„Da bist du ja!“

Gemeinsam Radfahren stresst manche Paare. Dabei geht es auch anders. Eine Kolumne von Andrea Reidl

3 Minuten
Ein Radfahrer fährt in einem Park bei Gegenlicht.

Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft

Radfahren mit dem Partner oder der Partnerin ist so eine Sache. Eigentlich will man nur entspannt zum Brunch, zu Freunden oder zum Baggersee radeln, aber nach kurzer Zeit ist die Stimmung im Eimer. Das Problem ist: Entspannt Radfahren definiert jeder anders.

Ich habe jahrelang nur das Hinterteil meines Liebsten beim Radfahren gesehen – unabhängig davon, ob wir zur Uni fuhren oder ein paar Stunden im Sattel saßen. Das machte mich lange Zeit wahnsinnig. Heute weiß ich: Er kann gar nicht anders.

Bis ich meinen jetzigen Mann traf, hielt ich mich eigentlich für eine ganz passable Radfahrerin. In der Zeit wohnte ich in Köln, erledigte all meine Alltagswege per Bike und konnte auf Wochenendradtouren in der Eifel mit Freunden gut mithalten. Zugegeben, ich war nie sonderlich ehrgeizig, ich fuhr einfach gerne Fahrrad, oft auch den ganzen Tag. Mein Liebster dagegen mochte steile Bergrücken, legte doppelt so weite Strecken im Sattel zurück wie ich und lief zudem noch Marathon.

Unsere ersten Ausfahrten waren entspannt. Wir fuhren nebeneinander her und redeten. Aber schnell war Schluss mit lustig im Sattel. Kaum waren die Muskeln warm, wurde er immer schneller und der Abstand zu mir immer größer. Anfangs versuchte ich noch aufzuschließen, was mir an guten Tagen manchmal sogar gelang. Sobald ich dann außer Atem und mit hochrotem Kopf neben ihm auftauchte, blickte er mich begeistert an, sagte: „Da bist du ja!“, trat kräftig in die Pedale und war schwupp: weg.

Allerdings hätte ich selbst super fit kaum Chancen gehabt, mit ihm gleichzuziehen. Mein Mountainbike für die Stadt war solide, schwer und eher Mittelklasse. An seinem schlanken Randonneur mit Rennlenker waren feinste Felgen, leichte Mäntel und eine deluxe Schaltung verbaut. Ich hatte also ein Schulpferd und er ein Rennpferd. So konnte ich nur verlieren.

Dass man jedoch auch trotz großer Leistungsunterschiede Spaß an gemeinsamen Ausfahrten haben kann, weiß ich, seit ich Walter kenne. Der Mann spult jedes Jahr rund 20.000 Kilometer im Sattel ab und ist trotzdem mit fast jedem Partner tiefenentspannt unterwegs. Seine Taktik ist simpel: Um den Leistungsunterschied nach unten auszugleichen, fährt er ein Rad, das ihn mehr fordert; beispielsweise ein Singlespeed also ein Rad mit einem Gang.

Seitdem ich das weiß, fährt mein Liebster nicht mehr sein schickes Rennrad, sondern eine seiner älteren Gurken auf unseren Touren. Alternativ kann er zuvor auch 15 Kilometer Laufen gehen. Dann ist er etwas müde gespielt und wir können uns beim Fahren unterhalten.

Diese Methode funktioniert übrigens auch, wenn man mit kleinen Kindern unterwegs ist. Diese Zeit, in der man selbst das Tempo beim Radfahren mit den Knirpsen vorgibt, sollte man übrigens genießen. Mit jedem Lebensjahr wächst ihr Vergnügen, ihre Eltern zu überrunden. Mehr noch: Es wird für sie regelrecht zum Sport. Wenn unser 17-jähriger Sohn los sprintet, komme ich schon lange nicht mehr mit. Seit kurzem schwächelt auch mein Mann. Noch lässt er nicht abreißen, sondern jagt ihm entschlossen hinterher. Bald wird es aber so weit sein. Wenn er dann aufgeschlossen hat, tritt unser Sohn kräftiger in die Pedale, grinst ihn nur an, grinst, sagt nichts, sondern ist schwupp: weg.

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