Wer schuf den Menschen – Gott oder die Evolution?
Wie Naturwissenschaft und Glaube die Existenz des Homo sapiens erklären
von Dr. Henning EngelnJahrtausende lang deuteten die Menschen ihre eigenes Dasein als das Werk einer höheren, göttlichen Macht. Dann ließ Darwins Evolutionstheorie die Entwicklung des Homo sapiens in einem völlig neuen Licht erscheinen. Aber noch immer sind viele Menschen überzeugt davon, dass unsere Existenz die Folge eines übernatürlichen Plans und Schöpfungsaktes ist. Und das, obwohl Forschende immer neue Belege dafür zusammengetragen haben, dass sich der Homo sapiens aus affenartigen Vorfahren entwickelte. Wer hat denn nun recht, und lässt sich das überhaupt entscheiden?
Seit 1982 nimmt das renommierte US-amerikanische Meinungsforschungs-Institut Gallup jährlich eine Umfrage zum Thema Kreationismus vor. Die Ergebnisse von 2019: 40 Prozent der Amerikaner glauben, dass Gott den Menschen – so wie er heute ist – innerhalb der letzten 10.000 Jahre geschaffen hat. Für weitere 33 Prozent hat sich der Homo sapiens zwar über Jahrmillionen aus primitiveren Formen entwickelt, jedoch habe eine göttliche Macht diesen Prozess gelenkt. Und nur 22 Prozent der Befragten sind von einer evolutionären Entwicklung überzeugt, die ganz ohne übernatürliche Eingriffe auskommt.
In Europa ist die Zahl der Evolutionsskeptiker zwar geringer, aber auch hier sind die Ansichten über den Ursprung des Homo sapiens geteilt: Eine Umfrage in Großbritannien aus dem Jahr 2006 ergab, dass dort 39 Prozent an eine göttliche Beteiligung glauben, während für 48 Prozent eine Evolution ohne übernatürliche Eingriffe stattgefunden hat.
40 Prozent der US-Amerikaner glauben nicht an die Evolution
Die Aussage „Die Menschen, wie wir sie heute kennen, haben sich aus älteren Tierarten entwickelt“ fand im Jahr 2005 in verschiedenen europäischen Ländern ganz unterschiedliche Zustimmung. 85 Prozent der Isländer, 79 Prozent der Briten und 69 Prozent der Deutschen, aber nur 50 Prozent der Bulgaren und lediglich 27 Prozent der Türken bejahten sie. Und einer deutschen Statistik aus dem Jahr 2009 zufolge waren 20 Prozent der Menschen überzeugt davon, dass der Mensch von Gott geschaffen wurde, so wie es in der Bibel steht.
Wie kann es sein, dass noch immer so viele Menschen an eine göttliche Lenkung glauben – haben Darwin und die nachfolgenden Generationen von Forschenden nicht eindeutige Beweise für die Evolutionstheorie vorgelegt? Wer hat denn nun den Homo sapiens hervorgebracht: Gott oder die Evolution?
Über Jahrtausende schien die Antwort klar: Selbstverständlich hatte ein Schöpfer, ein übernatürliches Wesen, den Menschen aus einem Guss und nach einem göttlichen Plan geschaffen. Für die Menschen bis weit ins 19. Jahrhundert gab es keine Zweifel: Aus einem Ei, das ein Huhn legte, schlüpfte immer nur ein Huhn, eine Kuh gebar ein Kälbchen, aus einer Eichel wuchs ein Eichenbaum. Jede Art brachte nur ihresgleichen hervor, das lag doch auf der Hand. Da gab es keinen Wandel und keine Entwicklung.
Charles Darwin beobachtete, dass Arten sich verändern
Doch dann begann der britische Gelehrte Charles Darwin in akribischer Forschungsarbeit genauer hinzusehen und er stellte fest: Die Individuen einer Art unterscheiden sich ein wenig; es gibt Variationen. Das ist auch von der Haustierhaltung bekannt: Egal ob Hunde, Rinder oder Tauben – Züchtende wählen Tiere mit bestimmten, gewünschten Merkmalen aus, kreuzen sie und erhalten so Nachkommen, die diese Merkmale verstärkt in sich tragen. Warum sollte das nicht auch in der Natur so sein? Nur dass hier nicht ein Züchter am Werk ist, sondern schlicht diejenigen Tiere überleben, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind.
