Hormonspirale oder Kupferspirale? Warum gute Entscheidungen bei der Verhütung oft so schwierig sind

Beim Thema Verhütung sind vollständige und ausgewogene Informationen nicht leicht zu finden. Und neutrale Beratung in Arztpraxen ist nicht selbstverständlich.

vom Recherche-Kollektiv Plan G:
4 Minuten
Eine Frau vor einem rosa Hintergrund betrachtet nachdenklich verschiedene Verhütungsmittel.

Mehr Informationen zum Projekt „Plan G: Gesundheit verstehen“ finden Sie auf der Spezialseite Besser entscheiden in Sachen Gesundheit.

Hormon- und Kupferspiralen unterscheiden sich bei der Verhütungssicherheit nur wenig, allerdings etwas bei den Nebenwirkungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studienauswertung im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Der Ende März 2023 erschienene Bericht ist solide gemacht. Er beantwortet zwar nur eine spezielle Frage zur Verhütung, die dürfte aber viele interessieren.

So weit, so gut. Besonders bemerkenswert ist aber ein Aspekt des Berichts, der bei Studienbewertungen sonst eher unterbelichtet ist: Er beschäftigt sich auch mit der Frage, wie leicht oder schwer eigene informierte Entscheidungen beim Thema Verhütung sind.

Dazu hat das Autor:innen-Team nicht nur Studien ausgewertet, sondern auch Personen befragt, die Erfahrungen mit Verhütungsspiralen haben. Beide Quellen kamen zu einem ähnlichen Ergebnis: Ärzt:innen wollten oft nur über eine der beiden Methoden beraten, in der Regel die Hormonspirale. Dann ist es aber schwer, sich wirklich selbstbestimmt informiert zu entscheiden. Gleiches gilt übrigens auch, wenn sich die Kosten für die Verhütungsmethoden wesentlich unterscheiden (auch das thematisiert der Bericht).

Eine wichtige Forderung des Autor:innen-Teams: Wer verhüten will, sollte neutrale Informationen zu Nutzen und Risiken aller Verhütungsmethoden bekommen können, die umfassend, inhaltlich richtig und allgemeinverständlich sind.

Wenn das im persönlichen Gespräch in der Arztpraxis offensichtlich so schwierig ist, gibt es dann solche Informationen zumindest im Netz?

Was steckt dahinter?

Die Analyse, die ein Team von Autor:innen im Auftrag des IQWiG erstellt hat, ist im Rahmen von „Themencheck Medizin“ entstanden. Bei diesem Programm können Bürger:innen Themenvorschläge für die Bewertung von medizinischen Untersuchungen oder Behandlungen einreichen.

Die Auswertung beschäftigt sich nicht nur mit Nutzen und Risiken, sondern auch mit Kosten, sozialen und organisatorischen Aspekte. Solche Bewertungen sind unter dem Namen Health Technology Assessment, kurz HTA-Bericht bekannt. Der Bericht deckt nur einen kleinen Teil der Fragen ab, die sich beim Thema Verhütung stellen, nämlich nur den Unterschied zwischen Hormon- und Kupferspiralen.

Wo informieren?

Was bei der informierten Entscheidung für eine bestimmte Verhütungsmethode helfen kann und was eher schwierig ist:

Was beim Vergleichen und Abwägen von medizinischen Optionen hilft

Für faire Vergleiche von Behandlungen ist es wichtig, dass eine Auswertung (wie es bei diesem Bericht der Fall war) alle relevanten Studien berücksichtigt. Gesundheitsinformationen, die informierte Entscheidungen unterstützen, müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Bei sehr komplizierten Fragen, bei denen viele Aspekte zu bedenken sind, können Entscheidungshilfen eine gute Unterstützung sein.

