Will die CDU mehr Radverkehr in Berlin? Ex-Fahrradaktivist glaubt fest daran

Heinrich Strößenreuther war lange Zeit Deutschlands bekanntester Fahrradaktivist. Vor zwei Jahren ist er der Berliner CDU beigetreten. Jetzt ist er überzeugt: Die CDU wird beim Ausbau des Radverkehrs in der Hauptstadt besser performen als die rot-grüne Regierung

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
8 Minuten
Der Mann lehnt an einer Hauswand

Am Ausbau des Radverkehrs kommt keine Partei mehr vorbei. In Berlin will die neu gewählte CDU-Regierung allerdings neue Maßstäbe beim Bau von Radwegen anlegen. Das erklärte Ziel des Regierenden Bürgermeisters und seiner Verkehrssenatorin Manja Schreiner (beide CDU) ist, möglichst keine Parkplätze abzubauen. Außerdem wurden im Juni sämtliche Radinfrastrukturprojekte auf Eis gelegt. Sie sollen laut Senatsbehörde geprüft werden. Die Fahrradwirtschaft, Fahrradaktivisten und Alltagsradfahrerinnen reagierten prompt mit offenen Briefen und Demonstrationen. Mit über zehntausend Teilnehmerïnnen gingen sie am Wochenende in Berlin auf die Straße – für einen schnellen Ausbau der Radinfrastruktur in der Hauptstadt und für mehr Sicherheit für alle Radfahrenden auf Berlins Straßen. Zwischen diesen Fronten und immer mal wieder auch mittendrin ist Heinrich Strößenreuther. Der Umweltaktivist, Unternehmensberater und Autor war vor wenigen Jahren Deutschlands bekanntester Fahrradaktivist. 2021 ist er in die CDU eingetreten und hat die Klimaunion mitgegründet. Sein Ziel war es, der Partei ein klares klimapolitisches Profil zu geben und eine bessere Klimapolitik durchzusetzen.

Busy Streets: Herr Strößenreuther, was ist los in Berlin und vor allem mit Ihnen? Ist der Ausbau des Radverkehrs für Sie und Ihre Parteikollegïnnen kein Thema mehr?

Heinrich Strößenreuther: Ganz im Gegenteil, der Ausbau der Radinfrastruktur ist für mich in Berlin und bundesweit weiterhin wichtig. In Berlin habe ich erst kürzlich mit den beiden Staatssekretärinnen Claudia Elif Stutz und Britta Behrendt über Klimaschutz und Radverkehr gesprochen. Sie sind beide Ganzjahresradfahrerinnen und aus den Gesprächen mit ihnen und der Verkehrssenatorin Manja Schreiner habe ich bislang nicht herausgehört, dass sie den Radwegebau ausbremsen oder gar stoppen wollen. Sie wollen in den kommenden Wochen die anstehenden Projekte prüfen, die Standards und die Prioritäten – eine Aufgabe, die jede gute Managerin erst einmal vor sich hat.

Busy Streets: Aber momentan liegen die Projekte auf Eis. In Berlin-Reinickendorf wurden auf einem neuen Radweg die Fahrrad-Piktogramme überklebt und die Radspur für den Autoverkehr freigegeben.

Heinrich Strößenreuther: Soweit ich weiß, hat dass die Verkehrsstadträtin des Bezirks, Julia Schrod-Thiel, angeordnet und nicht Manja Schreiner. Ich kann nur von meinen Gesprächen mit der Senatorin und den beiden Staatssekretärinnen berichten und ich habe ein anderes Bild, als es die Medien darstellen. Außerdem muss man jeder Partei nach einer gewonnenen Wahl eine gewisse Zeit lassen, sich erst einmal im Haus zu orientieren, die Fakten zu checken und zu prüfen, welche Planungen beschleunigt werden sollen. Das sind Managementaufgaben. Das haben wir als „Changing Cities“ (Anm. d. Red.: Berliner Verein, der sich für lebenswerte Städte einsetzt) dem rot-grünen Senat 2016 auch zugestanden, und zwar noch viel umfangreicher.

Busy Streets: Als Fahrradaktivist bei Changing Cities waren Sie nicht so handzahm. Bei derartigen Nachrichten aus der Senatsverwaltung hätten Sie innerhalb weniger Stunden eine Demonstration organisiert.

Heinrich Strößenreuther: Das stimmt. Ich hätte sofort das Kriegsbeil herausgeholt (lacht), wie zum Beispiel mit der Wut-Radler-Demo gegen die SPD. Aber ich habe aktuell aus meinen Gesprächen nur diesen Eindruck: Die Türen für den Ausbau des Radverkehrs stehen bei der CDU mehr als offen.

Busy Streets: Aber wie passen Ihre Annahme mit Kai Wegners Wahlkampf und seinem jüngsten Interview im Spiegel zusammen? Seine Aussage: „Ich will keine Radwege, mit denen man Autos mutwillig ausbremst“, ist eine klare Botschaft, oder?

Heinrich Strößenreuther: Es ist nicht so holzschnittartig, wie es klingt. Auch in den Außenbezirken, wo er lebt, gibt es viele Menschen, die Fahrrad fahren. Das weiß Kai Wegner. Man muss auch dort Radwege bauen, aber man könnte dort mit anderen Standards arbeiten als in den Innenstadtbezirken.

Menschen sitzen auf der Straße, einer von ihnen hat ein Megafon in der Hand
Heinrich Strössenreuther mit Megafon bei einer Protestaktion des Volksentscheid Fahrrad
Zwei Radfahrer fahren in die Spree
Aus Protest gegen die Senatsverwaltung fährt Heinrich Strößenreuther (rechts) 2016 mit einem anderen Aktivisten des Volksentscheid Fahrrad in die Spree