Als Darwin ab 1831 eine fast fünfjährige Weltreise mit dem Vermessungsschiff „Beagle“ unternahm, konnte er vor allem an den Küsten Südamerikas eine riesige Vielfalt von Arten beobachten, entdeckte aber auch Fossilien und sammelte Exemplare verschiedenster Pflanzen und Tiere. Darunter waren die heute als Darwinfinken bekannten Vögel, die auf den Galapagosinseln leben. Sie gehören zwar zu unterschiedlichen Arten, sind sich aber so ähnlich, dass Darwin vermutete, sie würden alle von einer gemeinsamen Finkenart abstammen, die einst vom Festland auf die Inseln geraten war.
Das Prinzip der natürlichen Auslese
Als Darwin später eine Abhandlung des britischen Ökonomen und Sozialphilosophen Thomas Robert Malthus las, in der es um das Bevölkerungswachstum ging, kam ihm eine frappierende Idee: Wenn Lebewesen – egal ob Tiere oder Pflanzen – mehr Nachkommen in die Welt setzen als überleben können, dann werden sich nur diejenigen durchsetzen und fortpflanzen, die besonders vorteilhafte Merkmale besitzen, die optimal an ihre Umwelt angepasst sind. Charles Darwin hatte das Prinzip der „Natürlichen Auslese“ entdeckt.
Damit hatte der Forscher – zeitgleich mit dem ebenfalls britischen Pflanzen- und Tiersammler Alfred Russel Wallace, der auf ganz ähnliche Ideen kam – die Grundpfeiler der Evolutionstheorie gefunden. Lebewesen produzieren eine Fülle von Nachkommen, die zudem unterschiedlich sind. Und nur die am besten Angepassten von ihnen überleben. Wenn diese sich selbst fortpflanzen, geben sie ihre besonderen Merkmale wiederum an die nächste Generation weiter. So wandelt sich eine Art allmählich, passt sich immer besser an die Umwelt an – und verändert sich irgendwann so sehr, dass sie zu einer neuen Art geworden ist.
Darwin trug eine gewaltige Fülle von Beispielen und Belegen zusammen, die er 1859 in seinem Buch „Die Entstehung der Arten“ veröffentlichte. Obwohl nicht wenige Fachkollegen seine Thesen unterstützten, erntete Darwin auch heftige Kritik, insbesondere seitens der Kirchenvertreter. Denn bis dato lautete die einhellige Überzeugung, dass alle Arten von Gott geschaffen und unveränderbar seien. Und dass dem Menschen als „Krone der Schöpfung“ eine Sonderstellung zustehe.
Eine These, die die Welt in Aufruhr versetzte
Umso mehr Aufsehen erregte Darwins zweites großes Werk, das 1871 erschien und den provokanten Titel „Die Abstammung des Menschen“ trug. Darin kam der Forscher nicht nur zu dem Schluss, dass auch der Mensch eine Entwicklung durchlaufen habe und den Gesetzen der Evolution unterworfen sei, sondern dass er gar von den Tieren abstamme – und zwar von affenähnlichen Vorfahren. Mit dieser Sicht stellte Darwin die Einzigartigkeit des Homo sapiens in Frage – und das empfanden viele seiner Zeitgenossen als Kränkung. Der Forscher ging sogar noch weiter. Durch genaue Beobachtungen und Vergleiche identifizierte er Schimpansen und Gorillas als die nächsten Verwandten des Menschen. Damit war für ihn klar: Der gemeinsame Vorfahr müsse eine ausgestorbene Affenart gewesen sein, die in Afrika gelebt hatte.
Die Zeit war reif, nach älteren Menschenformen und Bindegliedern zwischen Mensch und Affe zu suchen. Bereits im Jahr 1856 war die erste Form eines urtümlichen Menschen gefunden worden: Der Neandertaler. Es folgten 1891 der Java-Mensch (Homo erectus), 1907 der in Deutschland entdeckte Homo heidelbergensis, 1927 der Peking-Mensch (heute ebenfalls Homo erectus). Noch eindrucksvoller war ein fossiler Schädel, den der südafrikanische Anatom Raymond Dart 1924 beschrieb. Er gehörte einst einem Wesen, dessen Kopf noch weitgehend dem eines Schimpansen ähnelte, das jedoch aufrecht auf zwei Beinen gehen konnte (Australopithecus africanus). Das erste Bindeglied zwischen Mensch und Affe war gefunden. Und das war erst der Beginn der Suche. Heute sind mehr als zwei Dutzend verschiedene Arten von Ur- und Vormenschen bekannt, die eine Fülle von Übergangsstufen zwischen Mensch und Affe belegen.
