sender eingebaut, so dass der genaue Standort des Fahrzeugs verfolgt werden kann. Sogar der Stand der Tankfüllung und der Verbrauch lassen sich damit überwachen. Der Einbau des Geräts kostet umgerechnet 80 Euro, hinzu kommt eine Jahresgebühr für dessen Nutzung.

Gewinn schwankt monatlich

Marium strahlt als Antwort auf die Frage, ob sich die Anschaffung des Traktors für sie gelohnt habe. Im ersten Monat habe sie 60.000 kenianische Shilling Profit gemacht, umgerechnet rund 500 Euro. Auf einen Schlag konnte sie das Wellblechdach für das Haus bezahlen, dass sie auf dem Grundstück für ihren ältesten Sohn baut, der geistig beeinträchtigt ist und keine Arbeit hat. Aber seitdem ist das Geschäft für sie nie wieder derart gut gelaufen: Der Traktor kam im Februar, im selben Monat, im dem der Krieg in der Ukraine begann. Seitdem sind die Dieselpreise auch in Kenia drastisch gestiegen, zwischenzeitlich um 20 Prozent, weitere Steigungen stehen an.

Eine Frau Anfang 60, in einem farbenfrohen grünen Kleid, im Sonnenlicht vor einer Hecke. Halbporträt
Eine Frau im Porträt, sie trägt ein buntes Kleid, lacht.
Ein Porträt von Elder Marium, die freundlich und offen in die Kamera schaut.
Ein Mann Anfang 40, mit strahlendem Lachen.
Ein junger Mann, der in die Kamera lacht.

„Seit drei Jahren lasse ich meine Felder mit dem “Ripper” bearbeiten. Ich glaube an die nachhaltige Landwirtschaft.” Genevive Mambo, Bäuerin

„Die Nachfrage ist so groß, dass ich sie mit einem Traktor nicht bedienen kann.” Rosaline Siama, Traktorbesitzerin

„So viel Geld hatte ich vorher noch nie in den Händen.” Marium Elder, Traktorbesitzerin

„Wenn Du etwas gegen Armut tun willst, musst Du auf dem Land anfangen.” Jehiel Oliver, Gründer von “Hello Tractor”

„Früher habe ich LKW-Fahrer begleitet und sie unterstützt. Jetzt verdiene ich deutlich mehr.“ Frederik Maina, Traktorfahrer

Marium hat den Preis pro Flächeneinheit so weit erhöht, wie sie den Bäuerinnen und Bauern gerade noch zumuten kann. Während die Betriebskosten stiegen, ging außerdem die Nachfrage zurück, denn die theoretisch ergiebige Regenzeit im Frühjahr fiel in diesem Jahr spärlich aus. Und die zweite Regenzeit des Jahres ließ länger als üblich auf sich warten. „Im September habe ich überhaupt keinen Profit gemacht“, sagt die Unternehmerin. Trotzdem macht sie sich nicht übermäßige Sorgen, nicht einmal angesichts der immer noch knapp 40.000 Euro, die sie an Kredit zu tilgen hat. Denn die monatliche Tilgungsrate hängt davon ab, was der Traktor faktisch erwirtschaftet hat. Bei schlechter Auftragslage sind die Raten entsprechend gering, und wenn der Traktor eine Weile lang nur herumsteht, ist die Tilgung automatisch ausgesetzt. Andere Traktorbesitzerïnnen bestätigen, ihr Einkommen sei ebenfalls gestiegen, schwanke allerdings mit der Saison. Rosaline Siama ist sogar so begeistert, dass sie möglichst bald einen zweiten Traktor kaufen will.

Mehr Einkommen für Traktorfahrer

Auch Frederik Maina, Elder Mariums „Operator“, ist zufrieden. Er arbeitet erst seit September für Marium, als Vertretung eines anderen Fahrers, der derzeit seine Familie im Zentrum Kenias besucht. Maina sagt, er habe in einem Monat 10.000 Shilling verdient. Das sei doppelt so viel, wie sein früheres Einkommen als Assistent von LKW-Fahrern. Für Robert Okwara, den „Operator“ von Rosaline Siama, ist der Verdienstunterschied zu früher sogar noch größer. Auch bei ihm schwankt das Einkommen je nach Monat stark. Im September, für ihn ein besonders guter Monat, habe er 37.000 Shilling verdient, umgerechnet rund 310 Euro. Und das in nur zwei Wochen, denn in den beiden anderen Septemberwochen machte er eine Fortbildung bei „Hello Tractor“, für die er nichts bezahlen musste. Okware hat schon vor einigen Jahren einen Kurs zum Traktormechaniker und -fahrer gemacht und arbeitete dann als Saison-Traktorfahrer für die kenianische Regierung. Dort habe er 12.000 Shilling im Monat verdient, „aber nur in zwei oder drei Monaten im Jahr“.

Der Traktor von der Seite. Das Feld ist immer noch ziemlich grün, selbst da, wo der Ripper schon im Einsatz war.
Der so genannte Ripper im Einsatz. Im Vergleich zum Pflug zerstört er die Bodenstruktur viel weniger.

