Klimakatastrophe in Amazonien: Vor den Menschen sterben die Delfine

Die Ozeanografin Miriam Marmontel aus Brasilien erklärt, warum kerngesunde Amazonas-Flussdelfine an der Lagune Tefè massenweise sterben und warum uns das jetzt zum Handeln zwingt.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
10 Minuten
Luftaufnahme von einem toten Flussdelfin, der von Aasgeiern gefressen wird

Seit dem 23. September treiben ihre aufgedunsenen Kadaver auf der Lagune von Tefé 522 Kilometer Luftlinie von Manaus entfernt. Die Lagune hat sich in einen braunen, schlammigen See verwandelt. Die gnadenlose Hitze hat den Wasserspiegel auf ein Minimum sinken und die Wassertemperaturen auf 40 Grad steigen lassen. Am 28. September erreichte das Delfinsterben seinen bisherigen Höhepunkt: Allein an diesem Tag fischten Forscherïnnen 70 tote Tiere aus dem Wasser. Mittlerweile ist ihre Zahl auf 153 angestiegen.

Miriam Marmontel, Ozeanografin am Instituto Mamirauá mit Sitz in der Stadt Tefé, studiert Amazoniens Flussdelfine seit 30 Jahren: den Rosa Flussdelfin oder Amazonasdelfin (inia geoffrensis), bekannt als Botô und die kleineren Amazonas-Sotalia (sotalia fluviatilis), bekannt auch als Tucuxi. Noch vor zwei Jahrzehnten gab es etwa 2.500 Rosa Delfine. Dieses Jahr schätzen die Forscher den Bestand ihres Forschungsgebiets auf nur noch 900 Botôs, die Tucuxis kamen auf 500. Davon starben in der Hitzewelle 130 Botôs und 23 Tucuxis – das sind 11 Prozent des Bestands.

Im Gespräch mit RiffReporter erklärt Miriam Marmontel, was die Katastrophe auslöste und weshalb wir alle besorgt sein müssen.

Freundlich lächelnde Frau mit grün-blauem Stirnband vor einem verschwommenen Regenwald
Die Ozeanografin Miriam Marmontel arbeitet am Instituto Mamirauá in Tefé, im westlichen brasilianischen Amazonasgebiet. Sie forscht auf dem Gebiet der aquatischen Säugetiere und des Naturschutzes.
ForscherInnen untersuchen und vermessen einen rosa Flussdelfin, der verendet ist.
Am 28. September allein starben 70 Amazonas Flussdelfine aufgrund der großen Hitze. Insgesamt ist ihre Zahl auf 153 angestiegen.
Fünf Männer auf einem Boot grenzen ein Gebiet der Lagune mit Baumstecken ab
Mitarbeiter des Instituto Mamirauá sperren die Risikobereiche am Lago Tefé ab, an denen sich das Wasser bis zu 40 Grad Celsius erhizt.
In weiße Schutzanzüge gehüllte Forscherinnen und Forscher vermessen und sezieren die toten Flussdelfine
Seit fast einem Monat ist das Team zur Rettung der Delfine im Dauereinsatz. Momentan hat sich die Situation stabilisiert.
Luftaufnahme des Ufers der Tefè-Lagune mit braunem, verschlammten Wasser
Der Klimawandel und das Wetterphänomen El Niño haben den Pegel de Lagune Tefé auf Rekordtiefe sinken lassen. Er hat seinen Tiefststand noch nicht erreicht.
Vier in weiße Schutzanzüge gehüllte Forscher und Forscherinnen sezieren einen Delfin in einem Unterstand direkt am Ufer des Flusses
Das Massensterben der amazonischen Flussdelfine ist ein Warnsignal für die Welt, sagt die Ozeanographin Miriam Marmontel vom Mamirauá-Institut.
Luftbild von einem im Schlamm stecken gebliebenen Boot
In Amazonien leben rund 33 Millionen Menschen, mindestens zwei Drittel davon in Städten. Das Delfinsterben zeigt die Umweltkrise in Amazonien.