Auch Embryonalentwicklung und Gene bestätigen die Evolution
Doch das sind nicht die einzigen Beweise für eine Evolution. Menschliche Embryonen etwa zeigen während ihrer Entwicklung im Mutterleib vorübergehend Merkmale, die an frühere Evolutionsstadien erinnern. Im Alter von viereinhalb Wochen haben sie Kiemenfurchen, flossenartige Arm- und Beinanlagen sowie einen Schwanz. Weshalb sollte es solche Merkmale geben, wenn ein Schöpfer den Homo sapiens komplett und in einem Entwurf geschaffen hat?
Anatomisch und physiologisch sind uns die Menschenaffen so ähnlich, dass es schwer fällt, darin keinen stammesgeschichtlichen Zusammenhang zu sehen. Noch deutlicher zeigte sich die Verwandtschaft, nachdem es möglich wurde, das Erbgut von Lebewesen Buchstabe für Buchstabe zu entziffern. Heraus kam: Die Genbibliotheken von Menschen und Schimpansen stimmen zu 98,4 Prozent überein. Eine weitere, neue Methode offenbarte Details der Stammesgeschichte. Im Jahr 1997 gelang es dem Forscher Svante Pääbo erstmals, Erbgut aus den fossilen Knochen von Neandertalern zu gewinnen und zu analysieren. Diese Methode wurde rasch weiterentwickelt und ermöglichte die Entzifferung kompletter Genbibliotheken von Urmenschen. Seither wissen wir, dass die Vorläufer des Homo sapiens über ein ganz ähnliches Erbgut verfügten wie wir selbst – und sich sogar vermischten, etwa der Neandertaler mit dem modernen Homo sapiens.
Das alles sind gut begründete Belege dafür, dass der Mensch nicht von einem Tag auf den anderen auf der Erde erschien, sondern eine sich über Jahrmillionen hinziehende Evolution stattgefunden hat, die von affenartigen Vorfahren zum Homo sapiens führte. Ist ein Schöpfer damit überflüssig geworden, sind göttliche Eingriffe wissenschaftlich widerlegt? Wenig überzeugend ist zumindest, was strenge „Kreationisten“, die die Bibel wörtlich nehmen, noch immer verkünden: Gott habe den Menschen vor einigen tausend Jahren geschaffen – und zwar genau so, wie er heute ist.
Sogar der Papst erkannte Darwins Lehre an
Tatsächlich sind sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche längst von der Position der Kreationisten abgerückt. Und im Oktober 1996 verkündete Papst Johannes Paul II. in einer Botschaft an die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften: „Heute… geben neue Erkenntnisse dazu Anlass, in der Evolutionstheorie mehr als eine Hypothese zu sehen. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass diese Theorie nach einer Reihe von Entdeckungen in unterschiedlichen Wissensgebieten immer mehr von der Forschung akzeptiert wurde. Ein solches unbeabsichtigtes und nicht gesteuertes Übereinstimmen von Forschungsergebnissen stellt schon an sich ein bedeutsames Argument zugunsten dieser Theorien dar.“ Zwar formulierte der Papst gewisse Einschränkungen – etwa, dass Theorien, die den Geist für eine Ausformung der Kräfte der belebten Materie oder für ein bloßes Epiphänomen (Begleiterscheinung) dieser Materie halten, nicht mit der Wahrheit über den Menschen vereinbar seien – im Prinzip aber erkannte er Darwins Theorie an.
In den 1990er Jahren kam vor allem in den USA eine Bewegung auf, die von der direkten Auslegung der Bibel abrückte und die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das hohe Alter der Erde sowie die Prozesse der Artbildung akzeptierte. Dieser als „Intelligent Design“ bezeichnete Ansatz erkennt die von der Forschung gelieferten Fakten zum Teil an und versucht sich auf diese Weise den Anstrich von Wissenschaftlichkeit zu geben. Auf der anderen Seite behaupten ihre Anhänger allerdings, dass für die Entwicklung eine „intelligente Macht“ nötig sei, die lenkend in die Evolution eingreife. Diese übernatürliche Kraft sei es gewesen, die alle großen Organismen-Baupläne und die Vielfalt des Lebens hervorgebracht habe.