Was sich zum Vergleich von Hormon- und Kupferspiralen zu wissen lohnt

Beide Arten von Spiralen verhüten Schwangerschaften vermutlich ähnlich zuverlässig, die Hormonspirale eventuell ein kleines bisschen besser. Weil die Studien die Verhütungssicherheit in sehr unterschiedlicher Weise angaben, konnte das Forschungsteam die Untersuchungen nicht zahlenmäßig zusammenfassen.

Bei Kupferspiralen verstärkt sich die Regelblutung oft, bei Hormonspiralen wird sie schwächer oder bleibt sogar ganz aus. Wie Betroffene das bewerten, kann sehr unterschiedlich sein. Bei der Hormonspirale können hormonell bedingte Beschwerden wie Akne, Übelkeit, Depressionen oder Gewichtsveränderungen auftreten. Andere Nebenwirkungen waren mit beiden Arten von Spiralen ähnlich häufig.

Die verfügbaren Studien beschränkten sich allerdings jeweils auf eine bestimmte Art von Hormon- beziehungsweise Kupferspirale. Es gibt aber auch Hormonspiralen mit einem geringeren Hormongehalt und Kupferspiralen mit anderen Kupfermengen oder in anderen Formen (z.B. Kupferkette oder Kupferball). Ob es dabei wesentliche Unterschiede gibt, konnte das Forschungsteam mangels aussagekräftiger Daten nicht untersuchen.

An den relevanten Studien nahmen nur Frauen teil, die zuvor schon mindestens einmal schwanger waren. Ob sich die Ergebnisse des Vergleichs auch auf Frauen übertragen lassen, die noch nicht schwanger waren, lässt sich nicht sicher sagen.

Informationen zur Verhütung finden

Wenn es um Entscheidungen zum Thema Verhütung geht, ist die Frage „Hormon- oder Kupferspirale“ nur eine von mehreren. Es gibt zahlreiche Verhütungsmethoden, die alle Vor- und Nachteile haben. Eine Übersichtsseite bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) nennt eine Reihe von Aspekten, über die es sich lohnt nachzudenken. Neben der Verhütungssicherheit und Nebenwirkungen gehören dazu zum Beispiel auch die Kosten und wie wichtig man die einzelnen Gesichtspunkte findet.

Es gibt zwar einige Websites, die die verschiedenen Verhütungsmethoden darstellen (etwa bei der BzgA und bei Pro Familia). Rar sind allerdings Entscheidungshilfen, die umfassend den Kriterien für evidenzbasierte Gesundheitsinformationen entsprechen: also zum Beispiel Quellen und Wissenslücken benennen, Nutzen und Risiken in Zahlen und die Unsicherheit dahinter angeben und Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten darstellen.

Wie du gute Entscheidungen zum Thema Verhütung treffen kannst

Wenn du vor der Frage nach der richtigen Verhütungsmethode stehst, kann es vielleicht helfen, nicht nur die verschiedenen Optionen anzuschauen, sondern auch zu überlegen, welcher Aspekt dir gerade besonders wichtig ist: Hohe Sicherheit, Hormonfreiheit, Kosten oder noch etwas ganz anderes? Das macht es vielleicht auch leichter, in der Praxis gezielt nachzufragen.

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Arzt oder deine Ärztin dich nicht zu allen Verhütungsmethoden beraten will oder kann, für die du dich interessierst, kannst du dich auch bei Beratungsstellen informieren.

Was nicht du als Nutzer:in, aber vielleicht die Anbieter verlässlicher Gesundheitsinformationen tun könnten: eine umfassende Entscheidungshilfe entwickeln, die informierte Entscheidungen bei der Verhütung ermöglichen. Das wäre sicherlich eine Menge Arbeit, aber es gibt auch eine Menge Menschen, die das zu schätzen wüssten.

Dieser Text wurde am 30. Mai 2023 als Newsletter verschickt. Der Newsletter von Plan G erscheint zweimal im Monat. Er hilft dir mit konkreten Infos und Tipps, bessere Gesundheitsentscheidungen zu treffen.

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