- RiffReporter /
- Gesellschaft /
Deutschland hat ein Adipositas-Problem: Warum Junkfood-Werbung für Kinder verboten werden muss
Kommentar zum Internationalen Kindertag: Deutschland, du hast ein dickes Problem!
Kinder und Jugendliche werden immer dicker – und kränker. Es ist Zeit, die Reißleine zu ziehen und Junkfood-Werbung zu verbieten. Ein Kommentar.

Deutschland, wir müssen reden. Es geht nicht nur um ein bisschen Übergewicht, sondern um grassierende Fettleibigkeit bei Kindern – und in der Folge um Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber, Schlaganfälle, Krebs und vorzeitigen Tod. Es geht um unser Gesundheitssystem, das unter der Last falscher Ernährung ächzt.
Doch es geht auch anders. Norwegen drückt die Stopp-Taste und verbietet an Kinder gerichtete Werbung für zuckerhaltige Getränke, salzige Snacks und Fast Food. Seit Ende April darf dafür weder in Fernsehen, Printmedien, Online und Schulen geworben werden. Gut so.
Adipositas ist eine chronische Krankheit
Der Grund? Der weltweite Trend zu vermehrter Adipositas ist auch in Norwegen zu spüren, wo eines von fünf Kindern übergewichtig oder fettleibig ist.
Deutschland, wir wissen um die Fakten. Auch hierzulande sind etwa 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen von Übergewicht oder Adipositas betroffen, davon sind etwa 6 Prozent fettleibig. Insgesamt schleppen also rund 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche XXL-Kilos mit sich herum. Die Daten beziehen sich auf die Jahre 2014 bis 2017. Untersuchungen während und nach der Corona-Pandemie lassen noch höhere Zahlen vermuten.
Ein Skandal mit Ansage
Deutschland, wach auf! Nestlé, McDonald’s & Co. feuern ihre grellen Spots auf Social-Media-Kanälen, im Fernsehen, Internet und Radio.
Tag für Tag werden Kinder systematisch manipuliert. Comicfiguren auf Cornflakes-Packungen, Wurst in Bärchenform, YouTube-Influencer, die Energy-Drinks als Lifestyle verkaufen - das ist Gehirnwäsche in Dauerschleife, die krank macht. Wenn Heranwachsende mehr Süßwaren-Markenlogos als Gemüsesorten erkennen, läuft etwas gewaltig schief.
Kein Wunder: 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in den Medien wahrnehmen, sind für Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Wer glaubt, mehr Medienkompetenz könne das ausgleichen, lebt in einer Blase. Heranwachsende sind besonders beeinflussbar. Kinder, insbesondere im Vorschul- und Grundschulalter, können Werbung noch nicht vollständig als solche erkennen oder kritisch reflektieren. Ihnen fehlt die kognitive Reife, um manipulative Werbestrategien zu durchschauen.
Lasst die Familien nicht allein!
Adipositas ist seit 2020 in Deutschland chronische Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung anerkannt. Umso wichtiger, Kinder, Jugendliche und Familien nicht damit allein zu lassen. In Deutschland passiert das nicht; das Junkfood-Werbeverbot des früheren Ernährungsministers Cem Özdemir scheiterte. Werbe- und Lebensmittelindustrie und auch die FDP bekämpften es mit voller Kraft.
Und die aktuelle Regierung? Tut nichts, um Kinder vor ungesunder Ernährung zu schützen. Es fehlt an allem, was nachweislich hilft. Weder will der Gesetzgeber Junkfood-Werbung für Kinder beschränken noch eine Limo-Steuer einführen oder sich für ein kostenloses, gesundes Mittagessen für alle Kinder in Schule und Kita einsetzen.
Lobbylügen von der „Verantwortung der Eltern“
Deutschland, lass dich nicht verschaukeln. Perfide ist es, wenn Lobbyisten und Politiker:innen auf noch mehr Ernährungsbildung in Kitas, Schulen und zuhause drängen. Als ob es die nicht schon seit Jahrzehnten gäbe! Dass sie nicht funktioniert, wissen wir.
Etliche Studien zeigen, dass sich das Gehirn durch den regelmäßigen Konsum von stark fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln verändert - wir wollen mehr davon. Das ist fatal. Wir können uns kaum gegen dieses erlernte Verlangen wehren. Das Kaufen von Kinder-Junkfood auf „Verantwortung der Eltern“ zu schieben ist frech angesichts millionenschwerer Kampagnen, die bewusst auf Belohnungssysteme im Gehirn zielen.
Kinderschutz darf nicht da enden, wo Profit beginnt
Es braucht Regeln vom Gesetzgeber – und zwar jetzt! Denn miese, krankmachende Ernährung ist nicht die einzige Last, wie wir unseren Kindern aufschultern. Mit der Klimakrise ergibt sich eine doppelte Belastung für die Heranwachsenden: Übergewichtige Kinder sind noch empfindlicher bei Hitze und können ihre Körpertemperatur schlechter als normalgewichtige regulieren. Kinderschutz darf nicht da enden, wo Profit beginnt.
Und die Politik? Lässt sich vertrösten. Aber freiwillige „Selbstverpflichtungen“ haben noch nie funktioniert. Norwegen hat genau das erkannt - und Junkfood-Werbung verboten.
Deutschland, uns allen ist klar, dass wir auf ein Fiasko zusteuern – auf Kosten unserer jüngsten Generation. Dabei sind Kinder die Zukunft unserer Gesellschaft. Der Staat darf nicht länger die Augen vor krankmachenden Produkten verschließen. Jetzt ist Mut zur Verantwortung gefragt: für verbindliche Gesetze, die Kinder schützen.