Die Idee vom „intelligenten Designer“ stößt auf Skepsis
Angehörige der naturwissenschaftlichen Denkweise jedoch lehnen „Intelligent Design“ ab, da es keine wissenschaftliche Theorie sei. Der Grund: Eine jede wissenschaftliche Theorie müsse auf beobachtbaren Fakten beruhen und überprüfbar sein, doch niemand könne belegen oder untersuchen, was ein übernatürlicher Planer aus welchen Gründen getan habe. Auch die Amtskirchen stehen dem Konzept skeptisch gegenüber. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) etwa grenzt sich von Kreationismus und Intelligent Design klar ab.
Die Daten und Fakten können also eine Evolution und die Entwicklung des Homo sapiens aus affenähnlichen Vorfahren eindeutig belegen. Der Satz „Die Evolution hat den Menschen hervorgebracht“ ist damit aus wissenschaftlicher Sicht eine vielfach bestätigte Aussage und ein Gott scheint für diesen Prozess nicht nötig zu sein. Aber ist das wirklich ein Triumph der Naturwissenschaft über die Religion? Ist damit widerlegt, dass eine übernatürliche Macht, ein Schöpfer, in diesen Prozess eingegriffen hat? Nein, denn so gut die Evolutionstheorie die Entwicklung des Lebens und des Menschen beschreiben kann, eines kann sie nicht: Beweisen, dass es keinen Gott gibt. Um das zu verstehen, ist ein Blick auf die Vorgehensweise und das Instrumentarium der Naturwissenschaft nötig.
Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Theorie aufstellen wollen, gehen sie zunächst von einer Hypothese aus. Das ist eine Art Vermutung, die auf einer Beobachtung oder einem Experiment beruhen kann. Also etwa die Vermutung, der Mensch stamme von einem Affen-Vorfahren ab. Dann sammeln die Forschenden eine Fülle von Fakten, Beobachtungen oder experimentellen Daten, die diese Hypothese belegen: Zum Beispiel Fossilien von Übergangsformen, physiologische oder genetische Ähnlichkeiten und so weiter. Gibt es genügend Fakten, die als Erklärung der Hypothese anerkannt werden, wird aus der Hypothese eine Theorie.
Gott lässt sich nicht wissenschaftlich definieren
Geht es jedoch um die Begriffe „Gott“ oder „übernatürliche Macht“ tut sich die Naturwissenschaft schwer. Gott lässt nicht wissenschaftlich definieren; es lässt sich nicht sagen, was das für ein Wesen ist und wie es arbeitet. Damit entziehen sich Forschenden auch sämtliche Möglichkeiten, Experimente oder systematische Beobachtungen vorzunehmen, die göttliches Wirken untersuchen. Wissenschaft kann keine objektiven Aussagen über Gott machen und demnach weder beweisen, dass es ihn gibt noch das Gegenteil.
Und wie ist es umgekehrt mit dem Glauben und dessen Instrumentarium? Die Quellen der Schöpfungsmodelle sind religiöse Schriften wie die Bibel, die auf Mythen beruhen. Glaubensinhalte sind nicht mit naturwissenschaftlicher Methodik nachprüfbar. Sie liegen jenseits des Wissens und sind vor allem intuitiv, durch Fühlen und Empfinden zu begreifen.
Mit der Methodik des Glaubens lassen sich daher keine wissenschaftlichen Zusammenhänge ermitteln. Der Glaube allein hätte nie zur Entdeckung fossiler menschlicher Urahnen geführt. Andererseits gibt der Glaube vielen Menschen Halt, Kraft, Geborgenheit und Sinn im Leben. Das wiederum kann Wissenschaft nicht leisten.
Naturwissenschaft und Glaube sind also zwei völlig unterschiedliche Ansätze, die Welt zu deuten und die Wirklichkeit zu beschreiben. Sie stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sind unabhängig voneinander. Beide Antworten sind gleichermaßen gültig: Für die einen hat Gott den Menschen geschaffen, für die anderen war es die Evolution. Wie die Entwicklung genau abgelaufen ist, kann die Naturwissenschaft ermitteln. Aber sie vermag nicht die Frage nach dem Warum, nach dem Zweck und dem Ziel der Evolution zu beantworten.
Eine Theorie kann sich als falsch erweisen
Es gibt einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen den beiden Sichtweisen: Über die wissenschaftlichen Methoden sind sich Forschende auf der ganzen Erde einig. Mithilfe von Beobachtungen und Experimenten lässt sich daher zweifelsfrei und objektiv über eine Theorie befinden. Sie gilt so lange als richtig wie keine Fakten gegen sie sprechen und eine Vielzahl von Forschungsdaten in Einklang mit ihr stehen. Widerspricht ihr aber das Ergebnis auch nur eines sorgfältig durchgeführten Experimentes, muss sie entweder abgewandelt oder sogar komplett verworfen werden. Eine solche objektive Beurteilung ist bei religiösen Aussagen nicht möglich. Ob man einem Glauben anhängen will, ist daher eine subjektive Entscheidung.
