Corona in Afrika: „Wir müssen unsere eigenen Strategien entwickeln“

Die kongolesische Mikrobiologin Francine Ntoumi fordert mehr Investitionen in die afrikanische Wissenschaft

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
7 Minuten
Eine Frau sitzt in einem Labor, vor Laborgeräten, im weißen Kittel. Sie guckt ernst, aber nicht unfreundlich in die Kamera.

Eigentlich ist Malaria das Spezialgebiet der kongolesischen Mikrobiologin Francine Ntoumi, die 1961 in der kongolesischen Hauptstadt Brazzaville geboren wurde. Aber mit Beginn der Corona-Pandemie hat sie viel zu SARS-CoV 2 geforscht. Nicht zuletzt, weil es im Kongo nur zwei mikrobiologische Labore gibt. Eins davon hat Ntoumi gegründet, als sie nach vielen Forschungsjahren in Europa, darunter an der Universität Tübingen, 2008 in die Republik Kongo zurückkehrte. Sie treibt die Frage um, warum der Verlauf der Corona-Pandemie in afrikanischen Ländern so andersverlief, als in Europa. Und – zum Glück – auch viel weniger tödlich, als befürchtet worden war. In der Republik Kongo wurden bis Mitte dieser Woche offiziell etwas mehr als 24.000 Infektion mit SARS-CoV 2 infiziert, und knapp 380 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus.

Sie haben lange in Europa geforscht, auch in Deutschland. Warum sind Sie 2008 in die Republik Kongo zurückgekehrt?

Weil ich meinen Platz in Brazzaville sehe, um hier Kongolesïnnen auszubilden. In Deutschland gibt es viele exzellente Wissenschaftler, dort wird mein Beitrag nicht so nötig gebraucht. Im Kongo dagegen gibt es zu wenige Wissenschaftlerïnnen, und das gilt besonders für mein Fachgebiet, die Molekularbiologie. Ich habe mich dafür verantwortlich gefühlt, dass weitere Wissenschaftlerïnnen ausgebildet werden.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Corona-Pandemie sie nochmal darin bestätigt hat, wie richtig Ihre Entscheidung war?

Auf jeden Fall. Als ich in den Kongo zurückkam, gab es an der einzigen öffentlichen Universität im Kongo kein molekularbiologisches Labor. Mit Hilfe der Gelder, die ich von der Europäischen Union und anderen Stellen bekommen habe, konnte ich das mikrobiologische Labor der Universität Marien Ngouabi gründen. Dank dieses Labors können wir das Land heute bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 unterstützen, denn nur das zentrale staatliche Labor und mein eigenes waren in der Lage, eine SARS-CoV-2 Infektion mit Hilfe eines PCR-Tests zu diagnostizieren. Meine Regierung hat durch die Krise endlich etwas besser verstanden, wie wichtig die Molekularbiologie ist.

Als die Corona-Pandemie begann, machten in westlichen Ländern düstere Prognosen in die Runde, was geschehen würde, wenn das neuartige Corona-Virus Afrika erreicht: Es würde dort innerhalb eines Jahres 70 Millionen Infizierte geben und drei Millionen Tote. Wie ging es Ihnen damals?

Ich muss gestehen, dass ich Angst hatte, wie alle anderen auch. Mir war schnell klar, dass es noch wichtiger sein würde, eigene Kapazitäten aufzubauen und Fachwissen vor Ort zu haben. Dass wir mehr denn je eine gewisse Unabhängigkeit auch in der Wissenschaft und in Bezug auf die Infrastruktur brauchen. Aber dann kamen die Grenzschließungen, niemand konnte reisen und wir mussten uns wirklich auf unsere eigenen Kräfte verlassen. Ich war wirklich davon überzeugt, dass viele von uns sterben werden. Ich wusste ja, dass wir nicht genug Beatmungsgeräte hatten und ähnliches. Ich dachte: Jetzt wird es hart. Aber wir haben das große Glück gehabt, dass die Pandemie bei uns ganz anders verlaufen ist, als beispielsweise in den USA. Die Sterblichkeit bei uns war viel geringer. Unser Gesundheitssystem ist schwach, es war so schon überfordert. Nicht daran zu denke wie es gewesen wäre, wäre die Pandemie hier ähnlich verlaufen, wie beispielsweise in den USA.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Zum Teil liegt es sicher an der relativ jungen Bevölkerung. Vielleicht auch daran, dass wir so vielen Viren ausgesetzt sind, es könnte sein, dass unser Immunsystem deshalb besser auf SARS CoV-2 reagieren konnte.

Francine Ntoumi, eine Frau Anfang 60, blickt lächelnd in die Kamera. Sie ist in ihrem Labor, trägt einen weißen Kittel.
Die kongolesische Mikrobiologin Francine Ntoumi hat lange in Europa geforscht, auch in Tübingen. Dann ging sie zurück, um Nachwuchswissenschaftlerïnnen auszubilden.