Von der Mechanisierung grundsätzlich angetan ist auch die Bäuerin Genevive Mambo. Die 67-Jährige war Lehrerin, seit sie im Ruhestand ist, betreibt sie die Landwirtschaft intensiv. Auf ihren 1,6 Hektar baut sie eine Vielzahl von Feldfrüchten an: „Mais, Sojabohnen, manchmal Reis, Kassava, Hirse, Sorghum, Erdnüsse und Gemüse.“ Durch den Einsatz des Traktors habe sich der Ertrag beim Mais deutlich gesteigert, sagt Mambo: „Wenn ich einen Ochsenpflug gemietet habe, habe ich fünf bis sechs Säcke pro Acre (0,4 Hektar) geerntet“, rechnet sie vor. „Nach dem Pflügen mit dem Traktor waren es mindestens 16.” Ähnlich äußern sich andere Bäuerinnen und Bauern: Die Ernte habe sich dank des effektiveren Pflügens mit dem Traktor deutlich verbessert, die meisten sprechen von einer Verdoppelung. Und die Kosten seien sogar gesunken. Die Erfahrung von Mambo, einer von Mariums Kundïnnen, steht für viele andere: Während die Arbeiter mit dem Ochsenpflug drei Tage für einen Acre beschäftigt waren, erledigt der Traktor die gleiche Fläche in 45 Minuten. Für das anstrengende Pflügen mit Ochsen musste sie mehrere Arbeiter drei Tage lang beschäftigen, also auch bekochen und bezahlen. Das sei deutlich teurer gewesen als die 3500 Shilling pro Acre für die Feldarbeit mit der Maschine.

Weniger Jobs für Tagelöhnerïnnen

Die Kehrseite des Traktoreinsatzes, der sich für die Bäuerin, den Traktorfahrer und die Besitzerin offenbar rechnet: Die landwirtschaftlichen Tagelöhner in der Gegend haben nun weniger Arbeit. Für sie ist es von daher ein Segen, dass in Kenia noch nicht der ganze Produktionszyklus durchmechanisiert ist: für das Pflanzen, Unkraut jäten und Ernten beschäftigen Mambo und die anderen Bäuerïnnen der Region immer noch Arbeitskräfte. Auch Marium hat früher auf Mambos Feldern Geld verdient, da die eigenen Felder nicht reichten, um genug für die Familie zu erwirtschaften. Jetzt ist die Ältere Mariums Kundin.

Wie nachhaltig sich die Einkommenslage verbessert, liegt allerdings nicht nur am Stand der Mechanisierung. Die Klimakrise macht die Pflanzzyklen unberechenbar, Überschwemmungen und Dürren führen zu Ernteausfällen. Derzeit ist die Lage besonders schwierig, denn die Preissteigerungen auch infolge des Kriegs in der Ukraine kommen hinzu. Nicht nur Diesel ist teurer geworden, sondern auch Dünger. In der letzten Saison habe sie für 50 Kilo 2500 Shilling bezahlt, erzählt Mambo. „Jetzt kostet die gleiche Menge 6800“ – eine Steigerung um 172 Prozent. Mambo hat daraufhin nur die Hälfte ihrer Felder bearbeitet, einen Teil davon mit organischem Dünger. Durch die verringerte Fläche erntete sie nun wieder nur so viel, wie vor dem Einsatz des Traktors. Trotzdem leidet sie keine Not: Bisher hat sie mehr geerntet als sie brauchte und den Überschuss Verwandten gegeben, die selber in einer trockeneren Gegend leben und selbst kaum etwas ernten. Für die allerdings wird es nun knapp.

Kein Königsweg, aber ein Weg

Ob die Mechanisierung der Königsweg zur Steigerung des Lebensstandards auf dem Land ist, beurteilt Francisco Marí trotz allem zurückhaltend. Marí ist Referent für Ernährung und Agrarhandel beim Hilfswerk Brot für die Welt. Die Berichte von Marium, Maina, Mambo und den anderen klängen durchaus positiv, meint er abwägend. „Aber langfristig müssen wir weg von den energieintensiven Betriebsmitteln in der Landwirtschaft.“ „Hello Tractor“ ist sich des Problems bewusst. „Wir verhandeln bereits mit Anbietern von Elektro-Traktoren“, sagt Kenneth Chege von dem Startup. „Aber noch sind diese Traktoren für unsere Kundïnnen viel zu teuer.“ Hinzu kommt das Problem häufiger Stromausfälle, das verlässliche Nachladen dürfte derzeit noch schwierig sein. Aber immerhin ist erkannt, dass nächste Schritte nötig sind.

Ihm sei es außerdem wichtig, die umweltschonendere „conservation agriculture“ weiter zu verbreiten, sagt App-Gründer Oliver. Denn die Bodenstruktur wird weniger gestört, die Mikroorganismen bleiben erhalten, die Gefahr von Erosion ist geringer. Andererseits ist Unkraut ein massiveres Problem. „Wir werben dafür, aber noch verlangen die meisten unserer Kundinnen nach dem klassischen Pflug.“ Das sei nicht die ideale Lösung, sagt er. „Aber nichts zu tun ist auch nicht ideal. Wir müssen versuchen einen Weg zu finden, bei dem man die Auswirkungen auf die Umwelt möglichst gering hält und gleichzeitig genug Kalorien erzeugt, um zumindest einige der Ernährungsprobleme in unserer Region auf möglichst verantwortungsvolle Weise zu lösen.“

Weitere Fragen aus der Community:

Das Projekt wurde gefördert von dem European Journalism Center, durch das Programm Solutions Journalism Accelerator. Dieser Fonds wird unterstützt von der Bill und Melinda Gates Foundation.

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