Evolutionslehre und Glaube sind zwei ganz unterschiedliche Weisen, den Menschen zu erklären. Jede hat ihr eigenes Instrumentarium, und sie lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Dennoch wird keine andere naturwissenschaftliche Theorie derart heftig aus religiös-weltanschaulichen Gründen abgelehnt oder bekämpft wie die Evolutionslehre. Woran liegt das? Offenbar haben die Menschen ein starkes Bedürfnis nach Erklärung, nach einem Sinn für ihr Dasein. Und nach einer Macht, die sie behütet, in der sie sich geborgen fühlen können. Das aber kann die Darwin‘sche Theorie ihnen nicht bieten. Manche mögen auch nach wie vor die Vorstellung als demütigend empfinden, von einem Tier, vom Affen abzustammen.
Viele Theologen und Vertreter der Kirchen haben heutzutage allerdings kein Problem mehr mit der Evolution. Der evangelische Theologieprofessor Wilfried Härle etwa sieht keine Konkurrenz zwischen der christlichen Schöpfungslehre und naturwissenschaftlichen Evolutionsmodellen: Gott sei nicht als Architekt, Programmierer oder Baumeister der Welt vorzustellen und die Theologie habe auf die Kategorie der Kausalität zu verzichten. Auch unter den Muslimen, die der Theorie Darwins im Allgemeinen besonders skeptisch gegenüber stehen, gibt es solche, die beide Sichtweisen vereinbaren können – etwa der österreichische Imam Turgut Demirci, der sogar seine Masterarbeit über das Thema schrieb.
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Auch manche Naturwissenschaftler sind gläubig
Umgekehrt gibt es auch durchaus Forschende, die ihre wissenschaftliche Arbeit mit dem Glauben vereinbaren können. Schon der Begründer der Quantenphysik Max Planck (1858 bis 1947) sah zwischen Religion und Naturwissenschaft keinen Widerspruch, sondern zwei völlig verschiedene Ebenen der Wirklichkeit. Viele Physiker und Astronomen können Glaube und Wissenschaft unter einen Hut bringen: Etwa der Schweizer Astrophysiker Arnold Benz oder der deutsche Astrophysiker, Naturphilosoph und Wissenschaftsjournalist Harald Lesch. Ebenso die beiden deutschen Nobelpreisträger von 2007 Gerhard Ertl (Chemie) und Peter Grünberg (Physik). Auch unter Biologen gibt es solche, die sowohl von der Gültigkeit der Naturgesetze überzeugt sind als auch an Gott glauben – der Schweizer Mikrobiologe Peter Homberger zum Beispiel oder der an der Harvard University in den USA lehrende, aus Österreich stammende Evolutionsbiologe Martin Nowak.
Charles Darwin selbst war übrigens anfangs ein gläubiger Christ, der sogar Theologie studiert hatte. Doch im Lauf seines Lebens und seiner Arbeit an der Evolutionstheorie kamen ihm mehr und mehr Bedenken, was die christlichen Dogmen betrifft. Den Ausschlag für seine Zweifel an Gott aber gab eine persönliche Tragödie: Im Jahr 1851 starb seine zehnjährige Lieblingstochter Anne nach langer, qualvoller Krankheit. Diesen Schicksalsschlag empfand der Gelehrte als sinnlos und ungerecht. Sein Glaube an eine moralische, gerechte Welt und einen allwissenden Schöpfer schwand endgültig dahin.
Dr. Henning Engeln
Henning Engeln ist Journalist und Buchautor, unter anderem arbeitet er für GEO.
Der lange Weg zum Menschen
Wir Menschen wollen wissen, wer wir sind und woher wir kommen. Wer waren unsere Ahnen? Wie wurden wir zum Beherrscher der Erde? Weshalb können wir zugleich egoistisch und hilfsbereit sein? Das und mehr erfahren Sie bei "Der lange Weg zum Menschen" (mehr Details zum Projekt und seinen Macher gibt es hier).
Mein Name ist Henning Engeln, ich bin promovierter Biologe, freiberuflicher Wissenschaftsjournalist und Buchautor aus Hamburg. Ich war viele Jahre Redakteur bei GEO und GEOkompakt. Meine Themenschwerpunkte sind Evolution und Hirnforschung, der Mensch und das Universum.
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